Die »Aktion Sühnezeichen Friedensdienste« (ASF) feiert ihr 60-jähriges Bestehen. Seit der Gründung der Organisation 1958 engagiert sie sich mit Freiwilligendiensten, Bildungsarbeit und Kampagnen gegen Antisemitismus, Rassismus, Rechtsextremismus und Geschichtsvergessenheit. Vergangenen Sonntag wurde das Jubiläum der ASF mit einem Gottesdienst und einem Festakt in der Französischen Friedrichstadtkirche in Berlin begangen. Rund 500 Gäste aus dem In- und Ausland nahmen an dem Festakt teil, darunter mehrere Schoa-Überlebende und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.
In den sechs Jahrzehnten seit Gründung haben sich »mehr als 10.000 Menschen im Rahmen eines Friedensdienstes für Frieden und Verständigung, Menschenrechte und eine sensible Auseinandersetzung mit der NS-Geschichte eingesetzt«, teilt die Organisation mit. Viele dieser Freiwilligen trafen Überlebende der Schoa, pflegten jüdische Friedhöfe oder arbeiteten in Gedenkstätten.
verständigung Am 30. April 1958 verlas der Präses Lothar Kreyssig den Aufruf zur Gründung der Aktion Sühnezeichen am Rande der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland. Darin heißt es: »Wir Deutsche haben den Zweiten Weltkrieg begonnen und damit mehr als andere unmessbares Leiden der Menschheit verschuldet. Deutsche haben in frevlerischem Aufstand gegen Gott Millionen Juden umgebracht. Wer von uns Überlebenden das nicht gewollt hat, hat nicht genug getan, es zu verhindern.« Zwei Drittel der Synodalen unterschrieben den Aufruf.
Der Vorstandsvorsitzende der ASF, Stephan Reimers, sagte über die Organisation: »Das Wertvollste, was ein Mensch zu verschenken hat, ist seine Zeit.« Die Zeitgeschenke der ASF-Freiwilligen dienten »dem gemeinsamen Ziel, das Zusammenleben von Menschen friedlicher und geschwisterlicher zu gestalten und nicht zu vergessen, was in Deutschland geschah.«
Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden, dankte der ASF. »Organisationen wie Aktion Sühnezeichen haben in den vergangenen Jahrzehnten dazu beigetragen, dass sich Juden nach der Schoa in Deutschland wieder akzeptiert fühlten«, sagte er in seinem Grußwort.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier würdigte das Anliegen von ASF-Gründer Lothar Kreyssig, »Zeichen der Anerkennung von Schuld und Verantwortung« setzen zu wollen, »vor allem in den Ländern, die unter der deutschen Herrschaft in Europa am meisten gelitten hatten, in Polen und Russland, aber auch in Israel, dem Staat, dessen Gründung mit den deutschen Verbrechen an den Juden Europas verknüpft bleiben wird«. Dafür sei Deutschland Kreyssig und den vielen Freiwilligen der ASF, die seinem Aufruf und Beispiel folgten, zu großem Dank verpflichtet, sagte Steinmeier.
Auschwitz Als Ehrengast sprach der Künstler und Schoa-Überlebende Yehuda Bacon über die Schwierigkeiten, nach Auschwitz einen Sinn im Leben zu finden. Mit 14 Jahren kam Bacon nach Auschwitz, seine Familie wurde ermordet. Nur durch Begegnungen mit Menschen und Vorbilder wie Martin Buber, Leo Baeck und Gershom Scholem fand er den Glauben an die Menschheit wieder. Schon im Vorfeld hatte Bacon der ASF mahnend gratuliert: »Zum 60. Geburtstag wünsche ich Aktion Sühnezeichen Friedensdienste, sich immer aufs Neue zu prüfen und den Sinn des Wortes Sühnezeichen noch tiefer, weiter zu verwirklichen. Denn ich fühle, dass daran noch nicht genug getan wurde.«
Bischof Markus Dröge sagte: »Dass es Stimmen gibt, die das Gedenken abschütteln wollen, ja, dass sie in den letzten Jahren sogar lauter geworden sind, zeigt, wie notwendig es ist, sich weiter mit Schuld und Sühne auseinanderzusetzen, aktiv zu Schuld zu stehen und um Vergebung zu bitten.« In seiner Predigt unterstrich er die mahnenden Worte von Bacon. »Nicht wir hier in Deutschland entscheiden, wann wir uns ausreichend mit unserer Vergangenheit auseinandergesetzt haben«, rief er von der Kanzel, »das können nur die entscheiden, die zu Opfern wurden. Die Stimme des heute 88-jährigen Yehuda Bacon lenkt unseren Blick weg von uns selbst, hin auf die, um deren Vergebung wir bitten.«
Rechtspopulisten Zentralratspräsident Schuster verwies darauf, dass Björn Höcke (AfD) vor mehr als einem Jahr eine »erinnerungspolitische Wende um 180 Grad« gefordert hatte. Wenn eine solche Forderung umgesetzt würde, wäre dies vermutlich das Ende der ASF, schloss Schuster. Die Gründung der Organisation vor 60 Jahren nannte er einen »Meilenstein, eine echte Errungenschaft«. In den »bleiernen 50er-Jahren, in denen die Verdrängung der NS-Verbrechen ganz oben auf der Tagesordnung stand«, sei dies tatsächlich eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad gewesen. »Allerdings nicht im Sinne der AfD.«
ASF-Vorstandsvorsitzender Reimers verurteilte den »nationalistischen und völkischen Standpunkt, den Rechtspopulisten vertreten«. Reimers verwies darauf, dass nur wenige Kilometer von der Französischen Friedrichstadtkirche entfernt eine Demonstration der AfD stattfinde. »Aktion Sühnezeichen Friedensdienste hat zusammen mit vielen anderen Organisationen dazu aufgerufen, heute gegen Rechtspopulismus und für Vielfalt, Demokratie und Menschenrechte zu demonstrieren«, sagte er mit Blick auf die Kundgebung. »Einige von uns werden sich diesen Demonstrationen anschließen.«
Die Geschäftsführerinnen Dagmar Pruin und Jutta Weduwen erklärten schon im Vorfeld des Festaktes: »Wir werden uns weiter für eine kritische und sensible Auseinandersetzung mit den Auswirkungen der nationalsozialistischen Verfolgungs- und Vernichtungspolitik einsetzen.« Es bleibe die Aufgabe von ASF, sich entschieden für Vielfalt, Demokratie und Frieden zu engagieren und menschenfeindlichen und ausgrenzenden Bewegungen immer wieder eine Kraft entgegenzusetzen.
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