Nordrhein-Westfalen

Zedaka in Kall

Schutz vor dem Winter: ein »Tiny House« Foto: Gemeindeverwaltung Kall

Kall ist eine kleine Gemeinde am Rande der Nordeifel in Nordrhein-Westfalen. Hier mündet der Kallbach in die Urft, ein Zulauf der Rur, die später in die Maas fließt. Der 11.000-Einwohner-Ort wurde von der Flutkatastrophe im Sommer schwer getroffen. Etwa 600 bis 700 Haushalte erlitten durch die Überschwemmungen schwere Schäden. »Sehr viele Menschen können ihre Häuser nicht mehr bewohnen«, erzählt Bürgermeister Hermann-Josef Esser im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen. Vor allem fehle es in den baufälligen Gebäuden derzeit an Heizmöglichkeiten.

Umso erfreuter ist man in Kall über die Hilfe, die nun von der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) kommt. Am Mittwoch vergangener Woche unterschrieben Bürgermeister Esser und der geschäftsführende Direktor der ZWST, Aron Schuster, im Rathaus von Kall, das durch die Flut ebenfalls stark in Mitleidenschaft gezogen worden war, gemeinsam einen Vertrag, mit dem die Gemeinde Kall zehn sogenannte Tiny Houses für Flutopfer anschaffen kann.

Bei allen zehn Haushalten, die nun mit »Tiny Houses« versorgt würden, handele es sich um echte Härtefälle.

»Nachdem die ›Aktion Deutschland Hilft‹ vor wenigen Wochen bereits erstmalig ›Tiny Houses‹ im Ahrtal zur Verfügung stellte, wurde die Gemeinde Kall auf das Projekt aufmerksam und suchte den unmittelbaren Kontakt«, berichtet Aron Schuster der Jüdischen Allgemeinen.

WINTEREINBRUCH »Die ZWST erklärte sich spontan bereit, Mittel aus den über das Hilfebündnis ›Aktion Deutschland Hilft‹ eingegangenen Spenden zur Verfügung zu stellen«, so der ZWST-Direktor. »In einigen Wohnhäusern der Gemeinde Kall wird es noch lange dauern, bis die Heizungsversorgung komplett wiederhergestellt ist. Einige Häuser haben massiv mit Schimmelbefall zu kämpfen«, erklärt Schuster und fügt an: »Die am härtesten betroffenen Personen brauchen vor Wintereinbruch dringend eine Bleibe.«

Bürgermeister Esser hat bereits drei Standorte für die mobilen Fertighäuser in ruhiger Umgebung in der Gemeinde identifiziert. Durch die Beschaffung der »Tiny Houses« kann nun kurzfristig zumindest eine vorübergehende Lösung für diejenigen geschaffen werden, die nach der Flut zunächst bei Verwandten, Bekannten oder in Ferienwohnungen untergekommen waren, teils weit entfernt von ihren Arbeitsstätten.

Nach Angaben eines Verwaltungsmitarbeiters aus Kall handelt es sich um Einzelpersonen, zwei große Familien sowie Haushalte mit ein bis drei Personen. Bei allen zehn Haushalten, die nun mit »Tiny Houses« versorgt würden, handele es sich um echte Härtefälle, so Esser.

NEBENKOSTEN »Wir sind überwältigt von Ihrem Angebot«, bedankte sich Esser bei Aron Schuster. Pro Haus werden 100.000 Euro, also insgesamt eine Million Euro, bereitgestellt. »Das ist nicht der Kaufpreis der Häuser, sondern der gesamte finanzielle Rahmen, der auch die Nebenkosten für Transport, Aufbau, Strom- und Kanalanschluss und so weiter enthält«, erläutert Schuster.

»Die ZWST übernimmt als sozialer Dachverband der jüdischen Gemeinden gesamtgesellschaftliche Verantwortung.«

ZWST-Direktor Aron Schuster

Die ZWST ist seit 2014 als erste jüdische Organisation Mitglied der »Aktion Deutschland Hilft«. Über ihre Mitglieds­organisation IsraAID Germany e.V. ist sie vor Ort präsent und trägt dazu bei, Spenden in direkte Hilfe umzusetzen. Der Schwerpunkt der Tätigkeit im Bereich der humanitären Hilfe lag zunächst auf der Unterstützung von Flüchtlingen. Mittlerweile existieren Projekte im Bereich der Flüchtlingshilfe in Brandenburg, Berlin, Nordrhein-Westfalen und Hessen.

Wenige Tage nach der Flutkatastrophe im Juli dieses Jahres waren ZWST und IsraAID Germany in betroffenen Regionen im Ahrtal und in Odendorf präsent, um bei Aufräum- und Sanierungsarbeiten zu helfen. Aktuell etablieren sie psychosoziale Unterstützung vor Ort. »Die ZWST übernimmt als sozialer Dachverband der jüdischen Gemeinden gesamtgesellschaftliche Verantwortung und sieht – getreu ihres seit über 100 Jahren gültigen Leitbildes ›Zedaka‹ – ihr Hauptanliegen bei der Unterstützung vulnerabler Zielgruppen«, resümiert Aron Schuster.

Interview

»Wo immer wir gebraucht werden – wir sind da«

Rabbiner David Geballe über Seelsorge in der Bundeswehr und die Vermittlung von Wissen

von Helmut Kuhn  04.02.2025

Porträt der Woche

Frau der ersten Stunde

Avital Toren wurde vor 30 Jahren gebeten, die Gemeinde in Heilbronn aufzubauen

von Gerhard Haase-Hindenberg  02.02.2025

Hamburg

»Wir sind dran!«

Von Klimawandel bis jüdische Identität: Der Jugendkongress 2025 verspricht vier intensive Tage

von Florentine Lippmann  02.02.2025

Leer (Ostfriesland)

Schoa-Überlebender Weinberg will mit Steinmeier sprechen

Nach seiner Ankündigung, das Bundesverdienstkreuz abzugeben, hat der fast 100-jährige Zeitzeuge ein Gesprächsangebot des Bundespräsidenten angenommen

 31.01.2025

Berlin

Jüdische Stimmen zur Asyl-Abstimmung: Ein Überblick

Wie blicken Juden auf den Vorwurf, die CDU reiße die Brandmauer zur AfD ein? Wir haben uns umgehört

von Imanuel Marcus  30.01.2025

Bildung

Das beste Umfeld

Zwar beginnt das neue Schuljahr erst nach dem Sommer, doch schon jetzt fragen sich Eltern: Welche Schule ist die richtige? Gespräche mit Schulleitern über Wartelisten, Sprachniveau und Traditionen

von Christine Schmitt  30.01.2025

München

Fit fürs Finale

Beim Vorentscheid zum »Chidon Hatanach« in Jerusalem wurde wieder jede Menge religiöses Wissen abgefragt

von Luis Gruhler  30.01.2025

Rostock

Den Vorhang auf

Seit vielen Jahren gibt es in der Jüdischen Gemeinde eine Theatergruppe. Ein Besuch bei den Proben für »Kalif Storch« im Kulturhistorischen Museum

von Katrin Richter  29.01.2025

Dachau

Igor Levit für neue Instrumente der Erinnerungsarbeit

»Wenn man dieses »Nie wieder« ins 21. Jahrhundert übersetzen will, müssen wir uns gewaltig anstrengen«, so der Pianist

 29.01.2025