Mit einem Aufruf zum entschlossenen Kampf gegen Antisemitismus ist am Sonntag in Nürnberg die bundesweite »Woche der Brüderlichkeit« gestartet. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bezeichnete Antisemitismus als einen Angriff auf die gesamte Gesellschaft.
Es beschäme ihn zutiefst, dass dieser in Deutschland wieder »häufiger und offen seine Fratze« zeige. Er wünsche sich deshalb ein deutliches Signal: »Wer ein freiheitliches, ein lebenswertes Land will, der muss einstehen und aufstehen gegen Antisemitismus in jeder Form.«
UNVERHOHLEN Steinmeier nannte Antisemitismus auch einen Seismografen für den geistigen und moralischen Zustand einer Gesellschaft. »Je offener und unverhohlener Antisemitismus zutage tritt, umso mehr sind Respekt und Vernunft, umso mehr sind unsere demokratischen Werte ganz allgemein in Bedrängnis«, sagte der Bundespräsident.
Der Schwerpunkt von KIgA ist die Arbeit mit muslimisch sozialisierten Jugendlichen und jungen Erwachsenen.
Aus dem Motto der diesjährigen Woche der Brüderlichkeit »Mensch, wo bist du? – Gemeinsam gegen Judenfeindlichkeit« lasse sich auch die Frage nach der Zivilcourage formulieren. Der Zivilisationsbruch der Schoa sei dabei »eine Verpflichtung und eine Verantwortung«.
Die Berliner Staatssekretärin für Bürgerliches Engagement und Internationales, Sawsan Chebli, sagte, es befalle sie Scham, Trauer und Wut, 2019 darüber sprechen zu müssen, wie Antisemitismus bekämpft werden könne. Sie forderte für alle Menschen in Deutschland ein »Recht auf Teilhabe an der Erinnerungsarbeit«.
MENSCHSEIN Jeder müsse die Möglichkeit bekommen, die Gedenkstätten zu besuchen. »Eine solche Begegnung verändert, lässt über das Menschsein nachdenken, auch wenn man Kind palästinensischer Eltern, türkischer Gastarbeiter oder erst vor Kurzem zugewanderter Flüchtling ist.«
Bundespräsident Steinmeier rief zum entschlossenen Einsatz gegen Antisemitismus auf.
In ihrer Laudatio würdigte Chebli die neuen Träger der Buber-Rosenzweig-Medaille. Die Auszeichnung geht dieses Jahr an die 2003 gegründete Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus (KIgA) und das Netzwerk für Demokratie und Courage (NDC).
KIgA erarbeitet Konzepte für die pädagogische Auseinandersetzung mit Antisemitismus in der Migrationsgesellschaft. Der spezifische Schwerpunkt von KIgA ist die Arbeit mit muslimisch sozialisierten Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Das Team arbeitet interdisziplinär, setzt sich zusammen aus Menschen unterschiedlichster Herkunft und hat sich zum Ziel gesetzt, dem Antisemitismus etwas entgegenzusetzen.
Das Netzwerk für Demokratie und Courage wurde vor 20 Jahres gegründet. Es ist in Deutschland und in Frankreich tätig. In dem Netzwerk engagieren sich junge Erwachsene für eine demokratische Kultur, Zivilcourage und gegen menschenverachtendes Denken.
Sawsan Chebli, sagte, es befalle sie Scham und Wut, 2019 darüber sprechen zu müssen, wie Judenhass bekämpft werden könne.
SIGNALE Ein klares Bekenntnis gegen Antisemitismus forderte auch der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU). »Wir senden zwei Signale: Versöhnung und Entschlossenheit«, sagte er in seinem Grußwort.
Söder versprach, hart gegen diejenigen vorzugehen, »die still und heimlich mit Antisemitismus Politik machen wollten. »So etwas wie Judenhass wollen wir nicht, das dulden wir nicht und da gehen wir hart dagegen vor!«, stellte Bayerns Ministerpräsident klar.
Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD) nannte es wichtig, im täglichen Arbeiten und Leben Haltung zu zeigen und rote Linie aufzuzeigen.
Der Deutsche Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit veranstaltet die Woche der Brüderlichkeit seit 1952, jeweils im März. In vielen deutschen Städten und Kommunen gibt es Veranstaltungen zum Jahresthema.
VERSTÄNDIGUNG Zur Eröffnung, die immer in einer anderen Stadt stattfindet, wird traditionell die undotierten Auszeichnung der Buber Rosenzweig-Medaille verliehen. Damit ehrt der Koordinierungsrat seit 1968 Menschen, Institutionen oder Initiativen, die sich für die Verständigung zwischen Christen und Juden einsetzen.
Die Medaille erinnert an die jüdischen Philosophen Martin Buber (1878–1965) und Franz Rosenzweig (1886–1929). Zu den bisherigen Preisträgern zählen unter anderem Esther Schapira, Leon de Winter, Micha Brumlik, Leah Rabin und Isaac B.Singer. epd/ja