Frau Donath, am Donnerstagabend legt der Zentralrat der Juden in Berlin die Grundlage für eine Jüdische Akademie. Was ist geplant?
Noch sind wir nicht bei der Akademie, sondern wir sind eine Bildungsabteilung. Wir haben vor, die Gemeinden, verschiedene jüdische Institutionen und Mitglieder der Gemeinden für die Idee einer jüdischen Akademie zu gewinnen.
Worin wird der Schwerpunkt Ihrer Arbeit liegen?
Ziel des Zentralrats ist es, die bestehenden Angebote, also die Seminare als Service für die Gemeinden, unter einem Dach zu bündeln und neue, innovative Angebote einzuführen.
Diese Seminare gibt es ja schon seit vielen Jahren. Fallen die dann weg?
Nein, diese Angebote wird es in regelmäßigen Abständen weiterhin geben, sodass die Gemeinden sie nach wie vor für ihre Vorstände, die Geschäftsführung und das Personal einplanen können. Dabei bleiben die Themen bestehen, also Haushaltsführung, Projektmittelabrechnung, Wahlen und Satzung. Alles Dinge, die Vorstände und Mitarbeiter brauchen, um sich individuell qualifizieren zu können.
Wie kam es zu der Idee, eine eigene Bildungsabteilung und später eine Jüdische Akademie aufzubauen?
Die Idee gibt es schon seit vielen Jahren. Wahrscheinlich seit vielen Jahrzehnten. Der Ansatz dazu lag schon weit vor dem Zweiten Weltkrieg in den jüdischen Lehrhäusern, die bis 1938 existierten. Damals waren das innovative Lehrhäuser, in denen nicht klassisch frontal unterrichtet wurde, sondern wo Menschen miteinander diskutierten. Über Theologie hinaus wurden auch ethische und philosophische Texte besprochen. In den vergangenen Jahren war immer wieder die Forderung nach einer Jüdischen Akademie zu hören. Bereits seit den 50er- und 60er-Jahren gibt es christliche und gewerkschaftliche Akademien. Mit dem neuen Staatsvertrag haben wir nun endlich die Möglichkeit, auch unsere Akademie zu verwirklichen.
Haben Sie sich bei den christlichen oder auch gewerkschaftlichen Akademien Anregungen geholt, was beispielsweise die Gestaltung des Programms betrifft?
Ehrlich gesagt, die Programme existierten schon lange in den Köpfen und liegen in den Schubladen. Natürlich lassen wir uns immer inspirieren, aber es war gar nicht nötig, sich Ideen anzusehen, denn nach unserem Verständnis ist es relativ klar, welche Themengebiete wir ins Zentrum stellen müssen, um verschiedene Milieus und Gruppen der jüdischen Gemeinden anzusprechen.
Werden Sie mit anderen Akademien zusammenarbeiten?
Wenn wir den Statuts einer jüdischen Akademie erreicht haben, dann sicherlich. 2013 ist unser Konsolidierungsjahr, in dem wir uns noch Bildungsabteilung nennen und die Grundlagen legen. Jetzt geht es erst einmal darum, das Angebot in unserer jüdischen Gemeinschaft bekanntzumachen und es weiterzuentwickeln. Erst dann können wir nach außen treten.
Wie passt sich dieses Bildungsangebot den unterschiedlichen Strukturen und auch Größen der Gemeinden an?
Das ist ein entscheidender Punkt, denn die Zuwanderung hat unsere Gemeindelandschaft sehr geprägt. Die Gemeinden sind höchst unterschiedlich. Das bedeutet auch, dass es eigentlich kein kongruentes Programm geben kann, das zu allen passt. Wir versuchen, einen Querschnitt aller Bereiche anzubieten, damit sich unterschiedlichste Gemeinden und vor allem deren Mitglieder angesprochen fühlen.
Wie sieht der Querschnitt genau aus?
Wir haben erst einmal drei Kategorien entwickelt. Zum einen das Seminarprogramm für die Mitarbeiter, die sich professionell weiter qualifizieren wollen. Interessierten Mitgliedern möchten wir ein kulturell-literarisches Programm anbieten. Im Bereich »Jüdisches Wissen« werden hingegen hebräische und jüdische Literatur besprochen sowie Integrations- und Identitätsfragen berührt. Die Beschneidungsdebatte hat gezeigt, wie wichtig auch die innerjüdische Auseinandersetzung mit Identitätsfragen ist. Wir wollen uns beispielsweise mit der Philosophin Hannah Arendt beschäftigen, die durch den Film von Margarethe von Trotta gerade wieder aktuell ist. Unser Bildungsangebot soll auch Mitglieder ansprechen, die nicht unbedingt an die Gemeinden angebunden sind. In diesem Zusammenhang sind Workshops, Vorträge und Filmabende geplant.
Wie finden sich junge Gemeindemitglieder in der Bildungsabteilung wieder?
Alle Gemeinden haben das gleiche Problem: zu wenig Nachwuchs. Die jungen Leute sagen: Was soll ich noch mit dem abstrakten Gebilde Gemeinde anfangen? Und Bildungsangebote sind immer ein gutes Vehikel für neue Kontakte und Netzwerke unter jungen Leuten. Wir möchten die 15- bis 30-Jährigen ansprechen, indem wir aktuelle Fragen aufgreifen. Zum Beispiel: Wie geht es weiter im Nahen Osten? Wie gehe ich als jüdische Minderheit mit Antisemitismus und Israelkritik um, wenn ich damit konfrontiert werde? Die Reihe ließe sich beliebig fortsetzen.
Also werden Sie auch Argumentationshilfen geben.
Genau. Wir planen dazu ein richtiges Training und versuchen, es mit Fachleuten umzusetzen. Diesen Bedarf nach Argumentationslinien, auch wenn man selbst zum Beispiel mit politischen Dingen nicht einverstanden ist, möchten wir abdecken.
Wird die Akademie auch online präsent sein?
Wir werden sicherlich einen Internetauftritt haben und möchten die modernen Medien vollumfänglich nutzen. Im Moment informiert man sich am besten über die Webseite des Zentralrats (www.zentralratdjuden.de).
Wie geht es konkret nach der Eröffnung weiter?
Auch wenn ich keine Fußballspielerin bin, sage ich: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Wir haben für dieses Jahr zwölf Veranstaltungen geplant. Das nächste große Event ist eine Begegnung von Lehrern und Lehrerinnen jüdischer Schulen auf europäischer Ebene und das Seminar zu Hannah Arendt.
Mit der Leiterin der Bildungsabteilung sprach Katrin Richter.