Das Thema beherrscht seit Wochen die Gespräche in den Gemeinden, Jugendzentren und Synagogen – je näher der Termin für die European Maccabi Games (EMG) rückt, umso mehr wächst die Vorfreude. 37 Ortsvereine gibt es derzeit unter dem Dach von Makkabi Deutschland – so gut wie alle haben seit Januar Flyer, Broschüren und Plakate in den Gemeindezentren verteilt. »Die Infos wurden uns geradezu aus der Hand gerissen«, erzählt Heinz Nossen, Vorsitzender von TuS Bar Kochba Nürnberg. Auch in der Synagoge sei die bevorstehende Fahrt nach Berlin Topthema beim Kiddusch.
Aus Nürnberg fahren 80 EMG-Begeisterte nach Berlin: 60 Jugendliche vom Jugendzentrum (Juze) und 20 Gemeindemitglieder. »Als wir das Angebot vom Zentralrat bekamen, sind wir sofort aktiv geworden«, erzählt Juze-Leiter German Djanatliev: Der Zentralrat übernimmt einen Großteil der Kosten für Fahrt und Eintritt, die Gemeinde bezuschusst die Übernachtung. »Jeder Teilnehmer zahlt so nur 20 Euro – wir hatten daraufhin mehr als 150 Anmeldungen«, sagt Djanatliev. Der Bus nach Berlin sei voll.
aufschwung »Es gibt keine Plätze mehr – wer hätte das gedacht«, sagt Nossen anerkennend. Noch vor 20 Jahren war er das einzige jüdische Mitglied bei TuS Bar Kochba. Mittlerweile ist die Zahl der Gemeindemitglieder von 230 auf das Zehnfache angewachsen – dank der Zuwanderung aus der ehemaligen Sowjetunion.
Dieser Aufschwung jüdischen Lebens mache sich auch im Sport bemerkbar, meint Ariel Keselmann. Als Repräsentant von Makkabi Deutschland ist der Dortmunder Makkabi-Chef für die Kontaktpflege mit den Ortsvereinen zuständig, die vorwiegend aus russischsprachigen Mitgliedern bestehen. »Fast die Hälfte unseres 380-köpfigen EMG-Teams hat Wurzeln in der ehemaligen Sowjetunion«, sagt der 63-Jährige.
Seit Dezember 2014 sei keine Präsidiumssitzung ohne EMG-Planung vergangen. Allein aus seinem Heimatverein reisen etwa 50 Personen an. »Die Leute sind begeistert«, schwärmt der Makkabi-Mann. Sie fahren nach Berlin, um ihre Fußballerinnen, Schachspieler und Schwimmer anzufeuern, vor allem aber, um den einen besonderen Moment mitzuerleben: die Eröffnung in der Berliner Waldbühne. »Jeden Tag fragen sie: Welche Länder schicken Athleten? Welche Veranstaltungen plant Makkabi? Wie sieht das Programm aus? Ich hoffe sehr, dass die EMG uns noch mehr Athleten bringen werden, auch für die nächste Welt-Makkabiade in Israel«, betont Keselmann.
begeisterung Auch Heinz Nossen erhofft sich für seinen Nürnberger Ortsverein frischen Wind dank EMG. »Wer mit so viel Begeisterung zu den jüdischen Europameisterschaften fährt, der kommt vielleicht mit neuem Ansporn zurück, um sich TuS Bar Kochba anzuschließen«, sagt der Nürnberger Vereinschef.
Auch in anderen Städten laufen die Reisevorbereitungen auf Hochtouren. »Ich habe das Gefühl, seit der Juli angefangen hat, ist die Aufregung vor den EMG sprunghaft gestiegen«, sagt Roman Zurek, Leiter von Makkabi Frankfurt. Aus der Gemeinde gibt es bislang 24 Anmeldungen.
Sie hat einen Bus gechartert und unterstützt die Reise nach Berlin auch finanziell – mit Lunchpaketen und Zuschüssen zur Übernachtung.
Marlit Bachmann koordiniert die Anmeldungen. Sie hat mittlerweile die Frist verlängert, denn es sind noch Plätze vorhanden. Die meisten Frankfurter würden jedoch lieber auf eigene Faust nach Berlin reisen, erzählt Zurek, darunter Familien und Freunde der Frankfurter Fußballer, Tennis- und Hockeyspieler. Denn mit 1300 Mitgliedern ist Makkabi Frankfurt der größte Ortsverein. »Alle spüren, dass da etwas ganz Großes bevorsteht«, fasst der Frankfurter Makkabi-Leiter seine Eindrücke zusammen.
gemeinsamkeit Davon ist auch Ariel Keselmann überzeugt. »Ich glaube – nein, ich weiß es 100-prozentig: Diese Veranstaltung wird in die Geschichte Deutschlands eingehen.« Dazu wollen auch die Sportler aus ganz Deutschland beitragen. »Wir trainieren seit Monaten voller Vorfreude und wollen für die angereisten Unterstützer unseren Traum von einer Medaille verwirklichen«, sagt etwa Futsalspieler Kevin Hornik, der derzeit in London lebt, aber für Deutschland antritt. Bei den EMG könne man erleben, »wie schön und gefestigt jüdisches Leben in Deutschland geworden ist«.
Daniil Fissenko aus Hamburg startet im Schwimmen. Dafür trainiert der 20-Jährige viermal wöchentlich. »Ich war schon bei Makkabiaden in Israel und Wien dabei – und jetzt Berlin. Es ist immer wieder ein großartiges Ereignis.«
German Djanatliev plant, seine Jugendlichen auch durch das jüdische Berlin zu führen. Ihm geht es neben Gemeinsamkeit auch um Geschichte. Die Jugendlichen sollen begreifen: »Makkabi, das ist etwas, das uns gehört.«