Frau Goudz, Sie sind seit dem 1. April neue Geschäftsführerin des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden Nordrhein. Was haben Sie sich für Ihr neues Amt vorgenommen?
Wir wollen auch weiterhin verstärkt unsere Gemeinden bei ihrer Arbeit unterstützen. Zwei Stichwörter wären dabei Digitalisierung und politische Kommunikation. Wir sind aber auch als Interessensvertretung der Ansprechpartner für alle Behörden, für die Landesregierung, deswegen wollen wir unsere schon sehr gut aufgestellten breiten Netzwerke stärken und pflegen.
In welchen Bereichen haben Sie gearbeitet, bevor sie zum Landesverband kamen?
Nach meiner Tätigkeit im Salomon Ludwig Steinheim-Institut und in der Forschung am Institut für Kunstgeschichte der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf habe ich das Internationale Besucherprogramm des NRW KULTURsekretariats in Wuppertal geleitet. Später habe ich am European Center for Creative Economy die EU-Strategie verantwortet.
Was bedeutet die Corona-Krise für Ihre Arbeit?
Wir befinden uns ja – wie alle anderen auch – in einer noch nie da gewesenen Situation. Unsere Gemeinden leisten momentan Unglaubliches in allen Bereichen. Der Landesverband wird seine Ziele, die er sich über viele Jahrzehnte gesteckt hat − wir begehen in diesem Jahr unser 75. Jubiläum − weiterhin verfolgen: die Gemeinden zu unterstützen. Das alles passiert natürlich vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse. So werden vielleicht die Methoden andere sein.
Wie reagieren die Gemeinden im Landesverband auf die aktuelle Situation?
Allen war sofort klar, dass wir die Risikogruppen, die allein schon demografisch eine große Zahl ausmachen, umgehend ansprechen müssen. Gerade vor Pessach haben wir, unter Berücksichtigung aller Schutzvorkehrungen, nach Wegen gesucht, wie Lebensmittel zu den Menschen nach Hause kommen. Vor Ort gab es eine große Solidarität. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben Telefonseelsorgen eingerichtet. Viele Menschen rufen die Hotlines der Gemeinden an und erzählen, dass sie sehr besorgt sind.
Welche Herausforderungen stellen sich dabei?
Die der Sprache, denn nicht alle Mitarbeiter können in der Telefonseelsorge arbeiten, wenn sie nicht des Russischen mächtig sind. Aber alle Gemeinden haben ihre Leute im Blick, haben schnell reagiert, und das finde ich herausragend. Man muss auch immer bedenken, dass die Gemeinden mit Herausforderungen dieser Intensität bislang noch nicht konfrontiert wurden.
Wie konnten Sie dabei ganz konkret helfen?
Wir haben eine Handreichung erstellt, in der wir zum Beispiel Tipps geben, wie Nachbarschaftshilfe auf die Beine gestellt oder wie eine Versorgungskette eingerichtet werden kann. Die Gemeinden haben es toll umgesetzt.
Wie ist der Austausch zwischen den Landesverbänden?
Er ist immer sehr konstruktiv, und ich erhalte dadurch verschiedene Perspektiven. Nordrhein-Westfalen ist als Bundesland etwas Besonderes. Wir haben die höchste Bevölkerungsdichte, das Ruhrgebiet und das Rheinland sind zum Beispiel ganz anders als Westfalen-Lippe. All diese Herausforderungen, die das Bundesland hat, spiegeln sich in den Gemeinden und Landesverbänden wider. Daraus können wir ein gutes Ganzes formen.
Was nehmen Sie aus dieser aktuellen Situation mit?
Sie wird unsere Arbeit nachhaltig verändern. Vielleicht wird das Land auch anders aussehen. Wir werden neue Herausforderungen haben, und einige Themen werden weiterhin aktuell bleiben.
Mit der Geschäftsführerin des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein sprach Katrin Richter.