»Der Letzte macht das Licht aus«: Die Mitgliederstatistik der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland verzeichnet seit einigen Jahren sinkende Zahlen. Bei dem gleichlautenden Podiumsgespräch beim Gemeindetags des Zentralrats der Juden diskutierten am Sonntag Marat Schlafstein, Jugendreferent beim Zentralrat, Chajm Guski, jüdischer Blogger und Publizist aus Gelsenkirchen, Anja Olejnik, Programmmangerin beim American Jewish Joint Distribution Committee in Deutschland und Marc Grünbaum, Kultur- und Jugenddezernent und Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde Frankfurt . Laura Cazés, Beraterin der Zentralwohlfahrtsstelle, moderierte.
Werden wir in 20 Jahren das Licht ausmachen müssen? »Ich hoffe nein, und wenn es so wäre, dann haben wir etwas falsch gemacht«, sagt Marat Schlafstein. Chaim Guski fordert dazu auf, sich Statistiken genau anzusehen und daraus Schlüsse zu ziehen. Seine Prognose für 2040: »Es wird keine kleinen Gemeinden mehr geben, sie werden zu größeren Gemeinde zusammengelegt werden müssen.«
APPELL Auch Anja Olejnik glaubt nicht, dass Gemeinden generell gefährdet sind. Sie ruft jedoch dazu auf, »positive Zukunftsstrategien zu erarbeiten. Wir müssen dazu mit allen sprechen«.
Auch Marc Grünbaum geht nicht davon aus, dass es bald keine jüdischen Gemeinden mehr gibt: »Es sei denn, äußere Umstände führen dazu.«
Neben dem demografischen Faktor (die Gemeinden sind überaltert, mehr als 47 Prozent der Mitglieder sind älter als 60 Jahren) spielen auch Austritte eine wesentliche Rolle. Marat Schlafstein beschrieb das Phänomen, dass Mitglieder, die umziehen, oftmals nicht mehr wissen, wo sie überhaupt Mitglied sind. 5000 Personen seien auf diese oder andere Weise den Gemeinden in den vergangenen zehn Jahren verlorengegangen.
FRAGEN Wirkliche Strategien in der Kürze der 90 Minuten zu finden, war unmöglich. Es waren eher Fragen, die aufrütteln sollten. Wiederum ist es Schlafstein, der die mangelnde Willkommenskultur der Gemeinden dafür verantwortlich macht, dass sich Juden bei keiner neuen Gemeinde anmelden. »Wir müssen eine Atmosphäre schaffen, dass Menschen bewusst Mitglied dieser Gemeinschaft sein wollen.«
Rabbiner Jonah Sievers aus Berlin weist aus dem Publikum darauf hin, dass die jüngere Generation grundsätzlich ein Problem mit organisierter Religion hat. »Hier in Berlin können sie sich alles nehmen, sie kaufen sich ihre Dienstleistungen zusammen und erhalten sie, ohne Mitglied der Gemeinde sein zu müssen.«
Marc Grünbaum sieht die Einheitsgemeinde als das »Modell der Zukunft«. Die von ihm präsentierten Strategien – ein breit gefächertes Angebot für junge Menschen, eine bessere finanzielle Ausstattung der Gemeinde und die Schaffung einer Atmosphäre, dass man sich als Gemeinschaft fühlt und Gemeinschaft erlebt – stoßen auf viel Zustimmung der rund 70 Zuhörer. »Dann lasst uns endlich auch anfangen und nicht immer nur reden«, fordert Michael Rubinstein, Geschäftsführer des Landesverbandes Nordrhein, der ebenfalls unter den Zuhörern ist.
»Schauen wir, wie wir es gemeinsam besser machen können«, schließt Laura Cazés ihr Panel und fordert die Gemeinden auf, die Dachverbände in den Strukturprozess mit einzubeziehen.