Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, wirft den Sicherheitsbehörden in Sachsen-Anhalt nach dem Synagogen-Anschlag von Halle Versäumnisse vor. »Offensichtlich hat man dort die Situation im Vorfeld verkannt«, sagte Schuster am Donnerstag im Deutschlandfunk.
Bei den meisten Synagogen sei es üblich, dass zu Gottesdienstzeiten ein Polizeiposten an der Synagoge steht. In Sachsen-Anhalt sei das nach seiner Kenntnis offensichtlich nicht die Regel.
ERMITTLUNGEN Im sachsen-anhaltischen Halle waren am Mittwoch nach Polizeiangaben während eines Gottesdienstes zum jüdischen Feiertag Jom Kippur in der Nähe einer Synagoge zwei Menschen erschossen worden. Am frühen Nachmittag wurde ein Verdächtiger festgenommen.
Laut Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) ist von einem antisemitischen Motiv und einem rechtsextremistischen Hintergrund auszugehen. Seehofer will am Donnerstag zusammen mit Schuster und dem Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Felix Klein, nach Halle reisen, um sich über den Stand der Ermittlungen zu informieren und mit Vertretern der jüdischen Gemeinde zu sprechen.
Schuster forderte, die deutschen Behörden müssen sicherstellen, dass ein Jude, der in eine Synagoge geht, sicher sein könne, dass er dort auch wieder unbeschadet herauskomme.
Schuster sagte, mit dem Anschlag von Halle und dem Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke im Sommer habe der Rechtsextremismus in Deutschland eine neue Qualität erreicht. Gott sei Dank sei es in Halle zu keinem Massaker gekommen, da der Angreifer vergeblich versucht habe, die Tür zur Synagoge zu öffnen. Doch: »Zwei Opfer sind zwei Opfer zu viel«, sagte der Präsident des Zentralrats. Schuster forderte, die deutschen Behörden müssen sicherstellen, dass ein Jude, der in eine Synagoge geht, sicher sein könne, dass er dort auch wieder unbeschadet herauskomme.
BÜNDNIS Auch der Jüdische Weltkongress dringt auf stärkere Sicherheitsvorkehrungen. Der staatliche Schutz jüdischer Einrichtungen in Deutschland müsse verbessert werden, erklärte der Präsident des Weltkongresses, Ronald S. Lauder, am Mittwoch in New York.
Zugleich bedürfe es eines geschlossenen Bündnisses gegen Neonazis und andere extremistische Gruppen. Der Weltkongress sei dankbar für die Unterstützung der jüdischen Gemeinschaft durch den deutschen Staat. »Aber jetzt sind Taten und keine Worte gefragt«, sagte Lauder. epd