Salomon Almekias-Siegl lebt im Unruhestand. »Zu Rosch Haschana und Jom Kippur habe ich in Weiden amtiert, den ersten Teil Sukkot in Mannheim, an Simchat Tora und Schemini Azeret in Trier«, erzählt der Rabbiner und Kantor mit dem vollen grau melierten Haar. Und wenn Rabbiner Henry G. Brandt einmal keine Zeit hat, vertritt er ihn in Augsburg. Dabei kommt er viel herum. Es macht dem nun 70-Jährigen Spaß. Er will noch nicht zum alten Eisen gehören. »Es gibt genug zu tun«, ist er überzeugt, und auch davon, dass er noch viel weiterzugeben hat.
In seinen am 18. Dezember vollendeten 70 Lebensjahren ist Almekias-Siegl viel in der Welt herumgekommen. Sein Geburtsland Marokko verließ er im Alter von drei Jahren. Nach einem Zwischenaufenthalt in Marseille bestiegen seine Eltern das Schiff in Richtung des gerade ein Jahr zuvor neu gegründeten Staates Israel. »Dort kamen wir im Mai 1949 an.«
sechstagekrieg Nach Kindergarten, Schule und Gymnasium ging Almekias-Siegl zur israelischen Armee und wurde zum Sechstagekrieg eingezogen. Die Armee stellte bei ihm eine besondere pädagogische Begabung fest und ließ ihn zum Lehrer ausbilden. Den Aufbruch des jungen Staates erlebte Almekias-Siegl intensiv. »Die Zeit hat mich sehr geprägt«, erzählt er heute. Mindestens einmal pro Jahr fährt er nach Israel, hört alle Nachrichten und hält natürlich Kontakt zu seinen Kindern, Enkeln und Freunden.
Seinen Geburtstag hat er gemeinsam mit den Kindern und fünf Enkelkindern ebenfalls dort verbracht. Nur seine in Amerika lebende Tochter konnte nicht kommen. Sie ist Maskenbildnerin und Mutter, »und gerade in der Weihnachtszeit finden viele Aufführungen statt, bei denen sie die Schauspieler unterstützen muss«, zeigt der Vater Verständnis für das Fehlen der Tochter.
Traurig mag der Familienmensch darüber dennoch sein. Vor allem auch darüber, dass sein Schwager vor eineinhalb Monaten gestorben ist. »Er war nicht nur der Mann meiner Schwester, wir waren Freunde«, sagt Almekias-Siegl. Er habe nicht mehr allein auf dieser Welt sein wollen, nachdem vor zweieinhalb Jahren und nach fast 47 Ehejahren seine Frau gestorben war. Almekias-Siegl zitiert seinen Schwager: »Man hat mir die Seele weggenommen.«
stimme Doch das Leben muss weitergehen, sagt der Rabbiner. Lange ruhen oder stillstehen ist seine Sache nicht. Als Almekias-Siegl vor fünf Jahren sein Amt als Landesrabbiner der jüdischen Gemeinden in Sachsen aufgab, war er in ein kleines Örtchen bei Hamburg gezogen. In den Ruhestand wollte er sich nicht verabschieden. Gern würde er noch eine Gemeinde übernehmen. Bislang können ihn Gemeinden buchen. Anruf genügt, und er setzt sich in den Zug.
Der Weltenbummler, der in London studiert hat und in Schweden, Italien, den USA und schließlich in Deutschland als Rabbiner amtierte, kennt die jüdische Gemeinschaft hier sehr gut. Zu seinen Gemeinden zählten Stuttgart und Berlin, bevor er nach Sachsen ging. Mit 70 sucht er weitere Herausforderungen. Nach wie vor nimmt er Gesangsunterricht, um die Stimme weiter zu schulen. »Sie ist noch sehr schön, Gott sei Dank«, freut er sich über das Geschenk. Er könne sich auch vorstellen, Kantoren auszubilden, und stehe jederzeit zur Verfügung, wo immer man ihn brauche, erzählt er.
Zum Geburtstag wünscht er sich nur Gesundheit und möchte alles, was er weiß, weitergeben. »Es freut mich, wenn ich gebraucht werde.«