Manchmal staunt man schon darüber, was sich zusammenfügt. Da initiiert, plant und vollendet eine Schar Menschen unterschiedlichster Generationen und Herkunft in Esslingen bei Stuttgart beim ehemaligen jüdischen Waisenhaus einen Laubhüttengarten, und schon darf sie zur Eröffnung an Sukkot Gäste aus aller Welt begrüßen.
»Das Theodor-Rotschild-Haus war ein jüdisches Waisenhaus und ist heute in Trägerschaft der ›Stiftung Jugendhilfe aktiv‹ ein Haus für Kinder und Jugendliche. Es ist in seiner Bestimmung also gleich geblieben«, sagt Barbara Traub. 1913 von den Architekten Ernst Guggenheimer und Oskar Bloch erbaut und im gleichen Jahr als »Israelitisches Waisenheim« eingeweiht, sei das Haus unter der Führung des Reformpädagogen und Publizisten Theodor Rothschild ein Zuhause für jüdische Waisenkinder und Kinder aus bedürftigen Familien geworden, so die Vorstandssprecherin der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs (IRGW).
Nach der Schoa wurde das Haus wieder eine soziale Einrichtung für Kinder und Jugendliche und 1983 im Gedenken an Theodor Rothschild in »Theodor-Rothschild-Haus« umbenannt. 1985 schaute sogar der israelische Botschafter Jitzhak Ben-Ari in Esslingen vorbei.
Schirmherrschaft Nun ist Barbara Traub gemeinsam mit Esslingens Oberbürgermeister Jürgen Zieger Schirrmherr des Laubhüttengartens, der anlässlich des 100-jährigen Jubiläums des Theodor-Rothschild-Hauses gestaltet wurde. »Dieser Garten, in der Tradition einer Sukka gestaltet, wird ein Ort der Begegnung für Vielfalt und Toleranz sein«, sagt Vorstandssprecherin Traub.
Ein in den 70er-Jahren abgerissener Gebäudeteil des Theodor-Rothschild-Hauses wurde vormals als Laubhütte bezeichnet und diente während der Einrichtung als Ort für die Feier des alljährlichen Laubhüttenfestes. Später wurde aus dem Teil ein Swimmingpool, der aus Kostengründen aufgegeben werden musste. Mit der Planung der Um- und Neugestaltung des Außenbereichs entstand die Idee, mit einem Laubhüttengarten an die Tradition anzuknüpfen.
Durch ein ins Leben gerufenes Förderprojekt konnten bisher 50.000 Euro über Spenden eingenommen werden. Der ungenutzte Pool wurde mit behauenen Granitsteinplatten ausgekleidet und 25 Mosaiken – in ehrenamtlicher Familienarbeit entstanden – geschmückt. Fünf nur grob behauene Baumstämme bilden das Dach der Hütte, die zu Sukkot mit Tannenreisig bedeckt wurde. »Der Garten kann zu rituellen Festen, aber auch zu Theateraufführungen genutzt werden«, sagt Dagmar Bluthardt, die in der Sozialarbeit der IRGW tätige Mitarbeiterin. Dazu seien Sitzplätze für etwa 200 Menschen geschaffen worden.
Nachkommen Zur Einweihung des Laubhüttengartens am vergangenen Mittwoch mit etwa 150 Gästen sagte Esslingens Oberbürgermeister Jürgen Zieger: »Dies ist ein historischer Tag, in unserer Stadt ist kein Platz für Antisemitismus.« Neben Nachfahren von Theodor Rothschild und den Architekten des Hauses waren Kinder und Jugendliche aus Israel nach Esslingen gekommen. Sie leben in Neve Hanna, einem Kinderheim in Israel, am Rande der Wüste in Kiryat Gat gelegen.
»In Neve Hanna leben 120 Kinder und Jugendliche aus schwierigen Familienverhältnissen, ihre Herkunft verbindet sie sowohl mit den ehemaligen Hausbewohnern vor der Schoa wie auch mit jetzt im Theodor-Rothschild-Haus Lebenden«, sagte Arndt Montag, Projektleiter und Mitarbeiter der »Stiftung Jugendhilfe aktiv«.
»Es sollen nicht nur hohle Worte sein, wenn wir von der Verbindung der Vergangenheit zur Gegenwart in Richtung Zukunft sprechen«, sagte Montag. So seien im Festsaal des Hauses, dem ehemaligen Betsaal, Gottesdienste gefeiert worden. Auch hätten Veranstaltungen der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit und den »Freunden Jüdischer Kultur Esslingen e.V.« stattgefunden. Mitglieder dieses Vereins pflegen Kontakte mit jüdischen Familien, die nach Esslingen zugezogenen sind und aus der ehemaligen Sowjetunion stammen. Und schon jetzt sind die Mitglieder der eigenen Theatergruppe des Theodor-Rothschild-Hauses und die der Theatergruppe des Kinderheimes Neve Hanna sehr gespannt auf ihr Zusammentreffen in Esslingen.
Workshops »Es gibt einen gemeinsamen Workshop, das Ergebnis der Arbeit wurde zur Eröffnung des Laubhüttengartens am 8. Oktober vorgestellt«, erklärte Montag. Thema der Theaterarbeit: »Toleranz und Verstehen«. »Gratwanderung« heißt auch ein jüdisch-arabisches Theaterstück, ein Bühnenstück um Liebe im Spannungsfeld mit viel Musik und Tanz, das die jüdisch-beduinisch-arabische Truppe aus Israel mitbringt.