Hamburg

Zu Gast am Grindelhof

Ruth Klüger und Barbara Honigmann lasen aus ihren Erinnerungen. Lizzie Doron und Asaf Gavron stellten ihre neuesten Romane vor. Wolf Biermann kam, sang und spielte. Der Jüdische Salon im Hamburger Grindelviertel ist Anziehungspunkt für jüdische Künstler, für Philosophen und Psychoanalytiker, Religionswissenschaftler und Historiker.

Am 15. Januar feiert der Jüdische Salon im und mit dem Café Leonar seinen zehnten Geburtstag. Spielten zur Eröffnung 2007 Mandolinen-Meister Avi Avital und die Akkordeonistin Ksenija Sidorova, so gestalten Asya Fateyeva, Star am klassischen Saxofon, und Valeriya Myrosh am Klavier das Jubiläumsfest.

Begegnungen »Es ist ein Salon im besten Sinne, nämlich in dem des 18. und 19. Jahrhunderts«, sagt Marion Kollbach, eine von zehn Veranstaltungsmachern des Jüdischen Salons. »Wir wollten eine Begegnungsstätte von Juden und Nichtjuden über jüdische Literatur und Musik, Kunst und Philosophie schaffen, das ist uns gelungen«, sagt Michael Heimann, Geschäftsführer des Salons. Inhaberin des jüdischen Cafés Leonar und des Salons ist die Musikagentin Sonia Simmenauer, die den Verein Jüdischer Salon im September 2007 gründete.

Hintergrund dieser Kultureinrichtung sind auch der Wunsch nach Identitätsfindung und die Frage, was es heute bedeutet, Jude in einer mehrheitlich nichtjüdischen Gesellschaft zu sein. »Wir wollen Bestandteil dieser Gesellschaft sein, und dazu gehören Begegnungsräume wie unser Salon«, sagt Michael Heimann. Beruflich und privat seien viele Juden in der heutigen Gesellschaft angekommen, sagt der Rechtsanwalt und Steuerberater. Doch es gelte, einen intensiven Austausch mit anderen Religionen zu pflegen. »Wir wollen von unserem Jüdischsein erzählen«, sagt Heimann.

Kultur »Jüdische Autoren schreiben deutsche Literatur, das war schon immer so«, sagt Marion Kollbach. Die Journalistin und Filmemacherin schätzt nicht nur den guten Kontakt zum Publikum, sondern auch zu den Autoren, Musikern und Philosophen. »Wir laden die Vortragenden immer zum Essen ein und haben anregende Gespräche, die uns Impulse für das Programm geben«, erzählt Kollbach. »Mittlerweile schließen wir eine kulturelle Lücke in Hamburg, das ist auch dem Hamburger Senat bewusst.«

Doch der Jüdische Salon hat auch einen Wunsch an die Stadt. »Wir arbeiten ehrenamtlich und wünschen uns eine kontinuierliche, finanzielle Unterstützung«, sagt Kollbach. Zwar bekomme der Salon städtische Zuschüsse, aber der Vorstand müsse das Geld für jede Veranstaltung neu beantragen.

Die Mitglieder des Salons wollen auch der nächsten Generation den Weg in die Mehrheitsgesellschaft ebnen. Es sei wohltuend, zu sehen, dass es ein »Nach der Schoa« gebe, und angenehm, dass Juden und Nichtjuden gemeinsam ihre Interessen pflegen. »Wir sind wohl die einzige Stelle in Deutschland, die jüdische Kultur derart interaktiv in die Gesellschaft trägt«, meint Michael Heimann.

Zeitgeschehen Zudem will der Salon Themen des aktuellen Zeitgeschehens aufgreifen. »Dazu gehört die Flüchtlingsfrage, denn gerade die jüdische Geschichte ist von Flucht, Vertreibung, Verfolgung und Neuanfang geprägt«, sagt Marion Kollbach. Dazu gehöre auch die Auseinandersetzung mit Israels Politik und deren Folgen. Auch wichtige innerjüdische Themen werden diskutiert, beispielsweise am 1. Februar in einem Vortrag über Vaterjuden von Ruth Zeifert, die über dieses Thema promoviert hat.

Der Jüdische Salon musste während seiner zehn Jahre zweimal umziehen. Das 1830 erbaute Haus, in dem der Jüdische Salon mit dem Café Leonar zunächst sein Zuhause hatte, war 2012 baufällig geworden und nicht mehr zu retten. Doch das Aus war Inhaberin Sonia Simmenauer nur Anlass, noch mehr Energie in ihr Lieblingsprojekt zu stecken. Das Café zog an den Grindelhof 87, der Salon ging auf Wanderschaft, bis er ebenfalls im Café eine Bleibe fand – im Keller.

Neubau Sonia Simmenauer ließ derweil das marode Haus abreißen und baute es neu auf. »Das Haus haben wir extra für unseren Jüdischen Salon gestaltet«, sagte Sonia Simmenauer bei der Wiedereröffnung am 20. Oktober 2014. Heute liegt der Salon im »Denkhaus«, hinter dem Café. Der fast quadratische Raum mit einer kleinen Bibliothek bietet einen Blick in den Garten zur ehemaligen Druckerei Fläschner im Hinterhaus.

Es ist ein Ort mit langer jüdischer Tradition, denn um 1900 befand sich die Höhere Töchterschule in diesem Haus. 40 Prozent der Schülerinnen waren jüdisch. Ein historisches Geländer der Schule wurde in den Neubau integriert. Zudem blieb eine Wand im Jüdischen Salon unverputzt – als Symbol für den Tempel in Jerusalem und dafür, dass der Mensch stets auf Wanderschaft ist.

Berlin

Hommage an jiddische Broadway-Komponisten

Michael Alexander Willens lässt die Musik seiner Großväter während der »Internationalen Tage Jüdischer Musik und Kultur« erklingen

von Christine Schmitt  21.11.2024

Leo-Baeck-Preis

»Die größte Ehre«

BVB-Chef Hans-Joachim Watzke erhält die höchste Auszeichnung des Zentralrats der Juden

von Detlef David Kauschke  21.11.2024

Düsseldorf

Für Ausgleich und Verständnis

Der ehemalige NRW-Ministerpräsident Armin Laschet erhielt die Josef-Neuberger-Medaille

von Stefan Laurin  21.11.2024

Jubiläum

Religionen im Gespräch

Vor 75 Jahren wurde der Deutsche Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit gegründet

von Claudia Irle-Utsch  21.11.2024

Engagement

Helfen macht glücklich

150 Aktionen, 3000 Freiwillige und jede Menge positive Erlebnisse. So war der Mitzvah Day

von Christine Schmitt  20.11.2024

Volkstrauertag

Verantwortung für die Menschlichkeit

Die Gemeinde gedachte in München der gefallenen jüdischen Soldaten des Ersten Weltkriegs

von Vivian Rosen  20.11.2024

München

»Lebt euer Leben. Feiert es!«

Michel Friedman sprach in der IKG über sein neues Buch – und den unbeugsamen Willen, den Herausforderungen seit dem 7. Oktober 2023 zu trotzen

von Luis Gruhler  20.11.2024

Aus einem Dutzend Ländern kamen über 100 Teilnehmer zum Shabbaton nach Frankfurt.

Frankfurt

Ein Jahr wie kein anderes

Was beschäftigt junge Jüdinnen und Juden in Europa 13 Monate nach dem 7. Oktober? Beim internationalen Schabbaton sprachen sie darüber. Wir waren mit dabei

von Joshua Schultheis  20.11.2024

Porträt

»Da gibt es kein ›Ja, aber‹«

Der Urgroßvater von Clara von Nathusius wurde hingerichtet, weil er am Attentat gegen Hitler beteiligt war. 80 Jahre später hat nun seine Urenkelin einen Preis für Zivilcourage und gegen Judenhass erhalten. Eine Begegnung

von Nina Schmedding  19.11.2024