Es war ein Abschied und ein Aufbruch zugleich. Am vergangenen Donnerstag wurde Paulette Weber, viele Jahre Leiterin des Sozialreferats bei der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST), mit einem Festakt im Frankfurter Philanthropin in den Ruhestand verabschiedet.
Doch auch wenn alle Kollegen, Klienten, Wegbegleiter und Vertreter anderer jüdischer Organisationen unisono betonten, wie sehr sie Paulette Weber in Zukunft bei ihrer Arbeit vermissen werden, war bei aller Wehmut gleichzeitig auch Freude und Optimismus zu spüren. Denn die 60-Jährige, die 1999 ihre Arbeit im Sozialreferat antrat und 2001 dessen Leitung übernahm, zieht sich keineswegs aufs Altenteil zurück. Vielmehr planen sie und ihr Mann Maurice ihre Alija, das Paar will demnächst nach Israel übersiedeln.
Qualität Sie habe eine »riesige Fangemeinde«, bescheinigte ihr Abraham Lehrer, der amtierende Vorsitzende der ZWST. So gelte der Name Paulette Weber »nicht nur in Deutschland, sondern auch international als Markenzeichen für Qualität«. Aber das größte Renommee genieße sie immer noch bei den jüdischen Gemeinden in ganz Deutschland.
Lehrer zählte eine ganze Reihe von Adjektiven auf, um ihr Wesen zu charakterisieren: Sie sei ideenreich, realistisch, geradlinig, ehrlich, mutig, humorvoll, sachlich, solide, aber in ihrem Anliegen bestimmt. Und ihr Anliegen sei es vor allem gewesen, die jüdischen Gemeinden in die Lage zu versetzen, ihre Sozialarbeit vor Ort selbst zu organisieren.
Um dieses Ziel zu erreichen, hatte Paulette Weber etliche Projekte ersonnen und auf den Weg gebracht. So bietet die ZWST seit 2003 unter ihrer Ägide Seminarreihen für Führungskräfte aus den Gemeinden an. Auch die hauptamtlichen Betreuer von Schoa-Überlebenden können sich regelmäßig in eigens für ihre Aufgabe konzipierten Fortbildungen weiterqualifizieren. Auf Initiative von Paulette Weber wurden außerdem Treffpunkte für Überlebende und deren Angehörige gegründet; ein entsprechender Kreis besteht in Frankfurt bereits seit 2002.
Ideen Betreuer von Demenzkranken haben zudem die Möglichkeit, sich in Zertifizierungslehrgängen der ZWST professionell ausbilden zu lassen. Aber auch das ehrenamtliche Engagement, ohne das kein Gemeindeleben auskommen kann, hatte Weber keineswegs aus dem Blick verloren: Regelmäßig finden Seminare zu Themen wie etwa Bikur Cholim und Chewra Kadischa statt.
Darüber hinaus war es ihre Idee, in den Gemeinden Tanz- und Kochgruppen ins Leben zu rufen, die vor allem den Einwanderern aus der ehemaligen Sowjetunion eine Chance zur Geselligkeit, zum Austausch und zur Anknüpfung an jüdische Traditionen bieten. Wie sehr diese Ideen fruchten, bewies die Frankfurter Tanzgruppe »Schalom«, die mit Hora-Tänzen auf der Bühne in der Aula des Philanthropins ihr Dankeschön an Paulette Weber aussprach.
Begegnungen Sehr persönliche Worte fand auch Margarita Makarova, deren Sohn in einer von der ZWST eingerichteten Wohngruppe für Behinderte lebt. Sie seien damals nach Deutschland gekommen, um ihrem Sohn die Chance auf ein menschenwürdiges Leben zu geben, erzählte Makarova. Denn, so ihre Überzeugung: »Eine Diagnose ist noch kein endgültiges Urteil, vielmehr kommt es darauf an, mit welchen Menschen man zusammentrifft.«
In der Bundesrepublik angekommen, hatte sich die Familie bald einer von Weber mitbegründeten Selbsthilfegruppe angeschlossen, später dann folgte die Aufnahme des Sohns in eine betreute Wohngemeinschaft. Inzwischen gibt es eine solche Einrichtung nicht nur in Frankfurt, sondern auch in Düsseldorf – ein großes Glück für alle Beteiligten. »Danke für Ihre Anteilnahme an unserem Schicksal«, wandte sich Margarita Makarova sichtlich gerührt direkt an Paulette Weber.
Auch Moshe Flomenmann, Landesrabbiner von Baden, war eigens nach Frankfurt am Main gekommen, um der Scheidenden »Danke zu sagen«, denn sie sei einfach »ein Mensch, der für andere Menschen da ist, unabhängig von deren Herkunft oder sozialem Status«.
Diese Offenheit, so war von den Kollegen im Sozialreferat der ZWST zu erfahren, zeigte sich schon in dem schlichten Umstand, dass sich die Referatsleiterin nie in ihrem Zimmer verschanzte. Stets hielt sie die Tür zu ihrem Büro geöffnet. Die Mitarbeiter verabschiedeten sich von ihrer Vorgesetzten mit einem eigens produzierten Video voller Witz und Wehmut, das vor allem Webers große Beliebtheit zum Ausdruck brachte.
Zedaka Vielleicht war ihr ja der Gedanke der Zedaka, der jüdischen Wohltätigkeit, die nichts gemein hat mit gönnerhaftem Almosentum, durch ihr Elternhaus in die Wiege gelegt worden. Denn Paulette Webers Vater Alfred Weichselbaum hatte von 1979 bis 1984 die Zentralwohlfahrtsstelle als Direktor geleitet.
Und so sprach denn sein heutiger Nachfolger in diesem Amt, Benjamin Bloch, der Paulette Weber und ihrer Familie seit fünf Jahrzehnten auch privat eng verbunden ist, die abschließenden Worte: »Paulette, mit deinem Ausscheiden geht eine Epoche zu Ende.« Und die Frage, womit er sie denn segnen solle, beantwortete er mit dem ausdrücklichen Wunsch, dass »die, die deine Stelle einnehmen wird, genauso sein möge wie du«.
Die so vielfach Geehrte selbst bedankte sich bei allen Anwesenden mit der eher unsentimentalen und vollkommen uneitlen Anmerkung, dass man eben gehen solle, »wenn’s am schönsten ist«. Für sie werde jetzt ein lang gehegter Traum endlich wahr: in Israel zu leben.