Die langen, unseligen Debatten, haben der Stadt geschadet. Doch nun ist der Geschichtsort Stadthaus an der Stadthausbrücke, Ecke Neuer Wall, endlich wieder geöffnet. Er ging im Herbst 2022 in die Trägerschaft der Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte zur Erinnerung an die Opfer der NS-Verbrechen über, und die machte der Diskussion um den Erhalt des Gedenkens an den Ort, an dem der NS-Senat Menschen foltern und ermorden ließ, ein Ende.
Vorausgegangen war beispielsweise die Boden-Installation des »Denkmals Stigma« des Künstlerinnen-Duos »missing icons« aus weichem hellrotem Gummigranulat auf rund 200 Meter Pflaster an der Straße Stadthausbrücke, das durch die Anmutung einer »Blutspur« an die NS-Verbrechen im Stadthaus, heute die Stadthöfe, erinnern sollte. Durch ihre oberflächliche Gestaltung, zudem bar jedes Konzepts, war sie aber ebenfalls vor allem nur eines – peinlich. Hinzu kommt, dass die Eigentümer und Nutzer-Unternehmen der Stadthöfe mit ihren Luxus-Einrichtungen nicht durch einen Gedenk- und Lernort an die mörderischen Verbrechen des NS-Regimes »gestört« werden wollten.
Seufzergang Diesen Unternehmen hat der Senat mehrmals stillschweigend nachgegeben und den Gedenkort wissentlich klein gehalten, auch schlicht durch Nichtstun. Nur eine 1981 angebrachte Gedenktafel an einer Hauswand erinnerte daran, dass im Stadthaus die Zentrale der berüchtigten Geheimen Staatspolizei, der Gestapo, mit ihren Folterkellern und dem »Seufzergang« war, durch den die Gestapo früher Gefangene unter Prügel von den Zellen zu den Verhörräumen führte.
Von 2018 bis 2022 befand sich eine Dauerausstellung mit einigen Exponat-Tischen auf einer mit der kleinen Buchhandlung »Lesesaal« und einem Café geteilten Fläche an der Stadthausbrücke 6. Seit die Buchhandlung aber im vergangenen Jahr schloss, fehlte die Gedenkstätte ganz.
Diesen unwürdigen Zustand ließen sich die Hamburger zum Glück nicht mehr bieten. Nun hat die Stiftung diesen Ort in Abstimmung mit verschiedenen Verfolgtenverbänden neu entwickelt. Nach umfangreichen Umbauarbeiten kann der Geschichtsort jetzt wieder besucht werden und bietet ein erweitertes Raum- und Veranstaltungsangebot.
VERFOLGUNG Das Stadthaus war bis Juli 1943 Sitz der zentralen Dienststellen der Hamburger Polizei. Unter dem NS-Regime organisierten Gestapo und Kripo vom mittlerweile gefürchteten und berüchtigten Stadthaus die Verfolgung des Hamburger Widerstands, die Verfolgung von Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma, Homosexuellen, Verbrechern und als asozial stigmatisierten Personen, von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern aus ganz Europa.
Auch der Kriegseinsatz norddeutscher Polizisten, die in Polen und in der Sowjetunion am Holocaust mitwirkten, wurde vom Stadthaus aus organisiert. Die NS-Schergen misshandelten, erniedrigten und folterten Gefangene in den Arrestzellen und bei Verhören. Für viele Verfolgte war das Stadthaus die erste Station ihres Leidenswegs, der in Gefängnissen und Konzentrationslagern fortgesetzt wurde und oft mit dem Tod endete. Auch der Schriftsteller und Dokumentarfilmer Ralph Giordano wurde im Stadthaus Opfer der Nazis.
Seit mehreren Jahren wird die Gestaltung des geschichtsträchtigen Stadthauses kontrovers diskutiert, zumal es drohte, ein Luxus-Terrain zu werden, womit die Hamburger NS-Vergangenheit unter den Teppich gekehrt worden wäre. Die Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte will künftig unterschiedlichen Positionen Raum geben.
Sonderausstellungen Zentrale Themen des Geschichtsorts Stadthaus sind Widerstand und Verfolgung, die Hamburger Polizei und ihre Verbrechen, die Nachgeschichte des Nationalsozialismus und aktuelle erinnerungspolitische Entwicklungen in Hamburg. Neben der Dauerausstellung Das Stadthaus im Nationalsozialismus: Eine Zentrale des Terrors, einer Ausstellung zur Bau- und Nutzungsgeschichte und dem »Seufzergang« stehen künftig auch ein Seminar- und ein Veranstaltungsraum zur Verfügung.
Das Rundgang- und Seminarangebot wird noch weiter ausgebaut. Ebenso soll eine kleine Fläche für Sonderausstellungen eingerichtet werden. Verfolgtenverbände und erinnerungspolitisch engagierte Initiativen können in einem Schaufenster ihre Arbeit und ihre aktuellen Projekte vorstellen.
Der Geschichtsort Stadthaus zeigt, dass der nationalsozialistische Terror im Zentrum Hamburgs organisiert wurde. »An diesen Terror und seine Opfer erinnern seit 2020 die von unserer Stiftung erarbeiten Ausstellungen«, sagte Oliver von Wrochem, Vorstand der Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte zur Erinnerung an die Opfer der NS-Verbrechen.
»Uns ist es wichtig, den Geschichtsort Stadthaus zu einem offenen Ort zu machen. Für Angehörige von NS-Verfolgten gibt es die Möglichkeit, vor Ort mit Fotos und Dokumenten in einer Memory Box an ihr verfolgtes Familienmitglied zu erinnern«, sagt Alyn Beßmann, Leiterin des Geschichtsorts Stadthaus. So könnten »die Auswirkungen der NS-Vergangenheit in den Familien bis in die Gegenwart hinein sichtbar werden«.