Wie wird Judentum in Schulbüchern dargestellt? Wie erklärt man Schülerinnen und Schülern, was Antisemitismus ist? Wie bildet man den Alltag von Jüdinnen und Juden ab? Um diese Fragen zu klären, kamen am Dienstag Pädagogen von jüdischen Schulen, Mitglieder der Kultusministerkonferenz, Vertreter des Zentralrats der Juden, des Verbands Bildungsmedien, in dem sich die großen Schulbuchverlage zusammengeschlossen haben, und Bildungsexperten in der Synagoge der Synagogen-Gemeinde Köln zusammen.
In Panels und Vorträgen diskutierten sie, um die Erklärung zur Darstellung des Judentums in Bildungsmedien, die im Herbst vergangenen Jahres vom Zentralrat der Juden, dem Verband Bildungsmedien und der Kultusministerkonferenz beschlossen wurde, mit Leben zu füllen und in die Praxis umzusetzen.
Der Zentralrat hatte schon Jahre zuvor das Gespräch mit Bildungspolitikern und den Machern von Bildungsmedien, zu denen außer Schulbüchern auch längst Online-Materialien gehören, gesucht. In zwei Schulbüchern waren zuvor antisemitische Darstellungen aufgefallen, in etlichen anderen allerdings verkürzte Darstellungen des Judentums und des jüdischen Lebens. Die beiden Schulbücher waren daraufhin schnell aus dem Verkehr gezogen worden.
»Die Leitlinien schaffen einen Rahmen für eine differenzierte Darstellung des Judentums«, sagt Zentralratsvizepräsident Abraham Lehrer.
Doch die Vielfalt des jüdischen Lebens auch in Bildungsmedien zu zeigen, ist eine langfristige Aufgabe. In der 2024 beschlossenen Erklärung wurde festgehalten, jüdisches Leben in seiner Aktualität, Authentizität und Vielfalt darzustellen und deutlich zu machen, dass das Judentum in Deutschland, in Europa und in der Welt nichts Vergangenes ist, sondern höchst lebendig. »Seinen Stimmen sollte in Bildungsmedien Gehör gegeben werden, jüdische Perspektiven sollten in ihrer Vielfalt Eingang finden.«
Das Judentum in seiner historischen und aktuellen Vielfalt vermitteln
Zwölf Punkte umfasst nun die Erklärung. Bildungsmedien sollen künftig stärker als in der Vergangenheit das Judentum in seiner historischen und aktuellen Vielfalt vermitteln. Eine einseitige Betonung von Diskriminierung und Verfolgung sowie die Darstellung von Juden als bloße Objekte der Geschichte sollen vermieden werden. Sie sollen verstärkt als aktive Gestalter des historischen Geschehens dargestellt werden.
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), den das Zusammenfallen von Regierungsgeschäften und Wahlkampf daran hinderte, die Eröffnung der Tagung selbst vorzunehmen, sagte in einer Videobotschaft: »Bildung macht immun gegen Verschwörungstheorien« und erinnerte an die Anschläge auf Synagogen und jüdische Einrichtungen nach dem barbarischen Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023 und Israels Recht auf Selbstverteidigung: »Nie wieder ist jetzt!«
Wüst erinnerte daran, dass die über 1700-jährige Geschichte der Juden in Köln mit einem Dekret des römischen Kaisers Konstantin ihren Anfang nahm. Die Eröffnung der Fachtagung übernahm anschließend Dorothee Feller (CDU), die Schulministerin des Landes Nordrhein-Westfalen. Feller beschrieb den von Sicherheitsschleusen und Panzerglas geprägten Alltag in den jüdischen Schulen und stellte fest: »Die Lage für jüdische Schüler und Lehrer ist angespannt.«
»Bildung macht immun gegen Verschwörungstheorien«, meint Hendrik Wüst.
80 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz bleibe die Aufgabe, die Erinnerung an dieses menschenverachtende Verbrechen wachzuhalten und gegen jede Form von Antisemitismus konsequent vorzugehen. »Gleichzeitig dürfen wir unsere jüdischen Mitmenschen nicht auf ihre Rolle als Opfer des Nationalsozialismus reduzieren. Es ist vielmehr ein wesentlicher Bestandteil in der Bekämpfung des Antisemitismus, in Bildungsmedien auch die Vielfalt und Lebendigkeit des jüdischen Lebens darzustellen.«
19 Prozent der Bevölkerung in Deutschland sind der Ansicht, die Schoa habe nicht stattgefunden
Der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland und Mitglied des Vorstands der Synagogen-Gemeinde Köln, Abraham Lehrer, begrüßte die Teilnehmer in seiner Heimatgemeinde und sagte über das im Herbst beschlossene Papier: »Die Leitlinien schaffen einen Rahmen für eine sachlich korrekte, vorurteilsfreie, unverzerrte und differenzierte Darstellung des Judentums in Bildungsmedien. Damit verbunden ist auch der Appell, dass diese Empfehlungen einen Unterschied machen und Einfluss auf die Lehrpläne, die Schulbuchmacher und nicht zuletzt die Lehrkräfte haben werden.«
Dass 19 Prozent der Bevölkerung in Deutschland über alle Altersgruppen hinweg der Ansicht seien, die Schoa habe nicht stattgefunden, sei schrecklich, aber die Zahl sei seit Jahrzehnten stabil. »Wenn aber zwölf Prozent sagen, die jüdische Religion fordere Ritualmorde an Kindern, frage ich mich: Woher haben die das? Das wird doch nicht an unseren Schulen gelehrt? Kommt das alles aus den sozialen Medien?« Wesentlich für den Zentralrat sei, dass man auf einem Weg sei, die Fehldarstellung von Juden in Bildungsmedien zu korrigieren.«
Dem schloss sich Christoph Pienkoß, der Geschäftsführer des Verbands Bildungsmedien, an: »Judentum und jüdisches Leben müssen in Bildungsmedien in ihrer Vielfalt angemessen dargestellt werden.« Dies sei nicht nur Teil des demokratischen Selbstverständnisses der Bildungsmedienanbieter. Es sei auch Teil ihrer gesellschaftlichen Verantwortung, wenn es um den Kampf gegen Antisemitismus gehe.