»Zutiefst erschüttert«
Immer gut gelaunt, nie um einen Scherz verlegen und absolut zuverlässig: Helmut Reister war ein Kollege, wie man ihn sich nur wünschen kann. Oft zwischen einem Termin bei Gericht oder einer eiligen Recherche hin und her jonglierend, hat er mit demselben Einsatz über die jüdische Gemeinde in München berichtet. Stets war auf ihn Verlass, er reagierte sofort auf Nachfragen oder kurzfristige Änderungen. Manchmal sprach er über eine »heiße« Geschichte, an der er gerade dran war, immer mit der gebotenen Diskretion, persönliche Worte fielen, wenn das Professionelle abgehakt war. Nicht nur sein süddeutsches Temperament, auch die fränkische Mundart zeichnete ihn aus und machte ihn mir im Handumdrehen sympathisch. Umso mehr, als ich eines Tages von ihm erfuhr, dass auch er ein großer Katzenfreund war und einen Kater hatte, der ihm ein guter Gesellschafter war. Noch am Sonntagabend schrieb er mir und schickte seinen letzten Artikel für die Zeitung. Am Montag blieben die üblichen Telefonate, die gewohnten Mails aus, meine Anrufe und Nachrichten unbeantwortet. Als ich am nächsten Tag immer noch nichts von ihm hörte, machte ich mir Sorgen, fragte bei der IKG nach. Wenn Helmut Reister sich nicht meldete, musste etwas vorgefallen sein. Am Mittwochmorgen dann die traurige Gewissheit. Die Nachricht von seinem Tod hat mich zutiefst erschüttert. Wir hatten uns mehrmals vorgenommen, uns in München zu treffen. Dazu wird es jetzt nicht mehr kommen. (Bettina Piper)
»Ein exzellenter Journalist«
»Alles klar bei Ihnen?« war so eine übliche Einstiegsfrage von Helmut Reister, aus der manchmal nur Geplauder (»Sind Ihre Tomaten schon reif?«) wurde, aus der aber oft sehr wertvolle Gespräche erwuchsen. Er gab Tipps (»Das habe ich bei einer Recherche gefunden, das könnte Sie interessieren!«), er wollte Tipps (»Können Sie mir da einen Kontakt nennen?«), wir wollten gegenseitig Einschätzungen hören (»Was meinen Sie, lohnt es, da nachzuhaken?«), und er berichtete von Ärger, den ein exzellenter Rechercheur, wie er es war, beinahe selbstverständlich auf sich zog. Die »Modellauto-Affäre«, die die CSU-Politikerin Christine Haderthauer ins Karriereaus beförderte, ging auf Reisters Recherchen zurück. Auch den »Fall Mollath«, einen Justizirrtum, der später verfilmt wurde, hat Reister mit aufgehellt. Und der »Wehrsportgruppe Hoffmann« konnte der exzellente Journalist viel Schaden zufügen und wurde entsprechend bedroht. Man könnte nun die Legende stricken vom Journalisten-Urvieh, getrieben von nichts als dem Willen zur Wahrheit, rastlos hinter der großen Geschichte her jagend und dabei nie an sich selbst denkend. Helmut Reisters Leben würde dafür Stoff geben, aber dass dabei viel Fassade war, gab er gerne zu. Warum er nicht endlich in Rente gehe, hatte ich ihn einmal leicht respektlos gefragt. Er könne nicht, war seine Antwort: Vor mehr als zwei Jahrzehnten hatte er mit seiner Frau eine Agentur aufbauen wollen, sie hatten viel in digitale Technik investiert. Doch seine Frau starb, die Firma ging in Insolvenz, dabei wurde auch seine private Rentenversicherung kassiert, und Helmut Reister musste ohne Altersgeld immer weiter arbeiten. Ich bat für meine flapsige Frage um Verzeihung, Reister antwortete: »Da müssen Sie sich nicht entschuldigen. Ist halt so.« (Martin Krauß, bis 2020 Redakteur der Jüdischen Allgemeinen)
»Derb und herzlich zugleich. Ein Sauhund«
Von Helmut Schmidt ist die Anekdote überliefert, dass er das wenige, was er aß, lieber trank. Und zwar in Form von Coca-Cola, Süßigkeiten und literweise Filterkaffee mit viel Zucker und Milch. Auf Helmut Reister traf das allemal zu. Das erste Mal traf ich ihn vor fünf Jahren am Münchner Viktualienmarkt zum Arbeitsfrühstück. Bei der Kellnerin, die ihn anscheinend schon kannte, bestellte er das »Journalistengedeck«. Auf meine Frage, was das denn sei, sagte er im breitesten Fränkisch, also derb, aber auf eine sonderbare Art und Weise herzlich zugleich: »Das wissen Sie nicht? Ich kann mit Ihrer Generation nichts anfangen!« Wenige Minuten später kam die Kellnerin und servierte ihm einen doppelten Espresso, ein Kännchen Kaffee und eine Flasche Coca-Cola Zero. Während unseres Gesprächs kamen noch etliche Zigaretten hinzu. Aus einer Zigarette mit Meister Reister, wie wir ihn nannten, wurde schnell mal eine ganze Schachtel. Getroffen habe ich ihn alles in allem nur vier oder fünf Mal. Aber es gab Phasen, in denen wir täglich mehrmals miteinander telefonierten. Ein typischer Anruf von ihm begann in der Regel ohne Begrüßung, meistens mit einer politisch nicht ganz korrekten Frotzelei. »Was gibt’s Neues vom Schah?«, fragte er dann in Anspielung auf die Herkunft des Autors dieser Zeilen. Oder: Korrektes Deutsch müssen wir dem jüdischen Taliban noch beibringen. Einen falschen Ton hatten seine Schmutzeleien nie, lustig fand ich sie immer. Ich meinerseits quittierte es mit einem »Sauhund!«. Anrufen wird er jetzt nicht mehr. Wir werden ihn sehr vermissen. (Philipp Peyman Engel)
»Ne echte Type. Er liebte das, was er tat«
»Frau Richter, also, sind wir wieder einmal dran ...«, so begannen viele Telefonate mit Helmut Reister. Er rauchte nebenbei, er sprach mit einem schweren »r«. Wie er wohl aussehen würde, fragte ich mich. Dieser Mann mit dieser Stimme. Er redete nie lange um den heißen Brei herum und hatte, wenn alles Wichtige geklärt und besprochen war, Zeit für einen kleinen Schnack. Über Nürnberger und Berliner Eigenheiten, über interessante und oftmals auch seltsame Begegnungen und über Musik. Helmut Reister war offenbar ein richtiger Rocker und erzählte, wie er in jungen Jahren nachts auf abenteuerliche Weise mit Freunden nach London flog, um zum Beispiel die Stones zu sehen. Die Stones! Wie aufregend das gewesen sein muss. Helmut Reister nahm mich danach noch des Öfteren mit auf eine erzählerische Reise in seine musikalische Vergangenheit, berichtete, wie er hinter der Bühne von »Rock im Park« diesen und jenen traf. Er war »ne echte Type«, er liebte das, was er tat. Er lebte es. Rock in Peace, Helmut Reister! (Katrin Richter)
»Immer auf Augenhöhe, mit Respekt und Vertrauen«
»Hallo Marina, passen Sie auf, ich mache eine Geschichte«, so begann Helmut Reister oft unsere regelmäßigen Telefonate. Die letzten sieben Jahre habe ich für seine Geschichten für die Münchner Seite der Jüdischen Allgemeinen Fotos gemacht. Er war immer sachlich, immer genau, immer korrekt, hatte zwar nie Zeit für lange Gespräche, war aber immer aufmerksam für sein Gegenüber und ganz Ohr für Persönliches. Kurz und knapp konnte er immer einen guten Rat geben und mich mit Witz oder mit einem »Sie kriegen das schon hin« unterstützen. Mit solch einem Profi zu arbeiten, ist eine Sache, die nicht jedem vergönnt ist. Ich hatte das Glück. Für mich war Helmut Reister ein Journalist in Großbuchstaben. Immer auf Augenhöhe, mit Respekt und Vertrauen. Wenn ihm meine Fotos besonders gut gefallen haben, kam als kurze Reaktion ein »Prima«. Wir haben uns nicht oft gesehen. Wenn er doch bei einer Veranstaltung dabei war, ging er bald wieder. Das Wichtigste hatte er gleich erfasst und keine Zeit für lange Runden. Die nächsten Termine und Aufgaben warteten schon. Seine Texte waren präzise und genau. Er kannte das Leben so gut, hat an das Gute geglaubt und mit seinem Stift gekämpft. Er hatte Interesse an der Geschichte, am Inhalt, er wollte mit seiner Arbeit etwas bewegen. Journalismus war seine Welt und seine Berufung. Mir wird so ein Kollege an meiner Seite unendlich fehlen. (Marina Maisel, freie Fotografin, die jahrelang mit Helmut Reister zusammenarbeitete)