In den Tagen vor der Eröffnung der Hamelner Synagoge ist Rachel Dohme froh, wenn sie sich mal nicht um etwas kümmern muss. In knapp neun Monaten hat die liberale jüdische Gemeinde ihren 1,05-Millionen-Euro-Hausbau vollendet. Die Gemeindevorsitzende freut sich: »Wir haben endlich ein Zuhause.« Über die Sorgen von Häuslebauern kann sie dennoch ein Lied singen.
Die Jüdische Gemeinde Gelsenkirchen hat der Alltag längst eingeholt. Der Jubel um das repräsentative neue Zentrum in der Georgstraße ist erster Ernüchterung gewichen. Judith Neuwald-Tasbach hat in den vier Jahren, die seit der Einweihung vergangen sind, vor allem eines gelernt: »Es lässt sich nicht alles im Voraus planen.« Ein größeres Gebäude bringe gleich ein Vielfaches mehr an Aufwand mit sich. Früher habe man nach einem fröhlichen Beisammensein mal durchgesaugt, heute muss ein ganzes Putzgeschwader aufgeboten werden.
Betriebskosten Auch die Sicherheitskosten für den 5,2-Millionen-Euro-Bau sind enorm gestiegen. Der Aufzug muss gewartet werden (früher hatte man gar keinen), Heiz-, Strom- und Wasserkosten sind gestiegen. »Und dann geht ja auch mal etwas kaputt.« Es sind die einfachen Dinge, die Neuwald-Tasbach Existenzsorgen bereiten. Heute weiß sie, dass man sich vor einem solchen Neubauprojekt nicht oft genug die Frage nach dem Sinn des Vorhabens stellen sollte.
Dabei habe Gelsenkirchen Glück. »Die Synagoge wird von außen und von innen angenommen.« Die Stadt nutzt den großen Saal für Jugendausschusssitzungen, der Integrationsrat tagt hier, die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit debattiert, Lehrerseminare streiten über Judentum im Unterricht. Doch die Gelsenkirchener müssen schon jetzt Kosten einsparen. »Die traditionellen Einnahmequellen wie Mitgliederbeiträge und Zuschüsse von Stadt, Land und Bund sind nicht auf ewig sicher.«
So weit ist die Gemeinde in Mainz noch lange nicht. Seit dem 9. November ist der Manuel-Herz-Bau in der Neustadt ein regelrechter Renner für Mainzer und deren Besucher. »Immer wieder werden wir aufgefordert, wieder einen Tag der offenen Tür zu veranstalten«, sagt Stella Schindler-Siegreich. Zwei gab es bereits. »Doch ganz ehrlich, nach so einem Tag müssten wir erst einmal wieder den Maler bestellen.«
Personal Ständig klingelt irgendwo das Telefon oder jemand steht unangemeldet vor der Tür. »Acht Synagogenführungen ließen sich wöchentlich durchführen. Doch wer soll das machen?« Es fehlt Personal. Der Tag der Gemeindevorsitzenden selbst ist voll ausgefüllt: Um 12 Uhr stand eine Abiturklasse vor der Tür. Nach eineinhalb Stunden Führung telefoniert sie mit einer Zeitung.
Zum Mittagessen hat sich Schindler-Siegreich mit einer Vertreterin der ehrenamtlichen Helferinnen aus der Neustadt verabredet, die einen Flyer vorbereiten will. Zwischendurch ist noch der Handwerker gekommen, denn noch längst ist nicht alles am Innenausbau fertig. Um 17 Uhr ist eine zweite Führung. Die paar Mitarbeiter, die den Betrieb in der Forsterstraße locker bewältigen konnten, reichen jetzt hinten und vorne nicht mehr.
Äuch die Betriebskosten im neuen Haus sind wesentlich höher als im alten. »Wir waren zwar nicht ganz naiv, als wir dieses Projekt angingen, aber was wirklich finanziell auf uns zukommt, werden wir dann im Juli sehen«, meint Schindler-Siegreich. Gerade hat sie nach den Erfahrungen der ersten zwei Monate einen Wirtschaftsplan aufgestellt und den als Kalkulation mal für ein halbes Jahr hochgerechnet.
Baukosten Die Ulmer Gemeinde treiben derweil ganz andere Sorgen um. Der erste Spatenstich für ihre Synagoge, die nur einige Schritte vom berühmten Münster entfernt ist, ist noch nicht erfolgt und schon gibt es Ärger. »Der Bau war in der Mitte der Stadt geplant und abgesegnet«, sagt die Vorsitzende Barbara Traub. Und wer dort ein Haus errichtet, muss städtebauliche Anforderungen erfüllen.
Mit der Finanzierung ihrer Synagoge haben die drei jüdischen Gemeinden in Potsdam nur mittelbar zu tun. Hier steht der »Bauverein zur Errichtung einer Synagoge«, der später in eine Stiftung überführt und Eigentümer sein wird, für alle Finanzen gerade. Vertreter der Gemeinden sind Mitglieder im Bauverein. Dass das jüdische Gotteshaus gebaut wird, ist unstrittig. Der Landtag hat die Vorfinanzierung von 5 Millionen Euro beschlossen.
Ende August wird voraussichtlich die Grundsteinlegung erfolgen, sagt der Bauvereinsvorsitzende Peter Schüler. Grundstück und Haus sollen später als Vermögen in die Stiftung eingebracht werden. »Die Nutzer der Synagoge müssen für die Miete und die Betriebskosten aufkommen«. Wer auch immer die Nutzer sein werden.
»Wir sind strikt neutral und laden alle drei Gemeinden ein: Die Jüdische Gemeinde Stadt Potsdam, die Gesetzestreuen Juden und die Synagogengemeinde Potsdam. »Ideal wäre es, wenn die Stiftung weitere Spenden einwirbt und damit die Schulden zurückzahlen kann.« Doch auch Schüler weiß, dass ein hartes Stück Arbeit wartet und der Alltag noch ganz andere Anforderungen stellen wird.