»Das jüdische Bayern gewinnt sein Gesicht wieder.« Mit dieser Feststellung wies Bayerns Antisemitismusbeauftragter Ludwig Spaenle gemeinsam mit Zentralratspräsident Josef Schuster einem umfangreichen Online-Projekt des Hauses der Bayerischen Geschichte hohen Stellenwert zu. Es gehe darum, wachsendem Antisemitismus durch Erinnerung und Wissen den Boden für Hetze und Verbreitung von Hassbotschaften zu entziehen. Gestärkt werden soll das Bewusstsein: Das reichhaltige Wirken jüdischer Gemeinden, großer Rabbiner, Wissenschaftler und Gelehrter ist ein untrennbarer Teil der deutschen Geschichte.
Bevor der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland das Portal »Jüdisches Leben in Bayern« am vergangenen Freitag in der »Bavariathek« des Regensburger Museums freischaltete, betonte er: »Jüdisches Leben war und ist vielfältig.« Es sei, so Schuster, »eine Jahrhunderte währende Geschichte von einerseits Verfolgung, Ausgrenzung und Pogromen bis zum größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte im 20. Jahrhundert«. »Es ist aber nicht nur eine Opfergeschichte. Juden waren nicht in allen Phasen Opfer.«
BRÜCKE Das Haus der Bayerischen Geschichte habe mit dem »einmaligen Online-Projekt« das Leben der Juden Bayerns zurück ins heutige Gedächtnis der Menschen gebracht. Mit dem Projekt werde eine Brücke zwischen Juden und Nichtjuden gebaut und es trage damit »ganz wesentlich zum Zusammenhalt unserer Gesellschaft« bei. »Dafür mein aufrichtiger Dank.« Josef Schuster dankte vor allem Ludwig Spaenle. Der Beauftragte der bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus habe die Initiative zu dem Vorhaben ergriffen und das historische Archivmaterial der jüdischen Gemeinden Deutschlands, das in Jerusalem aufbewahrt wird, dafür zugänglich gemacht.
Das Portal stellt mehr als 300 Synagogen und ihre Gemeinden, 110 Friedhöfe und 90 Gedenkstätten vor.
Das Onlineportal ist ein Beitrag zum Festjahr »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland«. Es wurde mit Rückgriff auf vorherige Arbeiten des Hauses der Bayerischen Geschichte und auf das fünfbändige Werk des emeritierten Theologieprofessors Wolfgang Kraus zur Geschichte der Synagogen in Bayern in nur einem Jahr auf den Weg gebracht. Das Portal ist zu zwei Drittel fertiggestellt, wie Projektleiter Wolfgang Jahn erläuterte.
Insgesamt werden mehr als 300 Synagogen und ihre Gemeinden, 110 Friedhöfe und 90 Gedenkstätten vorgestellt. Auf einer Bayern-Karte werden jüdische Orte von A wie Abensberg bis Z wie Zirndorf vorgestellt. In fünf Modulen können Informationen zu Gemeinden, Synagogen, Friedhöfen, Gedenktafeln und Zeitzeugen abgerufen werden.
BEGEGNUNG Für Zentralratspräsident Josef Schuster gab es dabei eine besonders erinnerungsträchtige Begegnung: Sein Vater, David Schuster, tritt unter den 50 Zeitzeugen auf. Er berichtet von der Beschlagnahmung des Bad Brückenauer Familienhotels 1933 durch die Nationalsozialisten und die Rückerstattung nach dem Zweiten Weltkrieg.
Allen Zeitzeugen ist gemeinsam: Sie berichten prägende Erlebnisse vom alltäglichen Antisemitismus in der Zeit der Weimarer Republik über das Grauen der Pogrome in den zwölf Jahren der NS-Diktatur bis zum mutigen Entschluss jüdischer Menschen, Deutschland trotz alledem wieder zu ihrer Heimat zu machen.
Richard Loibl, Direktor des Hauses der Bayerischen Geschichte, ist unterdessen sicher, dass von dem neuen Onlineportal Impulse für Aktivitäten in anderen Bundesländern ausgehen könnten. Mit dem Jüdischen Museum Berlin, das ein ähnliches Vorhaben auf den Weg gebracht hat, stehe man in engem Austausch.