Lesung

Wenn Kafka der Sprache hinterher läuft

Im Gespräch: Cornelia Zetzsche und Georges-Arthur Goldschmidt Foto: Marina Maisel

»Meistens wohnt der, den man sucht, nebenan« schrieb Franz Kafka am 2. August 1917 in sein Tagebuch. Diese Gleichzeitigkeit von unmittelbarer Nähe und unüberwindbarer Ferne ist es, die Georges-Arthur Goldschmidt am Werk Kafkas fasziniert und ihn zu dem ungewöhnlichen Essay inspirierte, in dem er sich mit Kafka auseinandersetzt und das jetzt im S. Fischer Verlag mit diesem Zitat im Titel erschienen ist.

Auf Einladung des Kulturzentrums der IKG und des Tukan-Kreises ist Georges-Arthur Goldschmidt nach München gekommen und damit der erste Gast einer Reihe von Veranstaltungen, die IKG und Tukan-Kreis gemeinsam durchführen. Der Verleger und Leiter des Tukan-Kreises, Hans Dieter Beck, eröffnete den Abend und skizzierte das Leben Goldschmidts, der neben vielen anderen Auszeichnungen 1991 den Geschwister-Scholl-Preis in München entgegennehmen konnte.

Verfolgung Danach übergab er das Wort der Kulturredakteurin des Bayrischen Rundfunks, Cornelia Zetzsche, die sich mit Goldschmidt über Kafka und die Verknüpfungen mit dessen Leben unterhielt. Es ist eine spannende Biografie des französischen Autors deutscher Herkunft, der 1928 in Hamburg geboren wurde, in einem evangelischen Elternhaus aufgewachsen ist, das ursprünglich jüdischer Abstammung war, und später in einem katholischen Internat erzogen wurde. Trotzdem bleibt die Familie von der Judenverfolgung der Nazis nicht verschont. Die Mutter überlebt den Terror nicht, der Vater stirbt kurz nach seiner Rückkehr aus Theresienstadt.

Den Krieg erlebte Goldschmidt unbeschadet zusammen mit seinem Bruder zunächst in Florenz, später im französischen Teil Savoyens, bevor er nach der Befreiung in ein jüdisches Waisenhaus kam. Schon 1949 wird er französischer Staatsbürger und konvertiert zum Katholizismus. Nach dem Abitur absolvierte Goldschmidt ein Germanistikstudium an der Sorbonne.

Sprache Er schreibt Essays für bedeutende Zeitschriften in Deutschland und Frankreich und ist als Literaturkritiker und Übersetzer tätig. Nietzsche, Goethe, Handke und nicht zuletzt Kafka überträgt er ins Französische. Zu Kafka entwickelte Goldschmidt bald eine besondere Beziehung, nachdem er 1946 erstmalig Der Prozeß gelesen hatte, der im Zentrum seines jüngsten Essays steht. Die »präzise« und »unglaubliche« Sprache beeindruckt Goldschmidt, und er stellt fest: »Man kann machen, was man will, gegen Kafka kommen Sie nicht an. Kafka läuft der Sprache hinterher, und ich laufe Kafka hinterher.«

Die Frage nach dem Warum – so Goldschmidt im Nachwort – erübrige sich, »weil kein weil auf keine Frage antwortet«. Goldschmidt nimmt in diesem schmalen Buch Kafka ganz einfach beim Wort. »Er balanciert«, wie Cornelia Zetzsche sagt, »ganz elegant auf dem schmalen Grat zwischen Literatur und Philosophie. Er zeigt Lesen als Abenteuer. Selbsterforschung als Denkvergnügen.« Bescheiden korrigiert Goldschmidt diese Interpretation und meint, dieses Buch sei nur eine Lektüre: »Eine Lektüre unter vielen anderen«.

Bundestagswahl

Sie wollen mitentscheiden

Warum die Bundestagswahl für viele Jüdinnen und Juden etwas Besonderes ist

von Christine Schmitt  22.02.2025

München

Mäzen und Mentsch

Der Tod von David Stopnitzer ist ein großer Verlust für die jüdische Gemeinde

von Ellen Presser  22.02.2025

Oldenburg

Judenfeindliche Schmierereien nahe der Oldenburger Synagoge   

Im vergangenen Jahr wurde die Oldenburger Synagoge Ziel eines Anschlags. Nun meldet eine Passantin eine antisemitische Parole ganz in der Nähe. Die Polizei findet darauf noch mehr Schmierereien

 21.02.2025

Berlin

Wladimir Kaminer verkauft Wohnung über Facebook

Mit seiner Partyreihe »Russendisko« und vielen Büchern wurde Wladimir Kaminer bekannt. Für den Verkauf einer früheren Wohnung braucht er keinen Makler

 20.02.2025

Berlin

Eine krasse Show hinlegen

Noah Levi trat beim deutschen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest an. In die nächste Runde kam er nicht, seinen Weg geht er trotzdem

von Helmut Kuhn  20.02.2025

Thüringen

Antisemitismus-Beauftragter soll »zeitnah« ernannt werden

Seit Dezember ist der Posten unbesetzt. Dem Gemeindevorsitzenden Schramm ist es wichtig, dass der Nachfolger Zeit mitbringt

 19.02.2025

Weimar

Erlebtes Wissen

Eine Fortbildung für Leiter jüdischer Jugendzentren befasste sich mit der Frage des zeitgemäßen Erinnerns. Unsere Autorin war vor Ort dabei

von Alicia Rust  18.02.2025

Bundestagswahl

Scharfe Worte

Über junge politische Perspektiven diskutierten Vertreter der Jugendorganisation der demokratischen Parteien in der Reihe »Tachles Pur«

von Pascal Beck  18.02.2025

Justiz

Vorbild und Zionist

Eine neue Gedenktafel erinnert an den Richter Joseph Schäler, der bis 1943 stellvertretender IKG-Vorsitzender war

von Luis Gruhler  18.02.2025