Am Mittwoch hat vor dem Frankfurter Landgericht der Prozess gegen die Geschäftsführer des mittlerweile liquidierten koscheren Lebensmittelhandels »Aviv« begonnen. Die Staatsanwaltschaft wirft den beiden Angeklagten vor, in 1721 Fällen »unter aktiver Vorspiegelung falscher und Unterdrückung wahrer Tatsachen« Fleisch aus konventionellem Handel als glatt koscher verkauft zu haben.
Insgesamt sollen auf diese Weise mehr als 43.000 Kilogramm Fleisch mit irreführender Etikettierung an die Kunden veräußert worden sein. Diese aber hätten, so argumentieren die Staatsanwälte, das Fleisch niemals gekauft, wenn sie um dessen wahre Herkunft und Beschaffenheit gewusst hätten, denn es wäre in diesem Fall für sie »wertlos« gewesen.
Maschgiach Offiziell unterstand die Fleischproduktion in dem mehr als anderthalb Jahrzehnte bestehenden Geschäft der Aufsicht des Frankfurter Rabbinats, das den Einkauf, die Lieferung und die Lagerung der Ware überwachte. Bezogen wurde das geschächtete Fleisch aus der Schweiz, Belgien und Frankreich. Der Maschgiach der Gemeinde kam täglich vorbei, um anhand von Bestelllisten sowohl die Herkunft als auch die Verarbeitung und korrekte Menge der Ware zu kontrollieren. Er war es auch, der das Fleisch nach seiner Verarbeitung im Betrieb von »Aviv« wieder neu verplombte.
Doch soll dort nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft auch Fleisch aus dem Frankfurter Frischezentrum und dem konventionellen Großhandel mit dem Etikett »glatt koscher« versehen worden sein, zum Teil unter Verwendung leerer Originalverpackungen.
Damit das nicht auffiel, habe man das unkoschere Fleisch entweder frühmorgens, bevor der Maschgiach kam, oder verzögert, nachdem dieser wieder gegangen war, besorgt beziehungsweise anliefern lassen. Hätte der Rabbiner davon gewusst, hätte er dem Lebensmittelhandel sofort das Zertifikat entzogen, ist die Staatsanwaltschaft überzeugt. Außerdem hätte er sofort eine rituelle Reinigung des Betriebs samt aller Maschinen und Gerätschaften veranlasst.
Speisegesetze Da diese aber ausblieb, habe auch die ursprünglich koschere Ware nach ihrer Verarbeitung durch »Aviv« nicht mehr dem rituellen Speisegesetz entsprochen. Daher beziffert die Anklage den im Zeitraum zwischen Januar 2010 und Dezember 2011 entstandenen Schaden insgesamt auf mehr als eine halbe Million Euro.
Die beiden Angeklagten wollen sich bislang nicht zu diesem Vorwurf äußern. Doch waren sie an diesem ersten Prozesstag bereit, über ihre persönlichen Lebensumstände Auskunft zu geben. Beide bejahten, auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters Jörn Immerschmidt, dass sie privat mit ihren Familien weiterhin einen koscheren Haushalt nach der Kaschrut führten.
Frankfurts Oberrabbiner Menachem Klein, der als Zeuge befragt werden sollte, lehnt es ab, vor Gericht auszusagen, weil er auch der Seelsorger der beiden 56 und 48 Jahre alten Männer sei. Der Prozess wird in der nächsten Woche fortgesetzt.