Bremerhaven

Zwei für jüdisches Leben

Das ist unsere erste große Veranstaltung seit dem Lockdown», freut sich Mircea Ionescu. Zusammen mit seinen Mitstreitern hatte der Vorsitzende der Menorah – Jüdische Gemeinde zu Bremerhaven Mitte Oktober wieder zu einer öffentlichen Veranstaltung eingeladen.

In der Volkshochschule wurden mit Manfred Ernst und Gisela Lehrke zwei «Lichter für das jüdische Leben» geehrt. Beide haben sich in herausragender Weise um die jüdische Gemeinschaft Bremerhavens verdient gemacht.

Die Geehrten haben die Juden in Bremerhaven «als normale Menschen betrachtet – wie gut das tut», sagt Ionescu in seiner Begrüßungsansprache. Die jüdische Gemeinschaft in Bremerhaven habe sich stets auf Ernst und Lehrke verlassen können.

Treffen Als langjährige Kulturamtsleiterin hatte Lehrke der in den 90er-Jahren gegründeten Einheitsgemeinde Räume für Treffen und Gottesdienste angeboten. Zusammen mit der Gemeinde hatte sie zudem den Gedenktag zum 9. November 1938 durchgeführt sowie die Verlegung von hunderten Stolpersteinen in Bremerhaven begleitet. Darüber hinaus etablierte Lehrke ein Besuchsprogramm für Bremerhavener Juden, denen die Flucht aus Nazi-Deutschland gelungen war. Für eine Woche waren die Geflüchteten in ihre alte Heimatstadt eingeladen.

Manfred Ernst hat als Regional- und Stadthistoriker über Jahrzehnte zu den Themen Widerstand gegen den Nationalsozialismus, Zwangsarbeit sowie zur Deportation der Bremer Juden in das Vernichtungslager Minsk geforscht.

Zudem gehört Ernst zu den Mitgründern des Jeanette-Schocken-Vereins, der seit 1991 zusammen mit der Stadt Bremerhaven einen Literaturpreis vergibt. Mit dem Preis soll ein Zeichen gegen Unrecht, Gewalt, Hass und Intoleranz gesetzt werden. Bisherige Preisträger waren international renommierte Autoren wie Imre Kertész, Gerhard Roth oder Richard Sennett.

Schoa Der Jeanette-Schocken-Preis erinnert an die Bücherverbrennung 1933 in Bremerhaven sowie an Jeanette Schocken, die in der Stadt lebte. Nach den Novemberpogromen gab die Tochter einer jüdischen Kaufmannsfamilie, die sich vor der Schoa im Gemeindeleben stark engagiert hat, Juden Unterkunft und verhalf ihnen zur Ausreise. Sie selbst floh wegen ihrer schwer erkrankten Tochter allerdings nicht. Jeanette Schocken wurde im November 1941 nach Minsk deportiert und mutmaßlich im Vernichtungslager Maly Trostinez ermordet.
Im Rahmen der Ehrung von Manfred Ernst und Gisela Lehrke hielt auch Volker Beck einen Vortrag.

Der ehemalige Grünen-Bundestagsabgeordnete stellte klare politische Forderungen. So zum Beispiel nach einem Antisemitismusbeauftragten für jedes deutsche Bundesland – eine Forderung, der der Vorsitzende der Menorah-Gemeinde, Mircea Ionescu, zumindest für die Stadt Bremerhaven beipflichtete. Beck kritisierte die systematische Ungleichbehandlung von jüdischen Kontingentflüchtlingen im Rentenrecht sowie eine mangelnde religiöse Sensibilität von Universitäten und Schulen, die beispielsweise bei Prüfungsterminen kaum Rücksicht auf jüdische Feiertage nehmen würden.

Begegnungen In ihren Dankesansprachen berichteten Manfred Ernst und Gisela Lehrke von sehr persönlichen Begegnungen und ihrer jahrelangen Zusammenarbeit mit der jüdischen Gemeinschaft in Bremerhaven.

Ionescu, der als Cellist des Visurgis-Quartetts auch am musikalischen Rahmenprogramm beteiligt war, betont, dass der Preis nicht nur im Namen seiner liberalen Gemeinde vergeben wurde. Die gesamte jüdische Gemeinschaft Bremerhavens, einschließlich der orthodoxen Gemeinde, war daran beteiligt.

Die Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie haben auch das Gemeindeleben in Bremerhaven stark eingeschränkt. Da in der Villa Schocken, in der die Gemeinde bislang ihre Feste feierte, ein Seniorenheim untergebracht ist, mussten Ionescu und seine Mitstreiter umziehen, und zwar in die Gemeinderäume der evangelisch-lutherischen Marienkirche.

Für 2021 hat die Menorah-Gemeinde viel vor: Neben dem weiteren Aufbau von Gemeindestrukturen sind im Rahmen des Festjahres «1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland» einige Veranstaltungen geplant.

Kino

Unerträgliche Wahrheiten

Das Dokudrama »Die Ermittlung« über den ersten Auschwitz-Prozess wurde bei den Jüdischen Filmtagen gezeigt

von Nora Niemann  05.02.2025

Interview

»Wo immer wir gebraucht werden – wir sind da«

Rabbiner David Geballe über Seelsorge in der Bundeswehr und die Vermittlung von Wissen

von Helmut Kuhn  04.02.2025

Porträt der Woche

Frau der ersten Stunde

Avital Toren wurde vor 30 Jahren gebeten, die Gemeinde in Heilbronn aufzubauen

von Gerhard Haase-Hindenberg  02.02.2025

Hamburg

»Wir sind dran!«

Von Klimawandel bis jüdische Identität: Der Jugendkongress 2025 verspricht vier intensive Tage

von Florentine Lippmann  02.02.2025

Leer (Ostfriesland)

Schoa-Überlebender Weinberg will mit Steinmeier sprechen

Nach seiner Ankündigung, das Bundesverdienstkreuz abzugeben, hat der fast 100-jährige Zeitzeuge ein Gesprächsangebot des Bundespräsidenten angenommen

 31.01.2025

Berlin

Jüdische Stimmen zur Asyl-Abstimmung: Ein Überblick

Wie blicken Juden auf den Vorwurf, die CDU reiße die Brandmauer zur AfD ein? Wir haben uns umgehört

von Imanuel Marcus  30.01.2025

Bildung

Das beste Umfeld

Zwar beginnt das neue Schuljahr erst nach dem Sommer, doch schon jetzt fragen sich Eltern: Welche Schule ist die richtige? Gespräche mit Schulleitern über Wartelisten, Sprachniveau und Traditionen

von Christine Schmitt  30.01.2025

München

Fit fürs Finale

Beim Vorentscheid zum »Chidon Hatanach« in Jerusalem wurde wieder jede Menge religiöses Wissen abgefragt

von Luis Gruhler  30.01.2025

Rostock

Den Vorhang auf

Seit vielen Jahren gibt es in der Jüdischen Gemeinde eine Theatergruppe. Ein Besuch bei den Proben für »Kalif Storch« im Kulturhistorischen Museum

von Katrin Richter  29.01.2025