»Ich bin gekommen, um mich von den Projekten anderer inspirieren zu lassen«, sagt Irena Mostowicz. In Kasachstan aufgewachsen, lebt sie heute in Wien. Gemeinsam mit einer Freundin plant sie einen feministischen Podcast, in dem engagierte jüdische Frauen zu Wort kommen sollen. Finanziert wird ihre Initiative unter anderem von der Organisation »Nevatim«, die auch die Konferenz auf die Beine gestellt hat, zu der am vergangenen Wochenende mehr als 80 weitere junge engagierte Jüdinnen und Juden zusammenkamen, um sich auszutauschen, miteinander zu diskutieren und »eine gute Zeit zu haben«, wie Mostowicz hinzufügt.
Bildungsprojekt Nevatim ist ein Programm der Jewish Agency for Israel, das Bildungsprojekte junger Menschen fördert, »die jüdisches Leben in Deutschland sozialer, interessanter und attraktiver machen wollen«, wie es in der Selbstbeschreibung heißt. Jedes Jahr veranstaltet Nevatim eine Konferenz mit Workshops, Exkursionen und weiteren Formaten, zu der junge Leute aus ganz Europa anreisen. Finanzielle Unterstützung kommt dafür unter anderem von der Genesis Philanthropy Group, deren Ziel die Stärkung jüdischer Identität weltweit ist.
Dass das Treffen dieses Jahr in Berlin stattfinden konnte, sei keine Selbstverständlichkeit gewesen, sagt die Direktorin von Nevatim, Anastassia Pletoukhina. Mit einem strengen Corona-Schutzkonzept haben sie und ihre Kollegin Margaryta Paliy es aber möglich gemacht. »Trotz Corona konnten zahlreiche Interessierte aus mehreren europäischen Ländern anreisen. Ein kleines Wunder!«, freut sich Pletoukhina.
Prävention Die Veranstaltungen deckten eine große Bandbreite ab: von einem Workshop über jüdische Antifaschisten in der Sowjetunion bis zu einer Gesprächsrunde zu Judentum und Kunst. Wer mehr über jüdischen Aktivismus und Antisemitismus-Prävention lernen wollte, konnte das bei verschiedenen Workshops und einer Podiumsdiskussion tun.
Junge jüdische Menschen sollen befähigt werden, sich für Demokratie und jüdisches Leben in der Gesellschaft einzusetzen.
Verbindendes Thema war das Motto: »It’s Time to Act« – es ist Zeit zu handeln. Anastassia Pletoukhina verbindet mit dieser Aufforderung zweierlei: Zum einen geht es um die Gegenwart und die Befähigung junger jüdischer Menschen, sich für Demokratie und jüdisches Leben in dieser Gesellschaft einzusetzen; und zum anderen um eine Aneignung des Gedenkens an vergangenes Leid. Deutlich wird diese Verbindung auch dadurch, dass sich am Tag vor dem Treffen von Nevatim die Wannsee-Konferenz zum 80. Mal jährte.
Gleis 17 Am Sonntag gedachte man daher gemeinsam am »Gleis 17« am Bahnhof Grunewald, von wo aus die ersten Berliner Juden mit dem Zug in den Tod geschickt worden waren. »Statt uns bei solchen Gelegenheiten von Politikern wie so oft sagen zu lassen, dass ›es nie wieder geschehen dürfe‹, war unsere Zeremonie von und für uns selbst gemacht«, erzählt Pletoukhina.
Einer jungen Generation zu zeigen, was mit selbstbewusstem jüdischen Aktivismus alles möglich ist – darin sieht auch Rachel Spicker ein wichtiges Ziel des Treffens. Sie selbst startet bald ein von Nevatim gefördertes Projekt, bei dem es um die Bildung von Allianzen geht, sowohl innerhalb der jüdischen Gemeinschaft als auch mit anderen gesellschaftlichen Gruppen, die Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen machen.
Jugend Die 31-Jährige freut sich, die Erfahrungen, die sie mit ihrem Projekt bisher gemacht hat, mit anderen teilen zu können. Sie hofft, damit insbesondere jüngere Teilnehmer anzuregen.
Gleichzeitig lobt Spicker die beiden Organisatorinnen der Konferenz. »Was Anastassia und Margaryta mit Nevatim leisten, ist inspirierend – ganz besonders für junge jüdische Frauen.« Ihre Mühen haben sich anscheinend gelohnt: Bei der Konferenz wurden zahlreiche neue Ideen für Projekte und Initiativen entwickelt, von denen sicher einige mithilfe von Nevatim auch in die Tat umgesetzt werden können.