Das ist Adrenalin pur», bringt es Eyal Levinsky auf den Punkt. «Wenn am Tag der Entscheidung alle gemeinsam auf der Bühne stehen und wissen: Es gibt nur diese eine einzige Chance», schwärmt der stellvertretende Leiter des Jugendzentrums Olam von der ganz besonderen Stimmung auf der Jewrovision.
Und genau auf diesen einen Augenblick am 21. Februar in Köln arbeiten derzeit mehr als 30 Teenager im Jugendzentrum in der Joachimsthaler Straße hin. Sie üben fleißig die Songs ein und basteln an ihren Tanzeinlagen, die wegen des Überrschungseffekts natürlich noch streng geheim bleiben müssen.
feinschliff Der Schweiß fließt in Strömen bei den Jugendlichen, denn schon um zehn Uhr haben die Proben an diesem Sonntagmorgen begonnen. Inzwischen ist es fast Abend, doch Ermüdungserscheinungen wollen sich offensichtlich nicht einstellen. Jeder ist immer noch mit vollem Herzen bei der Sache, selbst wenn die Choreografen Alexa Poliakova und Arthur Poliakov einen bestimmten Tanzschritt zum x-ten Male üben lassen. Schließlich soll alles perfekt sitzen, da ist Feinschliff gefragt – genau der macht den Unterschied.
«Make a Difference!», lautet passend dazu das Motto der diesjährigen Jewrovision. «Dahinter steckt die Botschaft, dass jeder Einzelne von uns die Möglichkeit hat, Schritt für Schritt die Welt zu verbessern, Tikkun Olam eben», erklärt Levinsky. Gemeinsam mit Olam-Leiter David Lat und den Teilnehmern des Wettbewerbs suchte er die Lieder aus, überlegte sich Showeffekte und die richtigen Tanzschritte.
Dreimal hintereinander belegte Berlin in den vergangenen Jahren den zweiten Platz. Was andere als großen Erfolg verbuchen würden, scheint für die ehrgeizigen Berliner eine Frage der Ehre zu sein. «Mit dieser Serie soll nun Schluss sein, nun müssen wir den Sieg holen», findet Levinsky.
geheim «Immer nur Zweiter, das reicht jetzt wirklich!», betont auch Janin Esterkin. Die 14-Jährige ist sich natürlich darüber im Klaren, dass auch andere Gemeinden fleißig an ihren Auftritten feilen. Wie genau dort der Stand der Dinge ist, weiß sie aber noch nicht, obwohl sie viele Freunde in anderen Jugendzentren hat. «Niemand verrät etwas von seiner Show», sagt Esterkin und lacht.
An diese eiserne Regel halten sich wohl alle. Ebenso siegessicher gibt sich Palina Vereti, die zur Gruppe der Sängerinnen gehört. «Ich war bereits 2013 bei der Jewrovision mit dabei», berichtet die 16-Jährige stolz. Selbstverständlich setzt auch sie auf einen Sieg Berlins. Am Talent der sieben Sängerinnen und Sänger sollte es jedenfalls nicht scheitern. Trotz der Abwesenheit von zwei Sängerinnen an diesem Tag sind sie sehr stimmgewaltig. Selbst ohne Mikrofon und Verstärker füllen sie den riesigen Raum mit ihrem Gesang.
Bereits seit Anfang Oktober proben die Jugendlichen drei Mal pro Woche für den Wettbewerb. Das erfordert von den Teenagern im Alter zwischen zehn und 19 Jahren nicht nur sehr viel Zeit, sondern auch eine gehörige Portion Disziplin. «Der Zusammenhalt in der Gruppe ist super», findet Janin Esterkin. «Auf der Bühne zu stehen und zu sehen, wie gut alles klappt, das ist einfach cool.» Auch der Altersunterschied spielt keine Rolle. «Viele kennen sich bereits von den Machanot und helfen sich einander. Zickenkrieg gibt es nicht».
Lampenfieber Die wenigen Jungen, die mitmachen, sehen sich nicht als Exoten. «Ich habe überhaupt kein Problem damit», erklärt Semon Shabaev, der mit seinen gerade einmal 14 Jahren schon ein alter Jewrovison-Hase ist. «Das dritte Mal bin ich nun schon mit dabei und möchte die Menschen mit meiner Stimme berühren. Da hat man kein Lampenfieber mehr.» Wer ihn bei den Proben erlebt, glaubt ihm das sofort.
2002 wurde die Jewrovision ins Leben gerufen und zählt seitdem zu den beliebtesten Veranstaltungen im Gemeindeleben. «Und zwar generationsübergreifend», wie Eyal Levinsky mit Blick auf Alexa Poliakova betont. Früher stand sie mehrmals für Berlin bei dem Wettbewerb auf der Bühne. Heute macht sie als Choreografin die Tänzerinnen und Tänzer fit. Andere wie Janin Esterkin haben ältere Geschwister, die in in den Jahren davor an der Jewrovision teilgenommen haben, was die Jüngeren motiviert, es ebenfalls zu versuchen.
Ganz neu dabei ist der begeisterte Tänzer Viktor Vigodski. Der große Moment im Februar macht ihn aber noch nicht nervös. «Schließlich haben alle hart trainiert. Wir wissen, wie gut wir sind. Das wollen wir zeigen», so der 16-Jährige. «Und wenn man nicht gewonnen hat, hat man halt verloren.» Der Sieg ist eben eine Frage der Ehre.
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