Es gab manche Widerstände zu überwinden, bis der Umbau der evangelischen Paul-Gerhardt-Kirche in ein Gemeindezentrum der Jüdischen Kultusgemeinde in Bielefeld vor rund zwei Jahren vollendet war. Dass mit der Umwandlung eine architektonische Meisterleistung gelungen war, davon waren die Gemeindemitglieder von Anbeginn an überzeugt, mittlerweile ist es auch die ganze Stadt. Als letzte Bestätigung kam die »Auszeichnung vorbildlicher Bauten in NRW 2010« hinzu. Die Würdigung von Bauwerken, die vom Ministerium für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr gemeinsam mit der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen alle fünf Jahre vergeben wird, zählt zu den renommiertesten Auszeichnungen ihrer Art in Deutschland.
Auswahl Im Rahmen eines Festakts im Düsseldorfer Ständehaus wurden Ende September 34 neue oder erneuerte Bauwerke aus insgesamt 249 Einreichungen ausgezeichnet. Nach dem Urteil der Jury zeichnen sich die prämierten Bauwerke durch herausragende gestalterische, technische, ökologische und soziale Qualitäten aus. Auch ein günstiges Kosten-Nutzen-Verhältnis der Objekte wurde von der Jury berücksichtigt. Die Bielefelder Synagoge Beit HaTikwa (Haus der Hoffnung) wurde als vorbildliches Beispiel für die Umnutzung von Kirchengebäuden gewertet. Besondere Erwähnung fanden die respektvolle Würdigung der vorhandenen Bausubstanz und der Grundrisssituation, der ebenso sensibel wie künstlerisch hochrangig gestaltete Innenraum sowie die multifunktionalen Nutzungsmöglichkeiten, die der Bielefelder Architekt Klaus Beck umgesetzt hat.
Natürlich habe er Angst vor dem Projekt gehabt, was bei der veranschlagten Bauzeit und dem Budget kein Wunder sei, sagte Architekt Klaus Beck, der mit lachender Miene den Lohn der Angst in Form einer Preisurkunde in Händen hielt. Irith Michelsohn und ihr Vorstandskollge Paul Yuval Adam von der Jüdischen Gemeinde Bielefeld waren in Düsseldorf gleichfalls sichtlich stolz auf ihr Gemeindezentrum mit Synagoge. »Wir haben schon länger große Anerkenung für den Umbau bekommen, zuletzt sagte unser Oberbürgermeister, dass die Synagoge zum Wahrzeichen der Stadt geworden sei«, sagte Adam. »Aufgrund unseres breit aufgestellten Kulturangebots haben wir auch sehr viele nichtjüdische Gäste, auch stehen wir in enger Verbindung zu Christen wie zu Muslimen, die gern zu uns kommen«, ergänzt Michelsohn.
Blickfang Der Architektur scheint die Quadratur des Kreises gelungen zu sein. Einerseits präsentiert sich das hell gestaltete Kultuszentrum einladend offen, andererseits bietet der Garten abseits von der vielbefahrenen Detmolder Straße Entspannung für junge wie ältere Menschen. Besonders stolz ist man in Bielefeld auf den imposanten Toraschrein, der sich vier Meter in die Höhe streckt. »Das war die Idee unseres Rabbiners Henry G. Brandt, der auf einem Toraschrein als absolutem Blickfang bestand«, sagte Irith Michelsohn. Diesen hatten evangelische, katholische und freikirchliche Christen gespendet.
Preisgekrönt kann sich auch die liberale Synagoge Hannover Etz Chaim (Baum des Lebens) nennen. Die Architekten Roger Ahrens und Gesche Grabenhorst aus Hannover hatten die ehemalige evangelisch-lutherische Gustav-Adolf-Kirche (Baujahr 1971) umgebaut und wurden am 24. September zusammen mit der Stiftung Liberales Judentum Hannover als Bauherrn mit dem niedersächsischen Staatspreis für den Umbau eines Kirchengebäudes in ein jüdisches Gemeindezentrum von Ministerpräsident David McAllister ausgezeichnet.
Jury Der Staatspreis ist die höchste Architekturauszeichnung Niedersachsens und wird vom Land in Kooperation mit der Landesarchitektenkammer vergeben. Eine unabhängige Jury unter dem Vorsitz der Berliner Architektin Almut Ernst hatte den Preisträger aus 47 Bewerbungen ermittelt.
Die Jury lobte das Gebäude als ein »hervorragendes Beispiel für die zunehmende gesellschaftliche Aufgabe, geeignete und respektvolle Nachnutzungen für Kirchenbauten zu gestalten. Die neue Nutzung in diesem Gebäude, umgesetzt in einem offenen Dialog mit allen Beteiligten, bietet die Voraussetzung für eine große Akzeptanz und hohe Strahlkraft in das Umfeld.«