Europäische Union

Gemeinsame Botschaft in seltener Eintracht

In Kürze will die Europäische Kommission in Brüssel Vorschläge für die Regulierung digitaler Dienste vorlegen. Foto: Michael Thaidigsmann

Es ist eher selten, dass die jüdischen Organisationen, die Büros in Brüssel unterhalten, eine gemeinsame Stellungnahme abgeben. Es herrscht ein gewisser Konkurrenzkampf. Zuweilen geht es nicht nur darum, was jemand sagt, sondern auch, wer es (zuerst) sagt.

Doch jetzt haben sich sieben Verbände – das American Jewish Committee, B’nai B’rith Europe, B’nai B’rith International, CEJI, der Europäische Jüdische Kongress, die Europäische Studierendenunion und der Jüdische Weltkongress – in einem offenen Brief an die Präsidentin der Europäische Kommission, Ursula von der Leyen, und die zuständigen Kommissare gewandt, um sie zu klareren Regeln beim Kampf gegen die Verbreitung von Antisemitismus im Internet aufzufordern.

NEUE VERORDNUNG In Kürze will die Kommission Vorschläge vorlegen, wie der rechtliche Rahmen für digitale Dienste angepasst werden soll. 20 Jahre nach der sogenannten »E-Commerce-Directive« will die EU vor allem soziale Netzwerke und Online-Händler effektiver regulieren und Internet-Nutzer vor illegalen Inhalten besser schützen.

In ihrem offenen Brief fordern die jüdischen Verbände jetzt die EU-Exekutive auf, die Rolle der Plattformanbieter bei der Verbreitung von Judenhass stärker in den Blick zu nehmen, um so den Schutz der Nutzer von Online-Angeboten zu verbessern. Die geplante Verordnung müsse, so die Unterzeichner des Schreibens, dafür sorgen, dass die Algorithmen der sozialen Netzwerke offengelegt würden und auch Datensätze analysiert würden, um herauszufinden, wie sich antisemitische Vorurteile im Internet ausbreiteten.« Das solle nicht nur für die Großen der Branche gelten, sondern auch für kleinere Plattformen, welche oft von Antisemiten und Hetzern als Ausweichplatz genutzt würden.

Im Mai 2016 hatten Facebook, Microsoft, Twitter and YouTube sich auf freiwilliger Basis gegenüber der Europäischen Kommission verpflichtet, illegale Inhalte und »Hass-Postings« nach Meldung unverzüglich zu löschen. Weitere soziale Netzwerke haben sich seitdem diesem Verhaltenskodex angeschlossen. Immer wieder wird dennoch die Forderung laut, EU-weit einheitliche Regeln für diesen Bereich in Gesetzesform zu bringen und damit automatisch für alle verbindlich zu machen.

GELEGENHEIT Die jüdischen Organisationen fordern einhellig, dass die IHRA-Arbeitsdefinition für Antisemitismus Grundlage sein müsse für die Bewertung fragwürdiger Inhalte im Netz. Zudem sollen die von einigen sozialen Netzwerken bereits eingestellten »Faktenchecker« besser geschult werden, was insbesondere den Judenhass angeht.

Es gehe aber, so der offene Brief weiter, nicht nur um das Aufspüren und Löschen von Falschnachrichten und Hass-Posts. Man müsse auch das Aufzeigen »positiver Inhalte« fördern, so die Unterzeichner, zu denen die Geschäftsführer von B’nai B’rith International, Daniel Mariaschin, und Europäischem Jüdischen Kongress, Raya Kalenova, zählen.

»Die Verordnung für digitale Dienstleistungen wird die Herangehensweise der EU an eine zunehmend digitalisierte Welt auf Jahre hinaus bestimmen. Deshalb darf jetzt nicht die Gelegenheit versäumt werden, Grundelemente digitaler Regulierung zu bestimmen, der Sicherheit der Nutzer Vorrang einzuräumen und den Menschen in den Mittelpunkt der Überlegungen zu rücken«, heißt es in dem Brief. Man hoffe, so die Verfasser des offenen Briefes, dass die Kommission diese Aspekte in ihrem Gesetzesvorschlag, der in den kommenden Wochen vorgelegt werden soll, berücksichtigen werde.

Unter dem Hashtag #DeleteAntisemitism (»Antisemitismus löschen«) wollen die jüdischen Organisationen jetzt gemeinsam eine Kampagne starten, um die EU-Institutionen von ihren Argumenten zu überzeugen.

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