Aus allen Wolken» sei sie gefallen, als ihr die Erste Bürgermeisterin von Garmisch-Partenkirchen, Sigrid Meierhofer (SPD), im Spätsommer 2017 von dem desaströsen Zustand des Grabes von Hermann Levi berichtete, erzählt Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern (IKG).
Die Rede ist von der Ruhestätte des einstigen «Königlich-Bayerischen Hofkapellmeisters» und Komponisten Hermann Levi (1839–1900), der als erster Dirigent «moderner Prägung» gilt, von Richard Wagner gleichermaßen auserwählt, die Bayreuther Uraufführung des Parsifal zu dirigieren, und dann dringlich aufgefordert, von seinem Judentum zu lassen.
Hermann Levi, gegen den auch Richard Strauss hetzte, zieht sich, von anderen antisemitischen Vorfällen in eine tiefe Krise gestürzt, 1896 als geschwächter, enttäuschter Mann nach Partenkirchen in Oberbayern zurück. Dort wird er wegen seiner großen Wohltätigkeiten 1898 zum Ehrenbürger ernannt. Seine Frau Mary und er leben in einem wunderschönen Haus, der «Villa am Riedberg». 1900 stirbt er 60-jährig. Mary lässt für ihren Mann auf dem Gelände der Villa ein Mausoleum nach Entwürfen des Architekten Adolf von Hildebrand erbauen. Dort findet Hermann Levi seine letzte Ruhestätte.
Grabplatte Heute existiert von Levis Grab im Wesentlichen nur noch eine schwere, kaum mehr sichtbare Grabplatte. Das Anwesen der Villa wurde in mehrere Grundstücke geteilt. Das Grab, immerhin seit 1991 unter Denkmalschutz, befindet sich auf Privatgrund. Das Areal rundum wurde über Jahre als Abstellfläche genutzt. Kein Ort, der von Erinnerungskultur an einen großen Dirigenten und dem Stolz der Marktgemeinde zeugt. «Und davon erfahre ich erst jetzt», sagt Knobloch.
Die Oberbürgermeisterin erbittet sich beim Besuch Rat und Hilfe. Zunächst einmal sollte festgestellt werden, ob da überhaupt noch jemand in diesem Grab liegt. Charlotte Knobloch bespricht die Lage mit Shmuel Aharon Brodmann, Rabbiner der IKG in München. Der reist im Mai dieses Jahres nach Partenkirchen. «Rabbiner Brodmann ist hinabgestiegen, hat Überreste des Verstorbenen gefunden, hat Gebete gesprochen, hat dieser seltsamen Situation Würde gegeben.»
Ausnahmeregelung Brodmann war sich mit Knobloch einig: «Das ist keine Ruhestätte für einen Juden» und entschied, dass in diesem Falle einer Umbettung die «Ausnahme vom religiösen Gebot der ewigen Grabesruhe» Anwendung finden konnte. «Ich bin Gemeindevorsitzende und zuständig für Oberbayern», sagt Knobloch mit Bestimmtheit, «wenn ein jüdischer Mensch – und Hermann Levi kommt aus einer weit verzweigten Rabbinerfamilie –, wenn ein Jude, berühmt oder nicht, kein würdiges Grab hat und ich als Zuständige davon erfahre, dann sind wir selbstverständlich verpflichtet, diese Situation zu ändern».
Besonders irritierend bei dieser Geschichte um Levis Grab sei, so Knobloch, dass es wohl Hinweise darauf gebe, dass das Mausoleum die Zeit unter dem Nationalsozialismus sogar einigermaßen unbeschadet überstanden habe, es erst Ende der 50er-Jahre mit Einwilligung der Gemeinde Garmisch-Partenkirchen «und ohne äußeren Druck» dem Boden gleichgemacht worden sei. «Das ist in meinen Augen rechtswidrig.»
Knobloch, Rabbiner Brodmann und der Vorstand der IKG sind sich jedenfalls einig in dem Punkt, dass Hermann Levi eine ehrenvolle, dem Glauben entsprechende letzte Ruhestätte gegeben werden muss. Und die wird in München auf dem Neuen Israelitischen Friedhof sein – und zwar neben dem Grab von Max Mannheimer. Knobloch hat dies bereits Mitte August beim Zusammentreffen mit Bürgermeisterin Meierhofer in Garmisch-Partenkirchen festgelegt, nachdem sie sich das Grab selbst angesehen hatte.
Noch im Herbst soll die Überführung stattfinden.
Vorher werde geprüft – Friedhofsverwaltung und Steinmetz sind involviert –, ob der noch vorhandene Grabstein und die denkmalgeschützte Grabplatte ebenfalls mit überführt werden können. Bis zur Friedhofsmauer an der Münchner Ungererstraße übernimmt Garmisch-Partenkirchen die Kosten, wurde beschlossen.
LEVI-Kurpark Außerdem regte Knobloch an, den Kurpark in Partenkirchen nach Hermann Levi zu benennen. Damit greift sie einen Vorschlag auf, der zwar aus dem Garmisch-Partenkirchener Gemeinderat kommt, der dort aber nicht allen gefällt. Daher betont sie: «Ich bin davon äußerst begeistert.» Sie sieht es «einfach als eine Art Bringschuld» an, dass Garmisch-Partenkirchen mit der Widmung des Kurparks nach Levi seines Ehrenbürgers gedenkt.
Bürgermeisterin Sigrid Meierhofer hat wohl verstanden, entscheiden wird am Ende der Gemeinderat, darunter auch starke konservative Kräfte, die keinen «Levi-Kurpark» wollen. Vieles wird in Garmisch-Partenkirchen immer wieder diskutiert, wenn es um das Andenken von Hermann Levi geht, die Benennung einer Straße oder eines Festsaals nach ihm, das Anbringen von Gedenktafeln. Wie groß das Interesse der Garmisch-Partenkirchener an Hermann Levi wirklich ist, ist tatsächlich schwer einzuschätzen.