Das Zimmer ist gelüftet und aufgeräumt, das Bett frisch bezogen, und der Duft eines Käsekuchens, der gerade im Ofen aufgeht, zieht durch das Haus. Es ist alles bereit: Die Freiwilligen können kommen. »Als ich hörte, dass Gastfamilien für die Zeit der Europäischen Makkabispiele gesucht werden, habe ich mich sofort gemeldet«, erzählt Simcha Loesche, während sie Kuchenteller verteilt.
»Wir haben ein großes Haus mit einer Einliegerwohnung, die frei steht, seitdem unsere Tochter ausgezogen ist.« Sie unterstütze gerne jüdische Aktivitäten, vor allem die im kulturellen Bereich. Außerdem kommt sie aus einer Großfamilie. Da sei sie es gewohnt, zusammen mit vielen Leuten an einem Tisch zu sitzen. »Meine Eltern flohen mit sieben Kindern von Bagdad nach Israel, wo das achte Kind auf die Welt kam«, sagt die heute 60-Jährige. Seit fast 40 Jahren lebt die Psychoanalytikerin nun in Deutschland.
international 40 Gastfamilien nehmen Freiwillige auf, berichtet Mona Meron, die den Aufenthalt der ehrenamtlichen Helfer für die EMG koordiniert und für viele von ihnen Unterkünfte bei Gastfamilien organisiert. Eine Familie stellt sogar ein Quartier für vier, eine andere eines für sechs Helfer zur Verfügung. Insgesamt baten 60 EMG-Helfer um die Vermittlung einer Unterkunft.
300 Freiwillige werden im Einsatz sein. Die meisten von ihnen kommen aus Deutschland. Aber es reisen auch ehrenamtliche Helfer aus Österreich, Holland, Polen, der Ukraine und Schweden an. Zwei kommen sogar aus Kanada, andere aus der Türkei. Einige von ihnen baten um einen koscheren oder vegetarischen Haushalt, berichtet Mona Meron. Auch sie seien nun nach längerer Suche untergebracht. Die Gastfamilien müssen nur die Unterkunft stellen, denn die Helfer können in dem Hotel essen, in dem auch die Sportler untergebracht sind. Die Gastgeber selbst erhalten freien Eintritt zu den EMG.
Als sie ihr Angebot bei der Koordinierungsstelle abgab, schrieb Simcha Loesche dazu, dass sie gerne jemanden aus Frankreich beherbergen würde, denn sie lernt seit zwei Jahren Französisch. Mittlerweile steht sie mit der Französin, die bei ihr wohnen wird, in einem »sehr netten« E-Mail-Kontakt. Ihr Gast aus Frankreich ist zudem für die französische Delegation verantwortlich. Das findet Simcha Loesche spannend. »Sie schreibt auf Französisch, ich antworte auf Deutsch.« Allerdings hat die Psychoanalytikerin mit Sport nicht so viel zu tun. »Vielleicht werde ich mir etwas anschauen, ich weiß es aber noch nicht.«
erfahrung Ute Peters hat sich extra Urlaub genommen. »Denn es sind EMG«, sagt sie lachend. Diese spannende Zeit will die Bankkauffrau auf keinen Fall verpassen. Die 42-Jährige ist voll im Einsatz: Sie ist selbst als Freiwillige dabei und stellt außerdem das freie Zimmer in ihrer Wohnung für einen Helfer aus Tschechien zur Verfügung.
Etwa zehn Tage wird der Besuch bleiben. Dass Gastfamilien gesucht werden, hatte Peters über einen Verteiler erfahren, und sie entschied sich sofort dafür. »Ich habe ausreichend Platz«, sagt sie. Zudem bekomme sie grundsätzlich gerne Besuch und hat deshalb auch ein Gästezimmer. Dass sie dieses nun einem ihr bislang unbekannten Volunteer zur Verfügung stellt, ist allerdings das erste Mal.
Als freiwillige Helferin hat die Berlinerin hingegen schon etliche Erfahrungen gesammelt, etwa 2012 bei den Olympischen Spielen in London sowie bei der Leichtathletik-WM 2009. »Einmal ausprobiert, immer dabei – es macht unglaublich viel Spaß«, schwärmt Peters. Bei den EMG wird sie den Journalisten Rede und Antwort stehen, denn sie ist dem Dienst im Bundespresseamt zugeteilt. »Da werde ich mich noch gut vorbereiten müssen, damit ich über alles Bescheid weiß«, meint sie.
Bei aller Erfahrung – diese Sportveranstaltung ist für sie dennoch etwas ganz anderes. Allein die Kombination der Sportarten, wie etwa Tischtennis, Schach, Leichtathletik und Golf, sei interessant. Neu für sie ist ebenfalls, dass am Samstag Ruhetag ist und das Stadion verwaist sein wird. »Ich hatte noch nicht so viel mit Juden zu tun, nun bin ich auf die Kultur gespannt.« Eines weiß sie schon jetzt: »Der Spaß ist unbezahlbar«, die ehrenamtliche Tätigkeit daher selbstverständlich.
Familiengeschichte So bewegt jede Gastfamilie eine andere Motivation. »Ich mache es für meine Kinder«, sagt Mali Baum. Denn auch ihre Mutter beherbergte früher Freiwillige. »Es war so schön, dass ich diese Zeit noch heute in guter Erinnerung habe«, sagt die 38-Jährige. Damals lebte die Familie allerdings noch in Tel Aviv. Vor einem Jahr zog Mali Baum mit Ehemann und Kindern nach Berlin.
Mittlerweile hat sie sich gut eingelebt, und die Kinder besuchen die Heinz-Galinski-Grundschule. Mit der Gastfreundschaft gegenüber einem EMG-Helfer will sie ihnen die Möglichkeit geben, eine ähnlich positive Erfahrung zu machen, wie sie selbst sie als Kind erlebte. Für die ehrenamtliche Helferin werden die Kinder, die sonst jeweils einen eigenen Raum bewohnen, vorübergehend ein Zimmer frei räumen.
»Unsere Freiwillige ist auch Jüdin«, erzählt Mali. »Sie kommt aus Ungarn und spricht Deutsch und Englisch.« Ein erster Anknüpfungspunkt – denn auch Malis Vater stammt aus Ungarn. Daher freut sie sich nun umso mehr über Besuch aus dessen früherer Heimat.
zuschauer »Es ist ein historischer Moment, dass die EMG in Berlin stattfinden«, sagt Timo Friedmann. Der 41-jährige Chefredakteur der Online-Plattform Motor-Talk.de bringt zwei Betreuerinnen im Kinderzimmer seiner dreijährigen Tochter unter. »Ich bin im Verteiler mehrerer israelischer Newsletter und habe so davon erfahren.« Er habe eine große Wohnung, sagt er, und hat sich spontan entschieden, für die Dauer der EMG Volontäre bei sich aufzunehmen – auch wegen seiner eigenen Familiengeschichte. »Mein Vater war jüdisch«, erzählt Friedmann.
»Er lebte bis zur Schoa in Berlin und konnte rechtzeitig mit der Jewish Agency nach Palästina emigrieren.« Friedmanns Tante hingegen wurde von den Nazis ermordet. Bis in die 60er-Jahre habe der Vater in Israel gelebt, sei dann aber nach Berlin zurückgekehrt, wo er als Res- taurantbesitzer, Lkw-Fahrer, Handwerker und Koch arbeitete. In seiner Freizeit war Friedmanns Vater begeisterter Marathonläufer. Insgesamt 25-mal nahm er an verschiedenen Wettkämpfen teil, darunter auch 100-km-Strecken.
Umso wichtiger ist es dem Sohn heute – auch im Andenken an seinen verstorbenen Vater –, die EMG in Berlin zu erleben: als Gastgeber für Freiwillige und als Zuschauer. Bei der Eröffnung will er unbedingt dabei sein, denn das wird ganz sicher »ein besonderer Moment«.