Interview

»Wo immer wir gebraucht werden – wir sind da«

Rabbiner David Geballe über Seelsorge in der Bundeswehr und die Vermittlung von Wissen

von Helmut Kuhn  03.02.2025 16:23 Uhr

Rabbiner David Geballe (Archivfoto) Foto: 2016 Sharon Bruck

Rabbiner David Geballe über Seelsorge in der Bundeswehr und die Vermittlung von Wissen

von Helmut Kuhn  03.02.2025 16:23 Uhr

Rabbiner Geballe, Sie sind seit September 2024 in der Luftwaffenkaserne in Köln-Wahn tätig und werden am Montag durch Rabbiner Avichai Apel und Bundesmilitärrabbiner Zsolt Balla als erster Militärrabbiner in Köln eingeführt. Konnten Sie sich schon einarbeiten?
Ja. Ich konnte mich schon intensiv einarbeiten. Am Anfang gibt es ja viele Dinge, die man lernen muss. Es ist etwas anderes als Gemeindearbeit, auch wenn es Überschneidungspunkte gibt. Ich konnte schon viele Soldatinnen und Soldaten kennenlernen und mich mit der Struktur und den Abläufen der Bundeswehr vertraut machen. Natürlich habe ich mich den evangelischen und katholischen Kollegen vorgestellt. Diese Verbindungen sind sehr wichtig, weil es so ein Riesengebiet ist. Auch andere Akteure sind wichtig, das psychosoziale Netzwerk der Bundeswehr, darunter Sozial­arbeiter und Truppenärzte, mit denen man sich vernetzt. Es gibt noch sehr viel zu lernen, die Bundeswehr ist groß und vielfältig. Jeder Standort hat seine Eigenheiten.

Sie sind für Soldatinnen und Soldaten in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland zuständig. Was sind Ihre Aufgaben?
Juristisch kann ich ganz einfach antworten. Nach dem Soldatengesetz hat jede Soldatin und jeder Soldat Anspruch auf Seelsorge und ungestörte Religionsausübung. Das ist die Grundlage all dessen, was wir hier machen. Wir versuchen dieses allen Soldatinnen und Soldaten wie Zivilangestellten der Bundeswehr zu ermöglichen. Da kommt es nicht darauf an, ob und was jemand glaubt. Es kommen Soldatinnen und Soldaten mit einem Problem oder sei es einfach nur dem Wunsch zu sprechen, und es kommen jüdische Soldatinnen und Soldaten, die Fragen etwa zu koscherer Verpflegung haben – so gibt es seit Neuestem die koscheren Einsatz­rationen. Diese zu vermitteln, gehört auch zu unseren Aufgaben. Und der Lebenskundliche Unterricht (LKU), der für jede Soldatin und jeden Soldaten verpflichtend ist – wird von den militärischen Seelsorgern gegeben, ist aber religionsfrei. Bereits in Planung ist, dass der LKU auch einmal gemeinsam gehalten wird. Ich habe in diesem Fall mit evangelischen Kolleginnen und Kollegen Veranstaltungen zusammengelegt, das ist sehr reizvoll.

Es gibt bundesweit fünf Dependancen des Militärrabbinats. Welche Besonderheiten ergeben sich in der Außenstelle West, und welche Akzente möchten Sie setzen?
Die Außenstelle West ist ein sehr großes Gebiet mit vielen Liegenschaften der Bundeswehr. Es gibt Luftwaffenstandorte und Heereseinheiten bis hin zu Liegenschaften der Cybersecurity, das Spektrum ist sehr breit. Das geht mit einer gewissen Reisetätigkeit einher und eröffnet viele Möglichkeiten, mit Leuten in Kontakt zu treten und ins Gespräch zu kommen. Die Akzente sind klar, ähnlich wie bei allen anderen Kollegen: Es geht darum, da zu sein für die Soldatinnen und Soldaten – egal, welchen Hintergrund sie haben –, bekannt zu werden und ihnen zu helfen.

Werden Sie an Auslandsmissionen teilnehmen?
Die Seelsorgebegleitung endet nicht an der deutschen Grenze. Wir sind noch relativ jung und im Aufbauprozess. Aber es war bereits ein jüdischer Kollege mit der Marine unterwegs, und in diesem Jahr gehen womöglich zwei weitere Kollegen in einen Einsatz. Wo immer wir gebraucht werden – wir sind da, das ist unsere Aufgabe.

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Sie sagten einmal, in Deutschland sei es wichtig, Wissen und Bildung zu vermitteln, um jüdisches Leben zu schützen. Inwieweit verfolgen Sie dieses Ziel auch bei der Truppe?
Das hat sich kein bisschen geändert, es ist ein zentraler Bestandteil meiner Arbeit. Die Bundeswehr ist ja ein Spiegelbild der Gesellschaft – Stichwort Bürger in Uniform –, und viele Soldatinnen und Soldaten hatten bisher kaum aktive Berührungspunkte mit jüdischem Leben oder jüdischer Tradition. Daher ist es sehr wichtig, Wissen zu vermitteln, Vorurteile abzubauen und durch das Gespräch und den Dialog eine positive Zusammenarbeit zu fördern.

Mit dem Militärrabbiner und Oberrabbiner der Jüdischen Gemeinde Duisburg-Mülheim/Ruhr-Oberhausen sprach Helmut Kuhn.

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