Am vergangenen Mittwochabend hatte die Bundestagsabgeordnete Katja Mast (SPD) zu einem Austausch über jüdisches Leben in Pforzheim, Baden-Württemberg und Deutschland eingeladen. Ihre Gäste bei der Online-Veranstaltung waren der Berliner Rapper Ben Salomo, der auch erster Preisträger des Pforzheimer Friedenspreises ist, und Rami Suliman, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Pforzheim. Anlass der Diskussionsrunde war das diesjährige Jubiläum »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland«.
Im Zentrum der Gesprächsrunde, an der sich viele Interessierte über Zoom und Facebook beteiligten, standen das jüdische Leben in Pforzheim und der in Deutschland grassierende Antisemitismus.
Geschichte Zum Auftakt gab Rami Suliman einen kleinen Einblick in die Geschichte der Juden in Pforzheim. So sei die erste Gemeinde in der Stadt an der Enz für das Jahr 1260 belegt. Die erste große Synagoge wurde 1883 eröffnet. »Ein wunderschönes Gebäude, das leider in der Pogromnacht zerstört wurde«, sagte Suliman, der in Israel geboren wurde und bereits seit vielen Jahren in Baden-Württemberg lebt.
Erst durch die Zuwanderung von Juden aus der ehemaligen Sowjetunion konnte die Pforzheimer Gemeinde wieder stärker wachsen.
Nach der Schoa lag auch das jüdische Leben in Pforzheim darnieder. Erst durch die Zuwanderung von jüdischen Familien aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion konnte die Gemeinde wieder stärker wachsen. »Wir haben heute ein sehr lebendiges Judentum in Pforzheim«, betonte Suliman. Als Vorsitzendem sei es ihm ein Anliegen, die kulturellen und sozialen Aktivitäten seiner Gemeinde einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen.
Die vielen für Januar und Februar geplanten Veranstaltungen im Rahmen des Jubiläumsjahres konnten wegen der Corona-Pandemie nicht stattfinden, bedauerte Suliman. Trotz allem Positiven sehe auch er, dass es antisemitische Ressentiments in der Gesellschaft gibt. »Wir haben Probleme mit Antisemitismus, aber ich glaube, die schweigende Mehrheit ist mit uns und auch ein großer Teil der Politik«, sagte er.
Vertrauensvorschuss Rapper Ben Salomo erwiderte, dass er die Situation für sich in Berlin anders einschätzt. »Jüdisches Leben ist in Berlin nur unter strengen Sicherheitsvorkehrungen möglich«, sagte der 44-Jährige, der mit bürgerlichem Namen Jonathan Kalmanovich heißt und in Rechovot geboren wurde. Er habe in seiner Jugend in Berlin immer wieder Antisemitismus erfahren, weswegen er nicht optimistisch sein könne. Sein Großvater habe mit seiner Entscheidung, in die Bundesrepublik zu kommen, dem Land einen Vertrauensvorschuss gegeben.
»Diesen sehe ich jetzt in meinen Fingern wie Sand davonlaufen«, sagte der Musiker. Er schloss nicht aus, aus Deutschland fortzugehen. Allerdings sehe er in jüngster Zeit auch wieder positive Tendenzen. Dazu zählte Ben Salomo die Einsetzung des Bundesbeauftragten für Antisemitismus und jüdisches Leben. Aber auch die Mehrheitsgesellschaft müsse aufstehen und sich engagieren, forderte er.
»Die Anständigen müssen lauter werden«, stimmte ihm die SPD-Politikerin Mast zu. Um Ressentiments wirksam zu bekämpfen, brauche es Demokratieprojekte. »Diese müssen ausfinanziert sein – dafür trägt die Politik Verantwortung.« Sie werde weiter auf ein bundesweites Demokratiefördergesetz zur Unterstützung von Initiativen pochen.