An diesen historischen Moment erinnert sich Margot Friedländer genau: 1948 lebte sie in New York. Dass der Staat Israel gegründet wurde, erfuhr sie aus der New York Times. »Es gab nur noch dieses Gesprächsthema«, erzählt die 93-jährige gebürtige Berlinerin und Schoa-Überlebende. »Mein Mann und ich verfolgten gespannt die Nachrichten.«
Von diesem Moment an hätten sie gewusst, wo ihr Platz sei, wenn sie nirgends sonst mehr willkommen wären. »Wir waren mit anderen Juden befreundet und feierten den Unabhängigkeitstag zusammen«, sagt die Zeitzeugin, die seit 2010 wieder dauerhaft in Berlin lebt, um in Einrichtungen in ganz Deutschland über ihr Leben zu berichten.
Israeltag Fest 67 Jahre später steht sie am Freitagnachmittag auf dem Wittenbergplatz und feiert wieder die Unabhängigkeit des Staates Israel. Der »I like Israel«-Tag nebst israelischen Spezialitäten wird jedes Jahr von der Deutsch-Israelischen Gesellschaft für Berlin und Potsdam (DIG) organisiert. In diesem Jahr ist es ein besonderes Fest. Denn diesmal stehen auch 50 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Deutschland und Israel im Mittelpunkt. »Es ist für mich ein wichtiger Tag. Da muss ich bei dem Fest dabei sein«, sagt Margot Friedländer.
Zahlreiche Organisationen und Institutionen nutzen die Gelegenheit, um sich mit Ständen am Wittenbergplatz zu präsentierten, darunter Verlage, die Zentralwohlfahrtsstelle mit dem Taglit-Birthright-Programm, das Jüdische Gymnasium Moses Mendelssohn und die Heinz-Galinski-Grundschule. Zudem werben Reisebüros für Urlaub in Israel, Makkabi Deutschland verkauft bedruckte T-Shirts, das ConAct-Koordinierungszentrum informiert über Jugendaustausch, Freunde von Meir Panim stellen aktuelle Projekte vor, und das
Kunstatelier Omanut präsentiert selbstgezogene Kerzen.
Atmosphäre Außerdem stellt sich die Initiative »Zeugen der Zeitzeugen« vor, bei der ehrenamtliche Mitarbeiter Schoa-Überlebende interviewen. Weitere Teilnehmer sind Aktion Sühnezeichen, das jüdische Bildungszentrum Chabad und der Jüdische Nationalfonds KKL. Mehr als 1000 interessierte Besucher sind gekommen, hören den Reden zu, lauschen und tanzen zu der Musik von Boris Rosenthal. Unter den Besuchern sind auch Rabbiner, Politiker und die Bezirksbürgermeisterin von Tempelhof-Schöneberg, Angelika Schöttler (SPD).
»Die Atmosphäre ist einfach schön«, schwärmt Boris Jakoby. Zuletzt demonstrierte er auf dem Wittenbergplatz während des Gazakrieges gegen Antisemitismus. »Nun freue ich mich, dass das der Vergangenheit angehört und wir unsere Heimat Israel richtig feiern können«, freut sich der 42-Jährige. Seine fünfjährige Tochter schwenkt gleich mehrere blau-weiße Fahnen in der Hand.
Auf der Bühne nebenan stehen der DIG-Vorsitzende Jochen Feilcke und Maya Zehden, Geschäftsführerin der Freunde der Hebräischen Universität Jerusalem in Deutschland. Gut gelaunt moderieren sie durch den Nachmittag. Es sei für ihn eine Freude, an die Geburt Israels und die Aufnahme deutsch-israelischer diplomatischer Beziehungen zu erinnern, sagt Feilcke.
doppelGeburtstag Dem stimmt der israelische Botschafter Yaakov Hadas-Handelsman zu. Er betont, es sei ein großes Vergnügen, alle Besucher zu begrüßen. Es sei ein Geburtstag in doppelter Hinsicht, sagt er. Der Botschafter erinnert auch an die »unfassbare Welle des Antisemitismus«, die alle Israelfreunde während des Gaza-Krieges im vergangenen Sommer tief erschüttert habe.
Indes würden die Beziehungen zu Deutschland wachsen und gedeihen. Israelis und Deutsche wüssten, dass die Entwicklung der Beziehungen beider Länder aufgrund der Vergangenheit nicht selbstverständlich sei. Diese Einzigartigkeit müsse allen weiterhin bewusst sein.
Als Feilcke Angelika Schöttler im Publikum entdeckt, die Bezirksbürgermeisterin von Tempelhof-Schöneberg, bittet er sie spontan auf die Bühne. Ob sie denn schon einmal in Israel gewesen sei, will er von der Politikerin wissen – was die Bezirksbürgermeisterin bejaht. Aus dem Stegreif berichtet sie von Begegnungen zwischen Jugendlichen aus dem Bezirk Tempelhof-Schöneberg und dessen israelischer Partnerstadt Nahariya.
Austausch Mittlerweile beteiligten sich an dem Austauschprogramm auch Jugendliche aus Mersin in der Türkei. Sie sei immer wieder überrascht, wie gut der Austausch funktioniere und wie viele Freundschaften sich daraus entwickelten. Moderator Feilcke lädt die Politikerin daraufhin zu einem Vortrag der DIG ein. Auch andere Initiativen und Organisationen berichten im Lauf des Nachmittags auf der Bühne von ihren Aktivitäten.
DIG-Chef Feilcke kann sich noch vage an die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Israel und Deutschland erinnern. Damals war er gerade einmal 22 Jahre alt. Lala Süsskind sagt, sie habe sich als Kind gewundert, warum so viel Aufhebens darum gemacht wurde. Aber dann sei ihr die Besonderheit klar geworden. Seitdem empfinde sie die Beziehung als »wunderbar«, sagt die 68-Jährige. Seit vielen Jahren engagiert sich die ehemalige Berliner Gemeindevorsitzende in der DIG.
Projekt Die 14-jährige Rachel schlendert mit ihren Eltern und großen Geschwistern von Stand zu Stand. »Wir wollen mal schauen, was so los ist«, sagt die Schülerin. Sie interessiert sich vor allem für das Projekt »Zeugen der Zeitzeugen«. Was sie bisher davon gehört hat, macht sie neugierig. Sie könne sich gut vorstellen, sagt die Schülerin, selbst Interviews mit Schoa-Überlebenden zu führen.
»Es ist eine würdige Feier – es sind viele Besucher da, die Atmosphäre ist gut, und ich finde es schön, dass viele Leute zur Musik tanzen«, zieht Margot Friedländer Bilanz. Zum Abschluss des ILI-Tages steigen wie jedes Jahr blau-weiße Luftballons in den Berliner Himmel.