Wer derzeit nach Einbruch der Dunkelheit vom Berliner Boulevard Unter den Linden Richtung Bebelplatz geht, bekommt das Gefühl, unvermittelt in einer psychedelischen Mischung aus Woodstock und Märchenwald gelandet zu sein.
Die Fassaden der Gebäude rund um den Platz werden zum 16. Festival of Lights von knallbunten Bildern angestrahlt, an der Wand der Staatsoper findet sich der Beitrag Israels zum Lichtspektakel: ein Kaleidoskop unterschiedlichster Motive, das von Impressionen israelischer Kunst und Kultur aus Tanz, Musik, Bildenden Künsten und Literatur über architektonische Highlights und Sehenswürdigkeiten bis hin zu Symbolbildern von Orangen, Granatäpfeln und Palmen reicht.
Doch nicht nur die Collage ist symbolträchtig, sondern auch der diesjährige Ort des israelischen Beitrags: Hier auf dem Bebelplatz ließen die Nationalsozialisten am 10. Mai 1933 rund 20.000 Bücher in Flammen aufgehen, die »Versunkene Bibliothek« des israelischen Künstlers Micha Ullman erinnert daran.
MOSAIK So befindet sich unter einer dicken Glasplatte im Boden des Platzes das Denkmal zur Erinnerung an die Bücherverbrennung, das aus langen und leeren Regalreihen besteht, die im Dunkel der Nacht weiß zu leuchten scheinen. Gerade diese kalt anmutende Leere lässt die farbenfrohe Lebendigkeit der Illumination im Kontrast noch stärker wirken.
Inmitten grüner Palmen, leuchtender Orangen und türkis strahlender Meeresaufnahmen prangt eine bunte 55: symbolisch für die Jahre deutsch-israelischer diplomatischer Beziehungen.
»Wir sind stolz darauf, das vielseitige Mosaik der israelischen Kultur insbesondere auf dem Bebelplatz zu zeigen, der Kulisse für die Verbrennung von mehr als 20.000 Büchern war, als die Nazis an die Macht kamen«, erklärt Israels Botschafter Jeremy Issacharoff dieser Zeitung.
Neben dem Bebelplatz erstrahlen seit vergangenem Freitag im Rahmen des Festivals mehr als 90 Lichtkunstwerke an 85 Orten in ganz Berlin, darunter am Brandenburger Tor, der US-Botschaft, dem Berliner Dom oder am Museum für Naturkunde. Angesichts der Corona-Pandemie haben die Veranstalter in diesem Jahr auch dezentrale Orte in verschiedenen Kiezen ins Programm aufgenommen, um die Besucherströme zu entzerren.
SPEKTAKEL Zudem kann das Festival in einer eigenen App mit zahlreichen Angeboten digital besucht werden, hinzu kommt ein Festival-Truck, der an mehreren Abenden fährt.
Die Maßnahmen sollen sicherstellen, dass es nicht zu riskanten Menschenansammlungen kommt – nichtsdestotrotz weisen die Organisatoren auf der Website darauf hin, dass die Lichter bei entsprechender Aufforderung der Polizei ausgeschaltet werden, sollten sich zu viele Menschen auf einem Platz versammeln und die Abstandsregeln nicht eingehalten werden.
Ein Festival-Truck fährt an mehreren Abenden durch verschiedene Stadtteile.
Am Eröffnungsabend scheint dies auf dem Bebelplatz nicht nötig: Die Besucher flanieren in sicherem Abstand zueinander an den bunt beleuchteten Fassaden entlang. Hobbyfotografen haben große Kameras auf Stative geschraubt, um das Spektakel festzuhalten, während Kinder versuchen, mit ihren Händen Schattenbilder an die Wand zu werfen.
»Es ist besonders inspirierend zu sehen, wie das Festival of Lights die Menschen in einem Jahr zusammenbringt, das von sozialer Distanz geprägt ist«, so Israels Botschafter Issacharoff zur Eröffnung. Tatsächlich passt auch das Motto in diesem Jahr zu jenem Gedanken: »Together we shine« – zusammen strahlen wir.
PARTNERSCHAFT Gerade für die Botschaft Israels hat der Titel aber noch eine zweite Bedeutung. Denn eine langjährige Partnerschaft verbindet sie mit dem Festival of Lights, 2015 hatte sich Israel erstmals daran beteiligt. Den Auftakt bildeten damals eine Collage zum Thema »50 Jahre deutsch-israelische Beziehungen« auf der Fassade des Palais am Festungsgraben sowie die Lichtskulptur »House auf Cards« am Potsdamer Platz.
In diesem Jahr wird nun das 55. Jubiläum der deutsch-israelischen diplomatischen Beziehungen gefeiert, und auch das findet sich im Lichtkunstwerk an der Staatsoper wieder: Inmitten grüner Palmen, leuchtender Orangen und türkis strahlender Meeresaufnahmen prangt eine bunte 55 – weithin sichtbar im Dunkel der Nacht.