Eine ehemalige Vorortschule im Fränkischen. Der zweigeschossige Bau vom Ende des 19. Jahrhunderts ruht auf einem ebenerdigen Kellergeschoss aus großen Bruchsteinen. Der neoklassizistische Bau beherbergte einst die Grundschule von Moschendorf, am Ortsrand von Hof, dann ein portugiesisches Kulturzentrum. Schließlich erwarb die Israelitische Kultusgemeinde der oberfränkischen Kleinstadt das Gebäude und baute es für eigene Bedürfnisse aufwendig um. Jetzt ziert ein Magen David den metallenen Sicherheitszaun um das Gelände.
Auf der Außentreppe des Eingangs steht Jakob Gonczarowski vor der Gedenktafel, die an den langjährigen Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde erinnert, seinen Vater Leon sel. A. Ihn hat er im Amt als Vorsitzender der Hofer Kehilla beerbt. »Wir sind eine kleine Gemeinde im Oberfränkischen, aber wir haben in all den Jahren noch immer einen Minjan gehabt«, berichtet der studierte Mathematiker mit leiser, aber fester Stimme. Und nicht ohne Stolz fügt er hinzu: »Wir sind eine Familie geblieben«, trotz all der Widrigkeiten. »Von den überlebenden Gemeindemitgliedern von vor 1933 ist niemand zurückgekommen.«
Geschichte Juden wurden in der oberfränkischen Stadt zum ersten Mal 1319 erwähnt, eine Synagoge im Jahr 1373. 1892 wurde von den jüdischen Familien der »Synagogen-Verein Hof« gegründet, 1902 die Bildung einer Israelitischen Kultusgemeinde genehmigt, die zum Rabbinatsbezirk Bayreuth gehörte. Zum Zeitpunkt der Machtergreifung Hitlers 1933 stellten die 96 Gemeindemitglieder 0,2 Prozent der 43.245 Einwohner zählenden Stadt. Während des Novemberpogroms 1938 demolierten Nazihorden die Synagoge und verbrannten die zertrümmerte Inneneinrichtung auf einem Sportplatz.
Nach 1945 war Hof eine Durchgangsstation für 1500 jüdische DPs.
Im Dezember 1938 wurde das zerstörte Synagogengebäude abgerissen. 27 jüdische Männer aus Hof und der näheren Umgebung wurden nach der Pogromnacht inhaftiert. 23 Juden aus Hof gelang die Flucht ins Ausland. Ausweislich der Opferlisten von Yad Vashem wurden elf jüdische Bewohner der Stadt während der Schoa ermordet. »Vermutlich waren es mehr«, befürchtet Gonczarowski.
Nach Kriegsende wurde Hof zu einer Durchgangsstation für etwa 1500 jüdische Displaced Persons (DPs). Einige von ihnen gründeten bereits im Mai 1945 das »Jüdische Hilfskomitee«, darunter Wolf Weil, der die Schoa als einer der »Schindler-Juden« überlebt hatte, und Gonczarowskis Vater Leon, der als Soldat in der Roten Armee gekämpft hatte. Aus dem Hilfskomitee ging 1950 dann die Israelitische Kultusgemeinde hervor.
Dem langjährigen Vorsitzenden Weil (bis 1988) folgte dann Leon Gonczarowski. Waren es bis zum Mauerfall nur noch etwa 40 bis 50 Gemeindemitglieder, stieg diese Zahl mit dem Zuzug der Kontingentflüchtlinge aus der ehemaligen Sowjetunion auf einige Hundert. »Heute zählt die IKG Hof rund 330 Mitglieder«, sagt Gonczarowski.
Impressionismus Jetzt ist er das öffentliche »Gesicht der Gemeinde«. Obwohl er sich lieber viel stärker den impressionistischen Malern der Pariser Schule widmen würde, sieht er seine Aufgabe darin, nach innen eine »familiäre Atmosphäre« zu erhalten und nach außen Jüdischkeit als Teil der Hofer Gesellschaft zu repräsentieren. Zu Schawuot, Sukkot und Pessach werden alle Hofer eingeladen, und ein paar Monate später wird vor der Marienkirche mit großer Beteiligung Chanukka gefeiert.
Wie familiär es zugeht, beweist auch, dass Rabbiner David Goldberg seit 25 Jahren die Gemeindemitglieder in Hof betreut. Er wohnt mit Rebbetzin und Sohn im ehemaligen Schulgebäude. »Ich bin Rabbiner, Chasan, Mohel und auch Schochet.« Stolz erzählt der 73-Jährige: »Ich habe bereits rund 7000 Beschneidungen durchgeführt.« Er wird nach Budapest, Prag und nach Italien eingeladen, um die Brit Mila vorzunehmen.
Rabbiner Goldberg hat 7000 Beschneidungen durchgeführt.
Der weißhaarige Rabbiner mit dem fröhlichen Lächeln stammt aus einer religiösen Familie aus Osteuropa. »Wir leben schon seit vier Generationen in Israel«, erzählt er. Der Vater und dessen Brüder waren ebenfalls Rabbiner oder Kantoren. Er wurde an einer Talmudschule in Israel ausgebildet und besitzt ein staatliches Lehrerdiplom. Nach Deutschland kam er 1993, wo er zuerst in der Ost-Berliner Gemeinde arbeitete. Danach führte ihn der Weg nach Straubing und im August 1997 nach Oberfranken.
Beter »Vor Corona kamen 60 bis 70 Beter zum Schabbatgottesdienst, doch die Pandemie hat die Zahl fast um die Hälfte reduziert«, bedauert Goldberg. Die Mehrheit der Gemeindemitglieder hat ihre Wurzeln in der ehemaligen Sowjetunion. Zehn Jugendliche besuchen seinen Religionsunterricht, den er im Multifunktionsraum der Gemeinde erteilt, daneben hat die Rabbinerfamilie ihr Wohnzimmer. »Vor Kurzem sind zwei jüdische Familien, die vor dem Krieg aus der Ukraine geflohen sind, zu uns gekommen«, berichtet Goldberg. »Wir haben Erfahrung mit Integration.«
Familienfeiern finden im Anbau statt, mit einem Multifunktionssaal für mehr als 200 Personen. »Wir bieten bei Festen koscheres Essen, das wir in unserer eigenen Küche zubereiten«, erzählt Rabbiner Goldberg, der gemeinsam mit seiner Frau Mirjam die Zubereitung der Speisen beaufsichtigt. Das Fleisch kommt aus München oder Berlin.
Inzwischen ist das Gebäude barrierefrei, in die Synagoge führt ein moderner, gläserner Aufzug. »Wir haben viele ältere Gemeindemitglieder, die freitagabends und am Schabbatmorgen zum Gottesdienst kommen.« Der Vizevorsitzende der Gemeinde, der 88-jährige Arzt Asher Khansani, nimmt eine Dreiviertelstunde Fußweg auf sich, um zum Schabbatgottesdienst »in familiärer Atmosphäre« zu kommen.