Weimar

Wenn Christen jiddeln

Szenen aus dem vergangenen Jahr: Tanz und Klezmer 2011 Foto: Adam Berry

Weimar steht derzeit ganz im Zeichen des »Yiddish Summer«. Vier Wochen lang treffen sich Jiddischisten, wie sie sich selbst nennen, Freunde der jiddischen Sprache in der Kulturhauptstadt Europas von 1999, zu Workshops, Seminaren, Sprachkursen und Konzerten.

Klang- und Sprachfetzen dringen aus der Musikschule am Goetheplatz im Stadtzentrum. Schon von Weitem hört der Passant, wie geübt, gelernt, musiziert und diskutiert wird. Es gibt Sprachkurse für Anfänger und Fortgeschrittene, Schnupperkurse für Musiker genauso wie Expertenkurse auf Hochschulniveau.

So etwas wie hier gebe es weltweit nirgendwo, meint der Amerikaner Itzik Gottesman, und der muss es wohl wissen. Jiddisch ist der rote Faden seines Lebens. Ob als Archivar, als Schauspieler oder später Professor –, immer war die jiddische Kultur sein Thema. Mittlerweile arbeitet er als Redakteur des in New York herausgegebenen Forverts, der weltweit einzigen nichtreligiösen Zeitung, die auf Jiddisch erscheint. Natürlich gebe es auch anderswo Sprachkurse oder Kurse für Klezmer-Musiker, meint Itzik Gottesman, aber so intensiv und tiefgehend, wie man hier in die jiddische Kultur eintauchen könne, das sei absolut einmalig.

brücken In diesem Jahr heißt das Motto »Di brikn fun ashkenaz« (Die Brücken von Ashkenaz). Gemeinsam machen sich die Künstler in den Workshops mit Literatur- und Musikwissenschaftlern auf die Suche nach den Verbindungslinien zwischen der ersten jüdisch-askenasischen Kultur vor etwa 1.000 Jahren im Rheinland zu der sich daraus später entwickelnden Kultur der osteuropäischen Juden.

Lothar Helm sitzt mit fünf anderen Schülern im Sprachkurs für Anfänger. Schon nach einer Woche könne er einfache Sätze lesen, erzählt der pensionierte Banker begeistert. Eigentlich sei es ihm anfangs gar nicht so sehr um das Jiddische gegangen, meint der Rentner. Da das Jiddisch auch hebräische Buchstaben benutze, sei das für ihn eine einfache Möglichkeit, Hebräisch lesen zu üben. Trotzdem ist er jetzt auch begeistert von all der kulturellen Vielfalt um ihn herum. Tagsüber lerne er die Sprache, meint Helm lachend, und abends geht es dann regelmäßig in die diversen Weimarer Restaurants und Clubs, wo die Teilnehmer der Musikworkshops vor Publikum präsentieren, was sie gerade gelernt haben.

Verständnis Die meisten Besucher aber kommen aus über 20 Ländern. West- und Osteuropäer, Nord- und Südamerikaner diskutieren dann in einer Mischung aus Deutsch und Jiddisch, Russisch und Englisch. Svetlana Kundish ist in der Ukraine und in Israel aufgewachsen. Schon als Kind lernte sie Jiddisch von ihren Eltern und Großeltern. Heute tritt sie als Sängerin mit hebräischen, aber eben auch jiddischen Liedern auf. Aber gerade in Israel gebe es für diese Kultur zu wenig Verständnis, meint sie. Ein Grund mehr, nach Europa zu kommen, wo sie in einigen Monaten am Berliner Abraham Geiger Kolleg eine Ausbildung als Kantorin beginnt.

Auch an Preisen hat es in den vergangenen Jahren nicht gemangelt. Vom deutschen Musikrat wurde der Yiddish Summer für seine interkulturelle Arbeit ausgezeichnet. Auch die EU prämierte das Programm vor zwei Jahren als herausragendes Projekt. Trotz all dieser Erfolge aber habe der Zentralrat der Juden in Deutschland sie nicht unterstützt, beklagt Alan Bern, der amerikanische Musiker und Leiter des Festivals. Immer wieder, meint er, habe er versucht, mit dem Zentralrat und jüdischen Organisationen ins Gespräch zu kommen. Man könne das Projekt, »weder finanziell noch ideell unterstützen«, hieß es von dieser Seite.

Klischee In Deutschland gebe es gerade bei den jüdischen Verbänden sehr viele Vorurteile gegen jiddische Kultur und Klezmer, stellt Alan Bern fest. In den 90er-Jahren, als die Musik ein Revival erlebte, wurde sie gerade in der Bundesrepublik sehr billig vermarktet. Dadurch seien sehr viele Klischees entstanden. Genau das aber passiere hier nicht, sagt der Festivalleiter. Vielleicht aber habe es auch damit zu tun, dass man in Weimar nicht danach frage, ob ein Teilnehmer jüdisch ist oder nicht, mutmaßt er. Aber warum auch, fragt er sich. Muss man ein Schwarzer aus den Südstaaten sein, um Blues zu spielen, oder Spanier um Flamenco zu lieben? Jiddisch sei einfach eine reiche Kultursprache mit 1.000-jähriger Tradition und toller Musik.

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