Frau Traub, beim Gemeindetag stehen familienbezogene Themen im Mittelpunkt. Warum ist das heute so wichtig?
Im Judentum stellt die Familie einen zentralen Bezugspunkt dar. Hier werden die Traditionen weitergegeben. Sie ist die Keimzelle der Gemeinden. Wir verstehen aber auch unsere gesamte jüdische Gemeinschaft als große Familie. Zum anderen scheint es in der zunehmend säkularen Gesellschaft, in der sich das Singledasein verbreitet, wichtig, den Wert der Familie deutlich zu machen. Das hat sich der Gemeindetag zur Aufgabe gemacht.
Sie gehen bei Ihrem Familienbegriff aber nicht nur von Vater, Mutter, Kind aus?
Nein, wir wollen verschiedene Formen des Zusammenlebens berücksichtigen, zum Beispiel auch Patchworkfamilien, und denken, dass wir kontroverse Diskussionen haben werden zwischen den verschiedenen (religiösen) Strömungen. Außerdem wird es auch einen Workshop zu interkonfessionellen Ehen geben, in dem wir fragen: Was bedeutet es für die Jüdischkeit einer Familie? Was bedeutet es für die Kindererziehung? Mit welchen Themen sind auch diese Familien konfrontiert?
Wie sind die Podien besetzt?
Zum einen haben wir die Podien verkleinert, damit das Publikum sich besser beteiligen kann und nicht nur Expertengespräche auf der Bühne stattfinden. Das war ein Wunsch der Teilnehmer nach dem letzten Gemeindetag, dem wir entsprechen wollen. Auf den Podien haben wir »gestandene Laien«, das sind unter anderem auch Gemeindevorsitzende. Wir haben Mitglieder des Direktoriums und das Präsidium des Zentralrats eingeladen. Hinzu kommen Vertreter aus Politik und Gesellschaft, Familien- und Psychotherapeuten sowie mit Dr. Ruth (Westheimer) auch eine Sexualtherapeutin.
Werden bei den Workshops generationenübergreifende Themen aufgegriffen?
Dieses Mal haben wir ein speziell attraktives Programm für junge Menschen, auch wenn es insgesamt generationenübergreifend angelegt ist. Und wir bieten durch unser Begleitprogramm ohnehin Themen an, die viele interessieren dürften. Unser Ziel ist es, über die Workshops alle Sinne anzusprechen. Es soll nicht nur ein intellektueller Austausch stattfinden, wir wollen über Entspannung, über das Essen, über die Musik versuchen, die Besucher zu erreichen, miteinander zu verbinden und zu emotionalisieren. Der Gemeindetag soll neben politischen Themen oder Sicherheitsfragen alle Sinne ansprechen und vor allem Spaß machen.
Bieten Sie selbst auch Kurse an?
Ja, Vera Szackamer als Familientherapeutin und ich als Psychotherapeutin werden ein Seminar zur Erziehung, die ja auch zum Bereich Familie gehört, veranstalten. Ich biete dann noch einen Workshop zur Entspannung und Achtsamkeitsübungen an.
Was erhoffen Sie sich vom Gemeindetag?
Die Workshops sollen Diskussionen anregen, die anschließend fortgeführt werden, das war Frau Szackamer und mir ganz wichtig. Wir wollen die Menschen miteinander ins Gespräch bringen. Es sollen Netzwerke geschaffen und vertieft werden. Wir wollen die Verbindungen in den Gemeinden und zwischen den Gemeinden weiter stärken. Dafür bieten wir Anregungen und letztlich ganz praktisch auch Räume, in denen nach den Workshops weiter diskutiert werden kann oder wo sich auch Berufsnetzwerke bilden können. Und ich wünsche mir, dass die Besucher ihre Batterien aufladen können.
Mit der Vorstandssprecherin der IRGW Stuttgart sprach Heide Sobotka.