Das Jubiläumsjahr »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland« nimmt in Westfalen-Lippe Fahrt auf. An zahlreichen Veranstaltungen wird sich die Jüdische Gemeinde Gelsenkirchen beteiligen, die 2020 aufgrund der Corona-Pandemie ihr 150-jähriges Bestehen in der Ruhrgebietsstadt nicht feiern konnte. »Aber auch jetzt lohnt es sich, Geschichte und Gegenwart jüdischer Existenz zu zeigen«, sagt die Gemeindevorsitzende Judith Neuwald-Tasbach.
Workshop Kern der Aktivitäten werde die Ausstellung »Jüdisches Leben in der westfälischen Industriestadt Gelsenkirchen« sein. Aber daneben freut sich Neuwald-Tasbach über »zahlreiche Projekte in Gelsenkirchen mit Kooperationspartnern«, Schauspielworkshops mit Jugendlichen, Konzerte und Theateraufführungen, Führungen über den jüdischen Friedhof und durch die Synagoge der 320-Mitglieder-Gemeinde.
»Wir sind tief in der Stadt verwurzelt«, betont die Gemeindevorsitzende – einer Stadt, in der Schalke-Fans sich auf die Spuren jüdischer Fußballer begeben wollen. Das Festjahr biete die »einmalige Chance, auf vielen Ebenen breit gefächert über jüdisches Leben zu informieren«, freut sich Judith Neuwald-Tasbach.
»Unsere Türen stehen offen«, betont die Vorsitzende der Jüdischen Kultusgemeinde Bielefeld Beit Tikwa, Irith Michelsohn. Die Reformgemeinde wird sich ebenfalls mit einer Vielzahl von Aktivitäten in der Stadt und im Umland Ostwestfalens an #2021JLID beteiligen. »Wir gehören dazu«, betont Michelsohn. Dieses Motto lebe die Gemeinde seit der Eröffnung der neuen Synagoge 2008 auch mit Stadtteilarbeit und Sozialprojekten.
Ausstellung Neben einem Vortrag »800 Jahre Jüdisches Leben in Bielefeld« und der Ausstellung »Jekkes in Israel« wird die Gemeinde in Kooperation mit der Reformgemeinde in Unna die Klanginstallation »selbstverständlich – mit leerstellen« des Bielefelder Klangkünstlers und Komponisten Marcus Beuter präsentieren, die außerdem in der Fußgängerzone von Bielefeld als akustische Endlosschleife zu hören sein wird und an die Schoa erinnern soll. Im Rahmen der bundesweiten Aktion »Sukka XXL« lädt die Gemeinde in ihrem Garten Besucher ein, in ihrer Sukka Platz zu nehmen. »Wir wollen nicht als Exoten wahrgenommen werden«, sagt Irith Michelsohn.
Wie in Bielefeld lautet in vielen jüdische Gemeinden das Motto: »Unsere Tore stehen offen!« – unter den Bedinungen der Pandemie.
Neue Impulse von Besuchern und den jüdischen Gemeinden erhofft sich im Rahmen des Festjahres auch die Leiterin des Jüdisches Museums Westfalen in Dorsten, Kathrin Pieren. Mit einem Sederabend, den die Jüdische Kultusgemeinde Kreis Recklinghausen organisiert, biete das Museum Gelegenheit, zu erleben, wie Juden jährlich den Auszug aus Ägypten feiern. Aber es solle nicht nur Vergangenes präsentiert, sondern mit Poetry Slam, Comedy und Digitalprojekten Judentum in seiner Aktualität reflektiert werden. Deshalb wende sich das Museum an ein junges jüdisches und nichtjüdisches Publikum. »Wir wollen dabei die jüdisch-westfälische Geschichte und das heutige Leben widerspiegeln«, sagt Pieren.
Jugend An 14- bis 25-Jährige richtet sich in Kooperation mit der Jüdischen Gemeinde Paderborn das Multimedia-Projekt »Blickwinkel Jugend – Jüdisches Leben in Westfalen-Lippe« mit Schreib- und Theaterworkshops sowie verschiedenen Poetry-Videoclips. Daneben wird es ab Mai von Bochum ausgehend Besuche zu und Veranstaltungen in den wenigen erhaltenen Landsynagogen in Westfalen in Borgentreich-Borgholz, Coesfeld, Drensteinfurt, Gronau-Epe, Hagen-Hohenlimburg, Neheim, Petershagen und Selm-Bork geben, die vom Landesverband Jüdischer Gemeinden in Westfalen-Lippe organisiert werden.
Kulinarisch geht es in der koscheren Küche der Jüdischen Gemeinde Münster zu, wo die Profiköchin Elke Schmitz-Schmeller gemeinsam mit dem Gemeindekochteam zeigt, wie »jüdische Küche im Münsterland« mundet. Für viele stehe die koschere Küche auch für gesundes Essen, freut sich der Gemeindevorsitzende Sharon Fehr.
Mit der Wanderausstellung »Menschen, Bilder, Orte – 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland«, die vom Landschaftsverband Rheinland kuratiert wird, mit Podcastserien über »Jüdische Geschichten aus Münster« oder Tanz- und Theaterperformances ergebe sich die Chance, Vorurteilen vor Ort durch Information direkt zu begegnen. Und Sharon Fehr betont: »Wir wollen Einblick geben in jüdisches Leben und gleichzeitig selbst über den eigenen Tellerrand schauen.«