Im Talmud, so sagen manche Interpreten, gebe es gleich sechs Geschlechter. Zwei davon, »Androgynos« und »Tumtum«, lassen sich in ihren Geschlechtsmerkmalen nicht eindeutig Mann oder Frau zuordnen. Ist queer und jüdisch sein also kein Widerspruch? Um diese und andere Fragen soll es auf den ersten Queer-Jüdischen Tagen in Erfurt gehen.
»Wir wollen eine Verbindung schaffen zwischen queer sein im Judentum und jüdisch sein im queeren Leben«, erklärt Anton Hieke. Er betreut das Projekt »Jüdische Kultur(en) in Thüringen – Bildung für Vielfalt und Engagement« des thüringischen Kulturrats. Ziel sei es, Wissen über das Judentum im regionalen Raum zu verbreiten. Am Sonntag beginnen die Queer-Jüdischen Tage im Besucherzentrum des thüringischen Landtags in Erfurt.
Keshet Nach einem Grußwort der Landtagspräsidentin Birgit Pommer wird Rosa Jellinek einen Vortrag über das Verhältnis des Judentums zur Homosexualität und Erfahrungen jüdischer Menschen in der queeren Szene halten. Jellinek ist Co-Vorsitzende von Keshet Deutschland, eines queer-jüdischen Vereins, der die Rechte und Anliegen jüdischer LGBTQI-Personen vertritt.
So veranstalten die Mitglieder Events an Feiertagen, geben Workshops und halten Vorträge, in denen sie zu queeren Themen in jüdischen Räumen aufklären. Gleichzeitig bringen sie jüdische Perspektiven in die LGBTQI-Bewegung ein. Auch diese Arbeit und den ihr zugrundeliegenden intersektionalen Aktivismus wird Jellinek den Teilnehmenden vorstellen.
Die Queer-Jüdischen Tage entstehen in Zusammenarbeit mit der jüdischen Landesgemeinde.
Es ist ein breites Bündnis, das die ersten Queer-Jüdischen Tage organisiert. Neben dem Projekt »Jüdische Kultur(en) in Thüringen« des Thüringer Kulturrats und Keshet Deutschland beteiligen sich auch der Verein »QueerWeg«, Studierende der Religionswissenschaften der Universität Erfurt sowie die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) Thüringen in Zusammenarbeit mit der jüdischen Landesgemeinde.
Diskriminierung Experte sei er nicht, betont der Vorsitzende der jüdischen Landesgemeinde in Thüringen, Reinhard Schramm. Trotzdem müsse queer und jüdisch sein einfach zusammenpassen, wenn man Diskriminierung verhindern wolle. Der beste Weg dahin sei es, »gegen Unwissenheit zu kämpfen und nicht gegen irgendein Böses«, glaubt Schramm, der am Montag in der Neuen Synagoge von Erfurt ein Grußwort an die Teilnehmenden richten wird.
Am zweiten Veranstaltungstag diskutieren in dem Workshop »Intersektionen – Wie passen Queerness und Judentum zusammen« Studierende der Religionswissenschaften der Universität Erfurt mit Rosa Jellinek und dem Landesrabbiner Alexander Nachama. Auch hier werden Textstellen aus dem Talmud anhand heutiger Fragestellungen zu Geschlecht und Sexualität neu betrachtet.
Liebe Ihren Abschluss finden die ersten queer-jüdischen Tage in einer Filmvorführung der romantischen Komödie »Kiss me kosher«. Darin verlieben sich die Israelin Shira und die Deutsche Maria ineinander. Shiras jüdische Großmutter Berta ist nur leider ganz und gar nicht von dem jungen Liebesglück begeistert. Im darauffolgenden Gespräch können sich die Zuschauer mit den Keshet-Mitgliedern Monty Ott und Helene Braun austauschen.
Organisator Anton Hieke freut sich auf zahlreiche Gäste aus ganz Thüringen. »Es geht darum, kein Alleinkämpfer zu sein und die Aufmerksamkeit zu streuen«, findet er. »Wir müssen die künstliche Trennung zwischen Minderheiten mit vergleichbaren Erfahrungen abbauen.«
Mehr Informationen zu den Queer-Jüdischen Tagen finden Sie hier.