Garmisch-Partenkirchen

Würdige Ruhe für Hermann Levi

Vom einstigen Mausoleum Hermann Levis ist eine zerborstene Grabplatte übrig. Foto: Thomas Sehr

Aus allen Wolken» sei sie gefallen, als ihr die Erste Bürgermeisterin von Garmisch-Partenkirchen, Sigrid Meierhofer (SPD), im Spätsommer 2017 von dem desaströsen Zustand des Grabes von Hermann Levi berichtete, erzählt Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern (IKG).

Die Rede ist von der Ruhestätte des einstigen «Königlich-Bayerischen Hofkapellmeisters» und Komponisten Hermann Levi (1839–1900), der als erster Dirigent «moderner Prägung» gilt, von Richard Wagner gleichermaßen auserwählt, die Bayreuther Uraufführung des Parsifal zu dirigieren, und dann dringlich aufgefordert, von seinem Judentum zu lassen.

Hermann Levi, gegen den auch Richard Strauss hetzte, zieht sich, von anderen antisemitischen Vorfällen in eine tiefe Krise gestürzt, 1896 als geschwächter, enttäuschter Mann nach Partenkirchen in Oberbayern zurück. Dort wird er wegen seiner großen Wohltätigkeiten 1898 zum Ehrenbürger ernannt. Seine Frau Mary und er leben in einem wunderschönen Haus, der «Villa am Riedberg». 1900 stirbt er 60-jährig. Mary lässt für ihren Mann auf dem Gelände der Villa ein Mausoleum nach Entwürfen des Architekten Adolf von Hildebrand erbauen. Dort findet Hermann Levi seine letzte Ruhestätte.

Grabplatte Heute existiert von Levis Grab im Wesentlichen nur noch eine schwere, kaum mehr sichtbare Grabplatte. Das Anwesen der Villa wurde in mehrere Grundstücke geteilt. Das Grab, immerhin seit 1991 unter Denkmalschutz, befindet sich auf Privatgrund. Das Areal rundum wurde über Jahre als Abstellfläche genutzt. Kein Ort, der von Erinnerungskultur an einen großen Dirigenten und dem Stolz der Marktgemeinde zeugt. «Und davon erfahre ich erst jetzt», sagt Knobloch.

Die Oberbürgermeisterin erbittet sich beim Besuch Rat und Hilfe. Zunächst einmal sollte festgestellt werden, ob da überhaupt noch jemand in diesem Grab liegt. Charlotte Knobloch bespricht die Lage mit Shmuel Aharon Brodmann, Rabbiner der IKG in München. Der reist im Mai dieses Jahres nach Partenkirchen. «Rabbiner Brodmann ist hinabgestiegen, hat Überreste des Verstorbenen gefunden, hat Gebete gesprochen, hat dieser seltsamen Situation Würde gegeben.»

Ausnahmeregelung Brodmann war sich mit Knobloch einig: «Das ist keine Ruhestätte für einen Juden» und entschied, dass in diesem Falle einer Umbettung die «Ausnahme vom religiösen Gebot der ewigen Grabesruhe» Anwendung finden konnte. «Ich bin Gemeindevorsitzende und zuständig für Oberbayern», sagt Knobloch mit Bestimmtheit, «wenn ein jüdischer Mensch – und Hermann Levi kommt aus einer weit verzweigten Rabbinerfamilie –, wenn ein Jude, berühmt oder nicht, kein würdiges Grab hat und ich als Zuständige davon erfahre, dann sind wir selbstverständlich verpflichtet, diese Situation zu ändern».

Besonders irritierend bei dieser Geschichte um Levis Grab sei, so Knobloch, dass es wohl Hinweise darauf gebe, dass das Mausoleum die Zeit unter dem Nationalsozialismus sogar einigermaßen unbeschadet überstanden habe, es erst Ende der 50er-Jahre mit Einwilligung der Gemeinde Garmisch-Partenkirchen «und ohne äußeren Druck» dem Boden gleichgemacht worden sei. «Das ist in meinen Augen rechtswidrig.»

Knobloch, Rabbiner Brodmann und der Vorstand der IKG sind sich jedenfalls einig in dem Punkt, dass Hermann Levi eine ehrenvolle, dem Glauben entsprechende letzte Ruhestätte gegeben werden muss. Und die wird in München auf dem Neuen Israelitischen Friedhof sein – und zwar neben dem Grab von Max Mannheimer. Knobloch hat dies bereits Mitte August beim Zusammentreffen mit Bürgermeisterin Meierhofer in Garmisch-Partenkirchen festgelegt, nachdem sie sich das Grab selbst angesehen hatte.

Noch im Herbst soll die Überführung stattfinden.
Vorher werde geprüft – Friedhofsverwaltung und Steinmetz sind involviert –, ob der noch vorhandene Grabstein und die denkmalgeschützte Grabplatte ebenfalls mit überführt werden können. Bis zur Friedhofsmauer an der Münchner Ungererstraße übernimmt Garmisch-Partenkirchen die Kosten, wurde beschlossen.

LEVI-Kurpark Außerdem regte Knobloch an, den Kurpark in Partenkirchen nach Hermann Levi zu benennen. Damit greift sie einen Vorschlag auf, der zwar aus dem Garmisch-Partenkirchener Gemeinderat kommt, der dort aber nicht allen gefällt. Daher betont sie: «Ich bin davon äußerst begeistert.» Sie sieht es «einfach als eine Art Bringschuld» an, dass Garmisch-Partenkirchen mit der Widmung des Kurparks nach Levi seines Ehrenbürgers gedenkt.

Bürgermeisterin Sigrid Meierhofer hat wohl verstanden, entscheiden wird am Ende der Gemeinderat, darunter auch starke konservative Kräfte, die keinen «Levi-Kurpark» wollen. Vieles wird in Garmisch-Partenkirchen immer wieder diskutiert, wenn es um das Andenken von Hermann Levi geht, die Benennung einer Straße oder eines Festsaals nach ihm, das Anbringen von Gedenktafeln. Wie groß das Interesse der Garmisch-Partenkirchener an Hermann Levi wirklich ist, ist tatsächlich schwer einzuschätzen.

Berlin

Hommage an jiddische Broadway-Komponisten

Michael Alexander Willens lässt die Musik seiner Großväter während der »Internationalen Tage Jüdischer Musik und Kultur« erklingen

von Christine Schmitt  21.11.2024

Leo-Baeck-Preis

»Die größte Ehre«

BVB-Chef Hans-Joachim Watzke erhält die höchste Auszeichnung des Zentralrats der Juden

von Detlef David Kauschke  21.11.2024

Düsseldorf

Für Ausgleich und Verständnis

Der ehemalige NRW-Ministerpräsident Armin Laschet erhielt die Josef-Neuberger-Medaille

von Stefan Laurin  21.11.2024

Jubiläum

Religionen im Gespräch

Vor 75 Jahren wurde der Deutsche Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit gegründet

von Claudia Irle-Utsch  21.11.2024

Engagement

Helfen macht glücklich

150 Aktionen, 3000 Freiwillige und jede Menge positive Erlebnisse. So war der Mitzvah Day

von Christine Schmitt  20.11.2024

Volkstrauertag

Verantwortung für die Menschlichkeit

Die Gemeinde gedachte in München der gefallenen jüdischen Soldaten des Ersten Weltkriegs

von Vivian Rosen  20.11.2024

München

»Lebt euer Leben. Feiert es!«

Michel Friedman sprach in der IKG über sein neues Buch – und den unbeugsamen Willen, den Herausforderungen seit dem 7. Oktober 2023 zu trotzen

von Luis Gruhler  20.11.2024

Aus einem Dutzend Ländern kamen über 100 Teilnehmer zum Shabbaton nach Frankfurt.

Frankfurt

Ein Jahr wie kein anderes

Was beschäftigt junge Jüdinnen und Juden in Europa 13 Monate nach dem 7. Oktober? Beim internationalen Schabbaton sprachen sie darüber. Wir waren mit dabei

von Joshua Schultheis  20.11.2024

Porträt

»Da gibt es kein ›Ja, aber‹«

Der Urgroßvater von Clara von Nathusius wurde hingerichtet, weil er am Attentat gegen Hitler beteiligt war. 80 Jahre später hat nun seine Urenkelin einen Preis für Zivilcourage und gegen Judenhass erhalten. Eine Begegnung

von Nina Schmedding  19.11.2024