Russisch, Hebräisch, Deutsch – orthodox, liberal oder Masorti – bei der Hawdala in der Karlsruher Stadthalle gibt es am Samstagabend keine Unterschiede. Hunderte Jugendliche stehen Arm in Arm gemeinsam im Kreis und feiern den Beginn der neuen Woche. Während gegenüber in der Schwarzwaldhalle noch die letzten Proben liefen, warteten die ersten Gäste bereits auf den Einlass.
Derweil probieren die Kinder und Jugendlichen der Jugendzentren, wie es sich so anfühlt – auf dem roten Teppich vor der Fotowand zu stehen – Selfies inklusive.
Wer sucht seinen Platz noch? Wer nimmt den Fanschal mit? Und hat vielleicht doch jemand ein tolleres Outfit? Die 1200 Jugendlichen, die zur Jewrovision und dem Mini-Machane aus fast allen Teilen des Landes nach Karlsruhe gekommen sind, sind mehr als aufgeregt.
Immerhin heißt das Ziel des Tanz- und Gesangswettbewerbs, der von der Genesis-Foundation unterstützt wird: Platz eins. Allerdings: Spaß haben, das Wochenende gemeinsam zu verbringen und neue Freundschaften zu knüpfen, sind den Jugendlichen mindestens ebenso wichtig.
Backstage Damit die Choreografie auch so richtig klappt, der Text sitzt und die Melodie stimmt, dafür probten die Jugendzentren in kleinen Grüppchen Backstage in der Karlsruher Schwarzwaldhalle. Nichts sollte dem Zufall überlassen werden.
Und auch die Jury dürfte – wie jedes Jahr – nervös sein. Denn bei aller Routine, die die Schauspielerin Rebecca Siemoneit-Barum, der Rapper Ben Salomo, die Moderatorin Andrea Kiewel, Nachumi Rosenblatt von der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland, Daniel Botmann, Geschäftsführer des Zentralrats schon von den vergangenen Jewrovisions haben, ist die Bewertung doch jedes Mal schwer. Denn das Niveau hat sich von Jahr zu Jahr gesteigert.
Unterstützung bekommen die erfahrenen Jury-Mitglieder von der Sängerin Tallana Gabriel, dem Musiker Cosmo Klein und der Sängerin Jamie-Lee, die Deutschland bei Eurovision Song Contest 2016 vertrat. Shai Hoffmann moderiert die 16. Jewrovision.
Fireflies Aber los ging es erst einmal mit einer Show der ukrainischen Gruppe »Fireflies«. Die Teilnehmer der RTL-Sendung »Das Supertalent« gelten als die Pioniere des Schattentheaters. Und so lag der Auftakt für die Jewrovision in diesem Jahr zwischen Licht und Schatten.
»Fireflies« nahm das Publikum in der Karlsruhe Schwarzwaldhalle mit auf eine Reise von Moses bis zu Jewrovision. Wie ein derart langer Zeitraum abgedeckt werden kann und wie vier Menschen eine Jahreszahl bilden können, das zeigten die acht Künstler in eindrucksvollen Bildern.
Gute Laune Dass sich nicht nur das Publikum auf ein erlebnisreiches Wochenende freute, bestätigte Zentralratspräsident Joseph Schuster in seinen Grußworten. »Wir alle sind schon mit riesiger Vorfreude nach Karlsruhe gefahren. Denn die Jewrovision ist immer etwas ganz Besonderes. Es gibt keine andere jüdische Veranstaltung, die so viel gute Laune macht wie die Jewrovision.«
Schuster freue sich umso mehr auf die Jewrovision, weil er über das Jahr auf vielen Veranstaltungen sei, auf denen es »doch sehr ernst zugeht« und auf denen viel über Sorgen und Bedenken geredet werde. »Ihr beschreibt in euren Liedern zwar auch manchmal eure Sorgen, aber immer strahlt ihr Lebensfreude und Zuversicht aus. Das ist so großartig! Das brauchen wir!«
Gerade in diesen Zeiten vermittelten die Jugendlichen etwas »ganz, ganz Wertvolles: Dass ihr zusammenhaltet, obwohl ihr sehr unterschiedlich seid. Obwohl eure Eltern oder Großeltern aus vielen verschiedenen Ländern kommen. Dieser Zusammenhalt spiegelt sich in unserem diesjährigen Motto: United Cultures of Judaism«, betonte Schuster.
Vorbild »Die große Vielfalt, die Bandbreite, die unterschiedlichen Kulturen und Traditionen bilden überhaupt erst unser Judentum. Das macht uns aus. Und darauf sind wir stolz! Damit können wir der Gesellschaft als Vorbild dienen!«
Der Oberbürgermeister der Stadt Karlsruhe, Frank Mentrup, sagte in seinen Grußworten: »Einen solchen Abend hat die Schwarzwaldhalle schon viele Jahre nicht mehr gesehen. Es sei eine große Ehre für Karlsruhe, alle heute bgrüßen zu dürfen.« Das Motto zeige, wir müssen alle zusammenstehen, so unterschiedlich wie auch sein mögen. Jetzt haben aber ersteinmal die Künstler der Jugendzentren das Wort, äh, das Mikrofon. kat