Wenn Roger Peltzman sich an seinen Flügel setzt, dann denkt er ziemlich oft an seinen Onkel. »Besonders wenn ich Chopin spiele«, sagt Peltzman, »ich auf die Klangqualität achte oder versuche, die Note rechtzeitig zu erreichen, dann frage ich mich im Inneren: ›Was denkt er?‹«
Er, das ist Norbert Stern, ein Klaviergenie seit frühester Kindheit. Ein Kritiker lobte sein Spiel einst als »brillant und beeindruckend«. Eine Aufnahme gibt es nicht, Norbert wurde mit 21 Jahren im Vernichtungslager Auschwitz ermordet. Norberts Geschichte und die seiner Familie erzählt Roger Peltzman in seinem Ein-Mann-Stück Dedication.
Dieser Abend beginnt allerdings erst einmal mit einer Narbe am Knie und einem Foto seiner Mutter, verkleidet als Nonne. Wie das zusammengeht, das wird Peltzman in den kommenden Tagen auch dem Berliner Publikum zeigen. Mit Dedication gastiert der New Yorker Musiker mit der warmen Erzählstimme am Theater im Delphi im Prenzlauer Berg. »Ich bin wirklich aufgeregt«, beschreibt Peltzman seine Gefühle vor der Show, »denn ich produziere alles allein.« Vieles geht ihm in den Tagen vor der Berliner Premiere im Kopf herum: Funktioniert das Equipment, wie ist die Bühne, klappt der Ton – und kommt das Klavier rechtzeitig an?
Das Klavier ist sein Instrument. »Es gibt nichts Schöneres, als Klavier zu spielen. Es ist das Ausdrucksvollste und Befriedigendste, was ich auf der Welt tun kann.«
»Es gibt nichts Schöneres, als Klavier zu spielen.«
Roger Peltzman
Dass er mit diesem Instrument und vor Publikum einmal die Geschichte seiner Familie erzählen würde, das war ihm lange Zeit nicht klar. »Natürlich wollte ich die Erinnerung an meine Familie wachhalten, ich wollte auch von meinen Erfahrungen erzählen, wie ich mit diesem Wissen in einem Vorort von New York aufgewachsen bin.« Bis er begann, darüber zu schreiben, sei ihm nicht bewusst gewesen, wie sich das Trauma seiner Familie auch in ihm wiederfand. »Mir wurde plötzlich klar: Oh, mein Gott, ich bin davon betroffen. Mein ganzes Leben ist davon geprägt.«
Für den Künstler war es ein kathartischer Moment. Wo vorher ein Loch in seiner Seele war, war nun die Geschichte seiner Familie, die er durch die Arbeit an Dedication noch viel besser kennenlernte. Wenn er auf der Bühne ist, dann ist er bei seiner Familie. »Ich kann dann eine Stunde Zeit mit meiner Mutter verbringen, die schon gestorben ist, und mit der Familie, die ich nicht kannte.«
Das Berliner Publikum kann nun dabei Gast sein, unter den markanten Bögen des Theaters im Delphi, in dem auch die Serie Babylon Berlin gedreht wurde, deren großer Fan Peltzman ist. Er ist ein aufmerksamer Beobachter seiner Zeit. Auch er bemerkt den steigenden Antisemitismus in den USA, er liest darüber – New York sei, sagt Peltzman, vielleicht der einzige Ort auf der Welt, an dem sich Juden außerhalb Israels nicht so als Minderheit fühlen müssten. »Ich bin wahrscheinlich höchstens ein Agnostiker«, sagt er und nennt als seine Inspirationsquelle »die jüdische Kultur, wie die Marx Brothers und George Gershwin, Bob Dylan und Leonard Cohen«. Was wohl sein Onkel Norbert dazu gesagt hätte?
»Dedication« ist am 23., 24. und 25. Februar jeweils um 19.30 Uhr im Theater im Delphi, Gustav-Adolf-Straße 2, zu sehen. Tickets kosten 23 Euro. Weitere Infos unter www.theater-im-delphi.de und www.rogerpeltzman.com