Schaut man auf die letzten Jahre der Verabschiedung der Abiturienten, so hat sich vieles getan. 2018 geschah dies »mit viel Stolz«, 2019 hieß es »Ab in die Zukunft«, 2020 blickte man auf »ein Jahr besonderer Prüfung«, und 2021 resümierte man Schulzeit und jüdischen Religionsunterricht als »Kompass fürs Leben«.
Auch wenn es jedes Jahr im Sommer gilt, mit Freude und Wehmut einen Jahrgang aus dem Schulalltag zu entlassen, so findet Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, stets einen neuen Ansatz, die Schulabgängerinnen und Schulabgänger originell zu verabschieden. Dieses Mal nahm sie Bezug auf ein Zitat des Schriftstellers Lion Feuchtwanger: »Im Grunde nimmt man jeden Tag von irgendetwas Abschied, ohne es zu wissen.«
Schule bedeute ein enges, aber auch behagliches Korsett. Das lasse man nun hinter sich für »eine große Chance, zu werden, was ihr seid«. Diese Herausforderung würde gemeistert dank der Beharrlichkeit und Ausdauer über die »letzten, oftmals schwierigen Jahre« – mit »Geduld und Eigenverantwortung«. 2021/2022 habe man 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland gefeiert. Für das Judentum sei selbst diese lange Zeit nur ein kurzer Abschnitt. Knobloch appellierte an den Abiturjahrgang: »Die Tradition ist ein Auftrag an jeden von uns, das fortzuschreiben, was wir von den vorangegangenen Generationen ererbt haben.« Gleichzeitig dankte sie dem Lehrkörper – Chani Diskin, Michaela Rychlá, Markus Sternecker und German Djanatliev – für die Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen, die zu solch stolzen Ergebnissen führe.
Das Kultusministerium war vertreten durch Gertrud Michl und Wolfgang Mutter, das Luitpold-Gymnasium durch die Direktorin Renate Matthias und Studiendirektor Horst Heuring. Die Teilnahme der Rabbiner Avigdor Bergauz und Shmuel A. Brodman, des IKG-Geschäftsführers Steven Guttmann sowie von Vorstandsmitglied Eugen Alter unterstrich für die Abiturienten und ihre Familien die Bedeutung dieses festlichen Termins zwischen Abschied und Aufbruch im Restaurant »Einstein«.
Michaela Rychlá, seit 19 Jahren als Religionslehrerin in München tätig, richtete dieses Jahr die Abschiedsfeier aus. Sie wünsche sich, dass ihre ehemaligen Schülerinnen und Schüler »unseren jüdischen Weg weitergehen«. Wie intensiv sie mit ihnen arbeitete, wurde im Vortrag von Stella Spivak deutlich, die einen kurzen, doch gehaltvollen Exkurs über die Bedeutung der Erlösung und des Messias für »die Zukunft des Judentums« wie auch »den Zustand der Menschheit« hielt.
Markus Sternecker, der den Abiturjahrgang vorbereitete, zitierte Rabbi Akiba und Maimonides und sprach davon, dass Lehrer auch von ihren Schülern lernten. Isabella Ghazaryau, die, der weit zurückreichenden Familientradition folgend, Medizin studieren will, hielt eine launige Rede über die Schulzeit und dankte den Eltern, die »Pfeiler im Chaos des Lebens« seien. Aus der täglichen Amida zitierte der Basketballer Bence Kanyo, der sich auf sein Studium der Sportwissenschaft freut. Simon Benjamin Bigagli will Deutsch und Französisch auf Lehramt studieren, Stella Spivak möchte für ein Jahr nach Israel gehen und dann entscheiden, ob sie dort an der Bezalel-Kunsthochschule studiert oder nach London oder Wien weiterzieht. Mirjam Weissmann will Sozialarbeiterin werden.
Alle hätten konkrete Ziele für die nähere Zukunft und fühlten sich am Beginn eines »neuen Lebenskapitels«, wie Isabella Ghazaryau betonte.