JSUD-Vollversammlung

Zukunft gestalten

Der neue JSUD-Vorstand (v. l.): Lisa Michajlova, Noam Petri, JSUD-Präsidentin Hanna Veiler, Jacob Horowitz und Deborah Kogan Foto: Rolf Walter/xpress.berlin

Ab jetzt gestalten wir die Gegenwart!» Mit diesem Satz hat Hanna Veiler zu Wochenbeginn ihren Instagram-Post als neue Präsidentin der Jüdischen Studierendenunion Deutschlands (JSUD) beendet. Sie freue sich darauf, schreibt sie, «mit dem neuen Vorstand loszulegen».

Viel vor hat Veiler, und die jüdischen Studentinnen und Studenten stehen hinter ihr. Denn auf der JSUD-Vollversammlung stimmte eine deutliche Mehrheit – 80 Prozent – für Veiler. «Warum ich mich engagiere? Weil ich es ganz einfach nicht akzeptieren kann, wenn sich junge Jüdinnen und Juden noch heute für ihr Jüdischsein rechtfertigen müssen und der jungen Generation sichere Räume fehlen», sagte die 1998 geborene Veiler.

HYBRID Aus ganz Deutschland waren junge Studierende am Sonntag in den Spreespeicher nach Friedrichshain gekommen, um an der hybriden Vollversammlung des JSUD teilzunehmen – und eben einen neuen Vorstand zu wählen. Mit Grußworten des Zentralrats der Juden und von Hillel Deutschland wurde die Versammlung offiziell gerahmt.

Marat Schlafstein, Leiter des Referats «Jugend und Gemeinden» beim Zentralrat, betonte, wie wertvoll die Kooperation mit der JSUD sei und wie sich die beiden Organisationen ergänzen. «Ihr seid Zukunft und Gegenwart!» Schlafstein legte zudem ein besonderes Augenmerk auf die künftige Vernetzung in den Regionalgruppen. «Das Engagement auf regionaler und lokaler Ebene muss ausgebaut werden.»

Drei Policies wurden auf der Versammlung verabschiedet.

Rebecca Blady von Hillel Deutschland richtete ihren Dank an die Arbeit des noch am Sonntag amtierenden Vorstands: «Wie glücklich bin ich, dass die junge Generation ihre Stimme erhebt, Verantwortung übernimmt und sich auch auf politischer Ebene für die Gemeinschaft aller Jüdinnen und Juden in Deutschland engagiert.»

ENGAGEMENT Die ehemaligen Vorstandsmitglieder blickten auf ihre Tätigkeiten im vergangenen Jahr zurück. So trafen sie im Rahmen des jährlichen Kongresses der World Union of Jewish Students (WUJS) hohe politische Vertreter, kamen mit Schoa-Überlebenden im Schloss Bellevue oder im Bundestag zusammen.

Die Zusammenarbeit zwischen der JSUD-Bundesvertretung und den Regionalverbänden ist ein zentraler Bestandteil der JSUD. Kampagnen wie die gegen Antisemitismus an der Universität Bochum, die erst kürzlich zu Ende gegangene Jewish Campus Week oder Altenheim-Besuche bei Schoa-Überlebenden sind nur ein paar Beispiele, wie sich die Studierenden engagieren. Die ehemalige JSUD-Präsidentin Anna Staroselski betonte, wie stolz sie darauf sei, welche Relevanz die JSUD heute als studentische Repräsentanz deutschlandweit sowie international habe.

DIVERS Doch es galt nicht nur, den neuen Vorsitz zu wählen; auch vier neue Vorstandsmitglieder standen zur Wahl. Paritätisch besetzt, bilden künftig Noam Petri, Deborah Kogan, Lisa Michajlova sowie Jacob Horowitz den Vorstand der JSUD. Und der tritt in «große Fußstapfen».

In der vergangenen Legislatur erfreute sich die 2016 gegründete Union zunehmend auch einer größeren Beteiligung außerhalb der jüdischen Community. Seit 2016 ist ohnehin viel passiert. Eine auffallende Veränderung gegenüber der Gründungsgeneration: Der Vorstand ist mittlerweile auch auf lokaler Ebene deutlich weiblicher geworden und will vor allem die vielschichtigen Herkünfte innerhalb der jüdischen Studierendenschaft repräsentieren.

Eine Herausforderung für die JSUD wird sicherlich auch eine zunehmend apolitische Studierendenschaft sein. So wurde etwa im Rahmen der letzten Studierendenparlaments-Wahl an der Humboldt-Universität zu Berlin eine Wahlbeteiligung von nur unter einem Prozent verzeichnet. Hanna Veiler betonte daher in ihrer Antrittsrede, dass sie auch das als ihre zentrale Aufgabe sehe, die jüdische Gemeinschaft in der Breite zu sichern, zu stärken und sichtbar zu machen. Dazu müsse der zukünftige Kurs der JSUD auch von breiter studentischer Beteiligung getragen werden.

Die Versammlung stand auch unter dem Eindruck der gegenwärtigen politischen Situation in Israel. Jüdische Studierende aus aller Welt blicken mit Sorge auf die politischen Entwicklungen unter Premier Benjamin Netanjahu, dessen umstrittene Justizreform der einzigen Demokratie im Nahen Osten nachhaltig schaden könnte.

Auf der «Yallah»-Party feiern die Studierenden Israel und das Leben.

Politische Teilhabe, Meinungsfreiheit sowie ein selbstbewusstes Einbringen der eigenen jüdischen Identität im interreligiösen Diskurs und Bildungssystem – all dies sind keine Selbstverständlichkeiten; sie müssen stetig neu errungen und gepflegt werden.

KULTUR Weil es bei den vielen ernsten weltpolitischen Themen aber immer noch Studierende sind, die vor allem das Leben feiern wollen, kamen viele bereits einen Abend vor der Versammlung zusammen, um gemeinsam das 75-jährige Bestehen des Staats Israel zu begehen. Mike Delberg, JSUD-Gründungsmitglied und Mitorganisator der «Yallah»-Party, sagte: «Gerade in diesen bewegten Zeiten, in denen der jüdische Staat von Ausschreitungen erschüttert wird, müssen wir uns auf die gemeinsame Liebe zu Israel besinnen. Jüdische Politkultur heißt, hitzigen Diskussionen und Dissens entgegenblicken und gleichzeitig Gemeinschaft und Freundschaft feiern zu können.»

Tatsächlich haben die Studierenden-Partys eine lange Tradition und machen immer wieder neue junge Jüdinnen und Juden auf die JSUD aufmerksam. Auch in diesem Jahr waren jüdische Studierende aus ganz Deutschland angereist, um dem Event beizuwohnen und sich zu vernetzen. Interessant ist dabei insbesondere, welche Vielfalt an Studiengängen und -bedingungen über das Engagement der JSUD in Kontakt gebracht werden.

Am Ende eines intensiven Wochenendes wagte Lisa Michajlova, neugewähltes Vorstandsmitglied, einen Ausblick: «Mit der Neuzusammensetzung werden nicht nur bestehende Kooperationen vertieft, sondern auch neue erschlossen. Zugleich werden wir nahtlos an laufende Projekte und etablierte Partnerschaften anknüpfen. Die Arbeit geht jetzt erst los.»

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