Freitag, der 13.: Mit diesem prägnanten Datum verbinden sich für das jüdische Leben in Süddeutschland seit diesem Jahr wieder positive Ereignisse. Denn gleich in zwei Städten in Baden wurde an diesem Tag feierlich und mit prominenter Teilnahme die Zukunft in Angriff genommen.
Den Anfang machte am späteren Vormittag die Jüdische Gemeinde Emmendingen: Sie weihte mitten im Zentrum der kleinen Stadt neue Räumlichkeiten ein. Diese sollen sowohl als Gebetsraum genutzt werden, aber auch als Gemeinde- und Jugendzentrum, als Seniorentreff und Ort für gemeinsame Mahlzeiten dienen.
Unterstützung Eine sichtlich stolze Gemeindevorsitzende Olga Maryanovska bedankte sich zu Beginn ihrer Rede – und nachdem die Mesusot feierlich angebracht worden waren – auch bei den lokalen Behörden sowie dem Zentralrat der Juden in Deutschland und der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden (IRG) für ihre stete ideelle und materielle Unterstützung.
Auch wenn die Arbeiten, nicht zuletzt wegen Corona, deutlich länger gedauert hätten als geplant und es wegen dieser Zeitverzögerung hier sozusagen einen »eigenen kleinen Berliner Flughafen« gegeben habe, sei man nun sehr glücklich über die neuen Räumlichkeiten, so die Vorsitzende.
Zum Schluss ihrer Rede wandte sich Olga Maryanovska an die anwesende Tochter von Klaus und Ute Teschemacher, die die Gemeinde im Jahre 1995 neu gegründet hatten, und meinte, die beiden leider Abwesenden »könnten sehr stolz auf uns sein«.
Ortspfarrer Einen Blick in die Geschichte wagte Zentralratspräsident Josef Schuster. Er erinnerte an die dunkelsten Stunden der ursprünglich 1716 gegründeten Gemeinde, die schon vor 1933 durch Nationalsozialisten Hetze und Diskriminierung erfahren musste, beispielsweise durch den damaligen protestantischen Ortspfarrer. Auch die Geschichte der Emmendinger Jüdinnen und Juden endete vorläufig mit der Deportation der letzten Verbliebenen im Oktober 1940 ins Lager Gurs. Von mehreren Hundert Menschen überlebten nur 18.
Josef Schuster betonte, auch in Emmendingen sei nach der Schoa viel zur Aufarbeitung unternommen worden, stellte dann aber die rhetorische Frage: »Können wir uns nun zurücklehnen?«, die er gleich verneinte. Die Zunahme des Antisemitismus, etwa bei zahlreichen Corona-Demonstrationen, aber auch andere Vorkommnisse, habe dies jüngst deutlich gezeigt.
Auch Emmendingen hat jüdische Geflüchtete aus der Ukraine aufgenommen.
Nach den Begrüßungsworten von Oberbürgermeister Stefan Schlatterer und dem Eintrag ins Goldene Buch der Stadt durch Josef Schuster erinnerten Landesrabbiner Mosche Flomenmann und der Rabbiner der Gemeinde, Jakov Judkovsky, daran, dass die Gemeinde mit der Integration von jüdischen Flüchtlingen aus der Ukraine in diesen Tagen wiederum eine wichtige Aufgabe bekommen habe.
Brot UND SALZ Irene Leicht, evangelische Pfarrerin in Emmendingen, überbrachte unter großem Applaus Brot und Salz als Willkommensgeschenk, das sozusagen religionsübergreifend dargebracht und entgegengenommen wurde.
Deutlich mehr Polizeischutz als der Emmendinger Anlass benötigte darauf am Nachmittag die Feier, die im nahen Offenburg stattfand. Dies lag aber vor allem an den prominenten Teilnehmern der Wiedereröffnung der Kulturstätte Salmen.
Dieser historische Ort, an dem vor 175 Jahren Badener Bürger zum ersten Mal demokratische Forderungen an die Obrigkeit gestellt hatten, die teilweise auch ins heutige Grundgesetz eingeflossen sind, hat auch für die jüdische Geschichte eine Bedeutung. Denn bis zum 10. November 1938 stand hier die Synagoge Offenburgs.
Demokratie Wie wichtig es gerade jetzt ist, für Demokratie und Pluralismus einzutreten, daran erinnerten in ihren Reden sowohl Stephan Harbarth, Präsident des Bundesverfassungsgerichtes, und Josef Schuster, aber auch der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl und Landratspräsidentin Muhterem Aras.
Josef Schuster fragt, ob denn aktuell in Deutschland die von der Verfassung garantierte Religionsfreiheit tatsächlich besteht.
Kritisch fragte Josef Schuster, ob denn aktuell in Deutschland die von der Verfassung garantierte Religionsfreiheit tatsächlich bestehe, wenn es beispielsweise religiösen Juden in einigen Städten des Landes oder bestimmten Stadtteilen nicht möglich sei, eine Kippa zu tragen. Dennoch meinte er zum Schluss: »Wir haben Sorgen, aber auch Hoffnungen.« Das Glas sei für die jüdische Gemeinschaft aus seiner Sicht »zu zwei Drittel voll«.
Mit der Verleihung der Ehrenbürgerwürde durch Oberbürgermeister Marco Steffens an den ehemaligen Präsidenten des Bundestages, Wolfgang Schäuble, einem Offenburger, endete die würdige Feier.
Auch wenn es in Offenburg seit der Schoa keine jüdische Gemeinde mehr gibt, befindet sie sich mit dem neu eröffneten Salmen als Kulturort nun doch wieder ein wenig auf der »jüdischen Landkarte«.