Bildung

»Wir wachsen und gedeihen«

Noga Hartmann Foto: Rafael Herlich

Frau Hartmann, die Frankfurter Lichtigfeld-Schule feiert ihr 50. Jubiläum, die Berliner Heinz-Galinski-Schule ihr 30. Ist jüdische Bildung in Deutschland angekommen?
Ich glaube, ja. Die jüdischen Schulen sind etabliert. Wir sind in mancher Hinsicht auch ein Vorbild geworden. Zum Beispiel bei der Sicherheit. Das Thema Terror beschäftigt die Leute zunehmend. Die jüdischen Schulen sind sichere Schulen. Die Gemeinden investieren nicht nur in die Bildung, sondern auch in die Sicherheit der Kinder. Man weiß, bei uns werden Krisensituationen regelmäßig geübt, wir haben Konzepte, Schleusen, Personal, die Kinder sind dafür sensibilisiert. Da sind andere Schulen noch ganz am Anfang.

Welche Aspekte werden außerdem wahrgenommen?
Individuelle Betreuung, kleine Klassen, breites Angebot – das zeichnet uns aus. Die Eltern wissen, ihre Stimme zählt. Sie reden und gestalten den Bildungsweg ihres Kindes mit. Das wissen auch nichtjüdische Eltern zu schätzen.

Warum schicken Eltern ihre Kinder auf eine jüdische Schule?
Jüdische Schulen haben den Ruf, bildungsnah zu sein, sich um ihre Kinder zu kümmern und eine familiäre Atmosphäre zu schaffen – mit Schabbat, Rabbinern, Gemeinschaft. Dieses »Networking«, das Gemeinschaftsleben, hat uns geprägt. Kinder brauchen familiäre Atmosphäre. Sie brauchen Werte. Die jüdischen Schulen bieten genau das an: Wir behüten die Kinder, aber geben ihnen auch vieles mit auf den Weg. Das wird ebenso in der nichtjüdischen Schullandschaft wahrgenommen.

Was hat sich seit den Anfängen verändert?
Unsere Schulen sind allesamt Teil der Bildungslandschaft: Sie tragen etwas dazu bei, nehmen an Wettbewerben teil, tauschen sich mit anderen Schulen aus. Das ist genau das, was wir mitgeben: Zum einen erziehen wir nach der jüdischen Tradition und leben sie auch in den Schulen. Zum anderen – und das ist ganz wichtig – sind wir ein Teil der Gesellschaft. Als solcher müssen wir zu ihr beitragen – weil es Tikkun Olam ist, weil es den Ort, an dem wir leben, zu einem besseren Ort macht. Das ist unsere Aufgabe.

Wohin entwickeln sich die jüdischen Schulen in Deutschland?
Speziell für die Lichtigfeld-Schule ist es die Einrichtung der gymnasialen Oberstufe mit Abitur – so wie es vor dem Zweiten Weltkrieg war. Ich sehe das sehr positiv. Im Trend betrachtet, sind die jüdischen Schulen im Aufbau – siehe Düsseldorf und München. Sie wachsen und gedeihen.

Ist das Teil der Normalisierung?
Es geht auf jeden Fall in diese Richtung. Als ich aufwuchs, war die Schoa sehr präsent. Die Kinder heute sind in eine andere Welt geboren. Die EU bietet uns ganz andere Gestaltungsmöglichkeiten. Aber natürlich gibt es darin auch Schattierungen wie das Erstarken der Rechtspopulisten. Doch die Geschichte hat uns gelehrt, weiterzumachen – für die Zukunft, für die Kinder, für ihre selbstbewusste Identität.

Mit der Direktorin der Lichtigfeld-Schule sprach Katharina Schmidt-Hirschfelder.

Porträt der Woche

»Ich glaube an junge Menschen«

Ruchama Stern arbeitet mit Kindern und engagiert sich im Schüleraustausch

von Alicia Rust  23.02.2025

Bundestagswahl

Sie wollen mitentscheiden

Warum die Bundestagswahl für viele Jüdinnen und Juden etwas Besonderes ist

von Christine Schmitt  22.02.2025

München

Mäzen und Mentsch

Der Tod von David Stopnitzer ist ein großer Verlust für die jüdische Gemeinde

von Ellen Presser  22.02.2025

Oldenburg

Judenfeindliche Schmierereien nahe der Oldenburger Synagoge   

Im vergangenen Jahr wurde die Oldenburger Synagoge Ziel eines Anschlags. Nun meldet eine Passantin eine antisemitische Parole ganz in der Nähe. Die Polizei findet darauf noch mehr Schmierereien

 21.02.2025

Berlin

Eine krasse Show hinlegen

Noah Levi trat beim deutschen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest an. In die nächste Runde kam er nicht, seinen Weg geht er trotzdem

von Helmut Kuhn  20.02.2025

Thüringen

Antisemitismus-Beauftragter soll »zeitnah« ernannt werden

Seit Dezember ist der Posten unbesetzt. Dem Gemeindevorsitzenden Schramm ist es wichtig, dass der Nachfolger Zeit mitbringt

 19.02.2025

Weimar

Erlebtes Wissen

Eine Fortbildung für Leiter jüdischer Jugendzentren befasste sich mit der Frage des zeitgemäßen Erinnerns. Unsere Autorin war vor Ort dabei

von Alicia Rust  18.02.2025

Bundestagswahl

Scharfe Worte

Über junge politische Perspektiven diskutierten Vertreter der Jugendorganisation der demokratischen Parteien in der Reihe »Tachles Pur«

von Pascal Beck  18.02.2025

Justiz

Vorbild und Zionist

Eine neue Gedenktafel erinnert an den Richter Joseph Schäler, der bis 1943 stellvertretender IKG-Vorsitzender war

von Luis Gruhler  18.02.2025