9. November

Zeichen der Verbundenheit

Bei der Namenslesung in der Fasanenstraße Foto: Uwe Steinert

Jeder Mensch hat einen Namen» steht auf dem weißen Banner, das am Zaun des Gemeindehauses in der Fasanenstraße befestigt ist. Anlässlich des 77. Jahrestages der Reichspogromnacht werden dort seit Montagmorgen die Namen der 55.696 ermordeten Berliner Juden laut vorgelesen.

Dagmar Janke ist eine der Freiwilligen, trotz des Regens. «Ich habe jetzt eine Viertelstunde gelesen, das hört sich zwar nicht viel an, aber man muss sich sehr konzentrieren», sagt die Berlinerin. Seit drei Jahren beteiligt sie sich an der Namenslesung, doch auch dieses Jahr musste sie wieder mit den Tränen kämpfen. «Ich habe dann versucht, mir zu sagen: Es sind nur Namen. Doch das stimmt nicht, es sind eben nicht nur Namen.»

aufarbeitung Durch Nachforschungen hatte Dagmar Janke vor einigen Jahren erfahren, dass 43 ihrer Verwandten im Holocaust ermordet wurden. Sie findet es wichtig, dort zu stehen und die Namen laut vorzulesen, «um das Thema für sich selbst aufzuarbeiten und um zu erinnern», wie sie sagt.

Eine weitere Freiwillige ist Schwester Myriam. Unbeirrt vom Lärm der S-Bahn und der vorbeifahrenden Autos liest sie langsam die Namen vor, betont jeden einzelnen von ihnen, obwohl ihre Stimme schon zittert. Auch sie ist immer dabei, wenn die Jüdische Gemeinde zu Berlin dazu aufruft, sich an der Namenslesung zu beteiligen. Für die Nonne ist es «zumindest ein kleines Zeichen der Verbundenheit mit den Ermordeten». Dort zu stehen und die Namen zu lesen, gibt sie zu, sei ihr «sehr nahe gegangen».

«Schon letztes Jahr war ich hier», erzählt auch Gerhard Schmitt. Dem 74-Jährigen ist es wichtig, dass die Namen nicht vergessen werden. «Ich kannte einige Juden, die den Holocaust als sogenannte ›U-Boote‹, also versteckt, überlebt haben.» Sie seien mittlerweile alle verstorben, doch durch sie habe er Zugang zur jüdischen Tradition gefunden.

erinnerung «Ich bin praktizierender Katholik», sagt Schmitt. Die Teilnahme an der öffentlichen Namenslesung liegt ihm am Herzen. Seiner Meinung nach müsse man sich nicht nur an diesem Tag, sondern überhaupt für die Verständigung zwischen den Religionen einsetzen. Bedrückend sei es auch diesmal gewesen, die Namen zu lesen. Erst dann verstehe man, sagt der Freiwillige, dass ganze Familien ermordet wurden. «Dennoch bleibt unbegreiflich, wie es überhaupt passieren konnte.» Dieses Jahr hat Gerhard Schmitt zwei Freunde mitgebracht, eine davon ist Ursula. Sie erzählt: «Als er mich gefragt hat, habe ich sofort zugesagt.» Schließlich, meint die gebürtige Westfälin, müsse die Erinnerung wach gehalten werden.

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurden etwa 1400 Synagogen in ganz Deutschland von den Nationalsozialsten in Brand gesteckt und geschändet. Auch Betstuben, jüdische Geschäfte und Wohnungen wurden zerstört. Während der Novemberpogrome wurden 30.000 Juden deportiert und rund 400 in den Suizid getrieben oder ermordet.

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