EMG 2015

»Wie in einem kleinen Olympischen Dorf«

Motti Tichauer Foto: Uwe Steinert

Herr Tichauer, Sie haben vor zwei Jahren bei der Maccabiah in Ramat Gan als Vorsitzender der European Maccabi Confederation den Vertrag für die 14. European Maccabi Games in Berlin unterzeichnet. Wie ist Ihre Zwischenbilanz? Läuft alles so, wie Sie es sich vorgestellt hatten?
Ich war mir von Anfang an über eines klar: Wenn man die Veranstaltung an Makkabi Deutschland übergibt, dann kann man sich darauf verlassen, dass alles perfekt organisiert wird. Makkabi ist eine jüdische Großfamilie, ein jüdischer Mikrokosmos. Wir arbeiten an der jüdischen Kontinuität, wir arbeiten an der Zukunft. Und wir nutzen Sport als Mittel, um jüdische Werte und Kultur zu vermitteln.

Wie ist die sportliche Zwischenbilanz?
Grandios. Die Stimmung ist sensationell, die Ergebnisse sind toll, die Sportler und die Zuschauer sind begeistert. Es ist ein Ambiente wie in einem kleinen olympischen Dorf.

Es gab Diskussionen darüber, ob jüdische Sportler, die im Estrel-Hotel untergebracht sind, als Gruppe oder mit Kippa durch Neukölln laufen sollten. Was beobachten Sie? Haben Sportler Angst, oder ist das kein Thema?
Ich würde sagen, das ist kein Thema. Natürlich würden wir beide jetzt nicht mit einer Davidstern-Kippa durch die Sonnenallee marschieren. Das macht ein rational denkender Mensch sowieso nicht. Aber wenn man sich normal verhält … Wir sind doch so geschützt hier, durch den Bund, durch die Polizei. Wir sind doch kein Freiwild. Ich fühle mich jedenfalls nicht als Freiwild. Ich fühle mich als Jude in Deutschland sicher.

Von manchen habe ich den Einwand gehört, die Makkabi-Spiele seien eine elitäre Veranstaltung: Die Teilnahmegebühren müsse man sich erst einmal leisten können. Was sagen Sie dazu?

Das stimmt nicht. Wir Juden sind eine Solidargemeinschaft. Am Geld würde eine Teilnahme an den European Maccabi Games nicht scheitern. Wir unterstützen Sportler, die nicht die finanziellen Möglichkeiten haben, mit insgesamt 150.000 Euro. Und das sind nicht nur Sportler aus dem Osten, sondern bei der derzeitigen Wirtschaftskrise gibt es auch im Westen Europas Probleme. Fast alle Länder haben einen kleinen Zuschuss bekommen. Es ist keiner zu Hause geblieben, weil er kein Geld hatte.

An den 14. EMG nehmen mehr Menschen teil als bei den Spielen 2011 in Wien. Woran liegt das? Ist Berlin als Stadt einfach attraktiv, oder ist die Makkabi-Bewegung populärer geworden?
Beides, würde ich sagen.

Hat sich der Ruf der deutschen Juden in Europa dadurch verbessert, dass die European Maccabi Games in Berlin stattfinden? Sind die Zeiten, in denen man sich immer noch rechtfertigen musste, hier zu leben, nun vorbei?
Ich glaube, darunter ist jetzt ein Schlussstrich gezogen
worden. Wir sind »voll drin« – auch durch die Einwanderung vieler Juden aus der ehemaligen Sowjetunion. Makkabi Deutschland hat eine große Entwicklung erfahren, und wir haben auch im Osten Deutschlands mehrere Makkabi-Vereine gegründet. Makkabi hat sehr viel für die Juden in Deutschland getan, und die European Maccabi Games werden sicherlich noch positiv nachwirken. Natürlich können wir die Augen vor latentem
Antisemitismus auch in diesem Land nicht verschließen. Aber wenn wir stolze Juden sind, dann haben wir schon etwas erreicht.

Bei der Eröffnungsfeier haben wir viele jüdische Familiengeschichten gehört – Beispiele dafür, warum der Austragungsort auf dem Olympiagelände für viele Teilnehmer etwas sehr Besonderes ist. Ihre Großeltern wurden in Auschwitz ermordet. Ist das der Grund, warum auch Ihnen jüdische Kontinuität so wichtig ist?
Ja, ich habe eine wahnsinnige Familiengeschichte. Meine Eltern haben sich in Gurs, einem Konzentrationslager in Frankreich, kennengelernt. Meine Schwester ist dort geboren. Mein Großvater war Offizier der jüdischen Brigade im Ersten Weltkrieg in Deutschland, mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet – ein jüdisch-deutscher Patriot. Er wollte 1938 nicht, wie mein Vater, Deutschland verlassen, sondern er sagte: Ich bin Deutscher jüdischen Glaubens. Das Ende der Geschichte kennen wir. Als ich zum ersten Mal am Glockenturm des Olympiageländes stand, zusammen mit Roger Nussbaum (dem damaligen Vizepräsidenten von Makkabi Deutschland), da war mir vor Aufregung richtig schlecht. Und ich fragte mich: Können wir das den jungen Leuten, die zu den Maccabi Games kommen, wirklich antun? Aber ich bin ein positiv denkender Mensch, und ich sage immer: Was passiert ist, ist passiert – und darauf bauen wir unsere jüdische Zukunft auf.

Mit dem Vorsitzenden der European Maccabi Confederation sprach Ayala Goldmann.

Oper

Kammeroper »Kabbalat Shabbat« in Berlin

Die Zuschauer werden zu einem Schabbatmahl eingeladen. Die Oper ist die erste, die auf Hebräisch in Deutschland interpretiert wird

von Christine Schmitt  23.10.2024

Kunstatelier Omanut

Beschallung mit wunderbaren Stimmen

Judith Tarazi über das erste Inklusions-Konzert, Vandalismus und offene Türen

von Christine Schmitt  22.10.2024

Jüdische Gemeinde Frankfurt

Erstmals eine Doppelspitze

Die neuen Gemeindechefs Benjamin Graumann und Marc Grünbaum wollen Vorreiter sein

von Christine Schmitt  22.10.2024

Potsdam

Gründer des Abraham Geiger Kollegs verstorben

Rabbiner Walter Jacob starb mit 94 Jahren in Pittsburgh

 21.10.2024

Mitzvah Day

Zeit zu verschenken

Jeder ist eingeladen, sich am Tag der guten Taten einzubringen. Anmeldeschluss ist der 1. November

von Christine Schmitt  21.10.2024

Porträt der Woche

Ein Leben mit Büchern

Tanja Korsunska aus Hannover liest, schreibt und organisiert Literaturfestivals

von Chris Meyer  20.10.2024

Berlin

Ceremony of Resilience: Ein Abend des gemeinsamen Gedenkens

Viele kamen nach Kreuzberg, um an den Anschlag von Halle zu erinnern

von Florentine Lippmann  16.10.2024

Makkabi

»Sportlich und mental stärken«

Simone Schneidmann über den Sukkot-Großlehrgang in NRW, Zusammenhalt und die Highlights im Programm

von Ralf Balke  16.10.2024

Feiertag

Abenteuer Sukka

Balkon oder Garten? Es gibt viele Möglichkeiten, eine Laubhütte aufzustellen. Wir haben uns umgesehen

von Chris Meyer  16.10.2024