Relativ entspannt löffelt Michael Lorenz Eis aus seinem Becher, während er seinen weitaus älteren Gegner am Schachbrett im Auge behält. Der zehnjährige Junge aus der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Schwaben-Augsburg überdenkt nur kurz seinen nächsten Zug und lächelt siegessicher. Tatsächlich kann er auch diese Partie für sich verbuchen. »Das macht richtig Spaß«, strahlt Michael, dem sein Vater vor drei Jahren das Schachspielen beigebracht hat. Am Ende des ersten bundesweiten Blitzschachturniers der IKG Bamberg ist der junge Mann dann auch »Bester Junior« und nimmt freudig einen Pokal entgegen.
Schachgroßmeister »Michael spielt wirklich sehr schön«, bescheinigt ihm Schirmherr und Schachgroßmeister Helmut Pfleger, der das Turnier aufmerksam verfolgt, um dann einzuräumen, dass er wohl jeden der angetretenen 30 Spieler schlagen könne. Kein Wunder, hat der gebürtige Bamberger doch viele Jahre als deutscher Nationalspieler erfolgreich Mannschafts-Europa- und Weltmeisterschaften bestritten. Im nächsten Jahr will es der 71-Jährige noch einmal wissen und tritt bei der Senioren-Europameisterschaft in Wien an.
Natürlich geht es bei diesem ersten Blitzschachturnier auch um Sieg oder Niederlage, um Pokale oder bloßes Dabeisein. Für Martin Arieh Rudolph, Vorsitzender der IKG Bamberg, ist dieses Turnier jedenfalls »ein voller Erfolg, und wir werden es zu einer neuen Marke der IKG Bamberg ausbauen«, ist sich Rudolph sicher. Künftig solle es jedes Jahr Ende Juni, Anfang Juli ein solches Schachturnier geben, zu dem Teilnehmer aus ganz Deutschland von anderen jüdischen Gemeinden und von städtischen Schachklubs eingeladen werden.
Schweizer System So hat auch der Bamberger Schachklub SC 1868 maßgeblich die Organisation dieses Sonntagsturniers übernommen. Sein zweiter Vorsitzender Erwin Ortlauf fungiert als Turnierleiter und sammelt die Ergebnisse der zwölf Runden Blitzschach, die nach dem Schweizer System gespielt werden. »Anstrengend, aber schön« verlaufe der Tag, bilanziert Ortlauf. Computergestützt listet er die jeweiligen Punkte des Runden- und K.O.-Systems auf und stellt die Spielerpaare zusammen.
Nach einigen Runden zeichnet sich der Favorit für den Siegerpokal und die 100 Euro Preisgeld ab: Mark Safyanowsky von der IKG Schwaben-Augsburg ist dann am Ende mit zehn Punkten auch der Champion. Zweiter wird Nikolai Shainev von der IKG Nürnberg, dritter Sascha Labin vom SC 1868 Bamberg. Bester Senior ist Boris Mishkevichcer von der IKG München. Die beiden Mitspieler aus der IKG Bamberg mussten früh ausscheiden, dafür stellte die Gemeinde mit dem 87-jährigen Michail Markov den ältesten Teilnehmer.
Begegnungen Mit diesem sportlichen Ereignis will Initiator Rudolph mithelfen, Juden über kulturelle Grenzen hinweg besser in die Mehrheitsgesellschaft zu integrieren. »Gegenseitige Begegnung kann dazu beitragen«, ist sich der IKG-Vorsitzende sicher. Schirmherr Pfleger pflichtet ihm bei: »Es ist gut, wenn die Religionen sich verstehen und die jüdische Gemeinde eingebunden wird«, sagt er, der selbst zweimal an der deutsch-israelischen Schach-Olympiade in Israel teilgenommen hat, »und das sehr gern«.