Frankfurt/Main

Zeichen der Solidarität

Die vergangenen Wochen und Monate waren mit antisemitischen Überfällen und judenfeindlichen Tönen in der Beschneidungsdebatte eine schwierige Zeit für die jüdische Gemeinschaft in Deutschland. Deshalb sei das Zeichen der Solidarität, das Bundeskanzlerin Angela Merkel mit ihrem Besuch setze, so besonders wichtig. Das sagte Zentralratspräsident Dieter Graumann bei der Ratsversammlung des Zentralrats der Juden am Sonntag in Frankfurt/Main. »Freundschaft zeigt sich doch besonders in schwerer Zeit«, so Graumann.

Es war das erste Mal in der über 60-jährigen Geschichte der Organisation, dass ein deutscher Regierungschef das höchste Gremium des Zentralrats besucht. Die Rede der Kanzlerin wurde von den rund 100 Spitzenvertretern der Gemeinden und der Landesverbände mit lang anhaltendem Applaus bedacht. Im Anschluss sagte die Kanzlerin vor Journalisten: »Es gibt ein großes Maß an Antisemitismus.« Dies sei auch besonders in der Beschneidungsdebatte deutlich geworden. Es gelte nun zu überlegen, was es bedeute, Toleranz gegenüber Religionen zu zeigen. Religionsfreiheit drücke sich eben darin aus, dass Religion gelebt und praktiziert werden könne.

Beschneidungsgesetz In diesem Zusammenhang verwies Merkel auf den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Beschneidung. Es sei ein »ausgewogener Gesetzestext«, der jetzt durch die Beratungen von Bundestag und Bundesrat gehe. Sie hoffe, dass er noch »vor Weihnachten« verabschiedet werden könne.

Graumann dankte der Kanzlerin. Es sei wichtig, dass die deutsche Politik gehandelt habe und jetzt ein Gesetz beschließen werde, »mit dem wir leben können«. Das damit verbundene Signal, dass jüdisches und muslimisches Leben willkommen sind, sei von großer Bedeutung.

Israel Bei der Rede vor den Delegierten und der anschließenden Diskussion, die Merkel als »spannenden Meinungsaustausch« bezeichnete, sei auch die internationale Lage diskutiert worden. In Bezug auf Israel und den aktuellen Gaza-Konflikt betonte Merkel, dass jedes Land das Recht der Selbstverteidigung und die Pflicht zum Schutz der eigenen Bürger habe.

Graumann sagte, die Kanzlerin sei von den Delegierten der Ratsversammlung herzlich, fast schon »mit Begeisterung und Ekstase« empfangen worden. Es sei zu spüren, dass ihr Engagement von Herzen komme. »Dies hat uns sehr gutgetan, in einer Zeit, die für uns schwierig ist, die aber ganz sicher bald wieder sehr viel besser wird.«

Bericht
Zuvor hatte die Ratsversammlung den Bericht des Präsidenten entgegengenommen und den Haushalt des Zentralrats verabschiedet. Dieter Graumann erinnerte dabei nochmals an die Verdoppelung der Mittel, die er im vergangenen Jahr verkünden konnte: »Wir haben versprochen, die neuen Möglichkeiten zu nutzen, einen neuen Zentralrat aufzubauen. Dieses Versprechen haben wir gehalten und sind ein ganzes Stück vorangekommen.«

Dabei zählte er die Einberufung des Runden Tisches in Berlin und den Gemeindetag in Hamburg auf. Zudem sei der Zentralrat dabei, die Gemeinden und jüdischen Organisationen mit einer virtuellen Plattform weiter zu verbinden und zu vernetzen. Ein gemeinsamer Veranstaltungskalender könne bereits genutzt werden. »Das wird unsere Wirksamkeit als jüdische Gemeinschaft erhöhen«, sagte Graumann. Zudem kündigte er eine neue Bildungsinitiative an. Vorhandene Angebote sollten gebündelt, eine jüdische Akademie eingerichtet werden. Der Zentralrat solle mit zusätzlichen Mitarbeitern das jüdische Kompetenzzentrum werden, das seine Arbeit noch mehr intensiviert und professionalisiert. Auch im Jugendbereich verkündete er Neuerungen. Die Jewrovision, der jährliche Tanz- und Musikwettbewerb, werde ab dem nächsten Jahr vom Zentralrat in eigener Regie organisiert. Ein wichtiges Thema sei auch die Altersarmut und die Frage der Grundsicherung. Dazu sei eine eigene Kommission und ein Dezernat eingerichtet worden. »Ich bin zuversichtlich, dass wir gemeinsam etwas erreichen werden.«

Trotz aller Schwierigkeiten, denen sich die jüdische Gemeinschaft in Deutschland ausgesetzt sieht, gelte die Botschaft: »Resignation, nein danke!« Juden ließen sich nicht unterkriegen, würden nicht vor Gewalt weichen. »Wir lassen uns niemals einschüchtern, wer glaubt, uns wegsperren zu können, in das Ghetto der Verängstigung, der irrt.«

Chanukka-Umfrage

»Wir brauchen das Licht«

Was für Lieblingssymbole haben Gemeindemitglieder? Und wie verbringen Familien das Fest, wenn ein Partner Weihnachten feiern möchte? Wir haben nachgefragt

von Brigitte Jähnigen, Christine Schmitt  25.12.2024

Berlin

Wenn Hass real wird

Die Denkfabrik Schalom Aleikum beschäftigt sich mit dem gesellschaftlichen Einfluss sozialer Medien

von Alicia Rust  23.12.2024

Interview

»Wir sind neugierig aufeinander«

Amnon Seelig über die erste Konferenz des Kantorenverbandes, Lampenfieber und das Projekt Call a Kantor

von Christine Schmitt  22.12.2024

Porträt der Woche

Ein Signal senden

David Cohen ist Geschäftsführer eines Unternehmens und setzt sich gegen Judenhass ein

von Matthias Messmer  22.12.2024

Soziale Medien

In 280 Zeichen

Warum sind Rabbinerinnen und Rabbiner auf X, Instagram oder Facebook – und warum nicht? Wir haben einige gefragt

von Katrin Richter  20.12.2024

Hessen

Darmstadt: Jüdische Gemeinde stellt Strafanzeige gegen evangelische Gemeinde

Empörung wegen antisemitischer Symbole auf Weihnachtsmarkt

 19.12.2024 Aktualisiert

Debatte

Darmstadt: Jetzt meldet sich der Pfarrer der Michaelsgemeinde zu Wort - und spricht Klartext

Evangelische Gemeinde erwägt Anzeige wegen antisemitischer Symbole auf Weihnachtsmarkt

 19.12.2024

Hessen

Nach Judenhass-Eklat auf »Anti-Kolonialen Friedens-Weihnachtsmarkt«: Landeskirche untersagt Pfarrer Amtsausübung

Nach dem Eklat um israelfeindliche Symbole auf einem Weihnachtsmarkt einer evangelischen Kirchengemeinde in Darmstadt greift die Landeskirche nun auch zu dienstrechtlichen Maßnahmen

 19.12.2024

Ehrung

Verdiente Würdigung

Auf der Veranstaltung »Drei Tage für uns« wurde der Rechtsanwalt Christoph Rückel ausgezeichnet

von Luis Gruhler  19.12.2024