Michael Rosenzweig, Vorsitzender der Repräsentantenversammlung (RV) der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, ist am vergangenen Donnerstagabend zurückgetreten. Der Jurist sagte, Anlass für seine Entscheidung, den Sitz in der RV aufzugeben, sei seine Heirat mit Milena Winter, die ebenfalls der Repräsentantenversammlung angehört und als Integrationsdezernentin der Gemeinde tätig ist.
Die Juristin ist seit Ende November 2014 auch Mitglied des Präsidiums des Zentralrats der Juden in Deutschland. Rosenzweig betonte, weder Satzung noch Wahlordnung der Gemeinde verpflichteten ihn zum Rücktritt. Der Schritt sei aber seine moralische Pflicht.
vereidigung Als Nachfolger Rosenzweigs wurde Philipp-Eduard Siganur zum Vorsitzenden der RV gewählt. Sein Stellvertreter oder seine Stellvertreterin muss noch bestimmt werden. Für Rosenzweig rückte Mike Delberg, Leiter des Jüdischen Studentenzentrums und stellvertretender Vorsitzender der »Initiative Schalom«, in die 21-köpfige Repräsentantenversammlung nach. Delberg wurde am Donnerstagabend vereidigt.
Während der Sitzung bedankte sich Rosenzweig bei den Repräsentanten für die konstruktive Zusammenarbeit. Der Gemeindevorsitzende Gideon Joffe bedankte sich seinerseits bei Rosenzweig für die Leitung der RV. Dieser war seit Februar 2012 Vorsitzender der Repräsentantenversammlung. Im Februar 2014 hatte er bekanntgegeben, die Initiative »Neuwahl 2013« habe das erforderliche Quorum von 20 Prozent der wahlberechtigen Gemeindemitglieder verfehlt.
Joffe sagte am Donnerstagabend, mittlerweile sei die Begründung des Urteils des Verwaltungsgerichts Berlin von Ende Oktober 2014 bei der Gemeinde angekommen. Das Gericht hatte damals in seiner Entscheidung festgestellt, dass das Land Berlin den finanziellen Zuschuss an die Jüdische Gemeinde zu Berlin aufgrund einer fehlerhaften Berechnung deutlich zu niedrig angesetzt hatte.
Tarifabschlüsse Grund dafür sei, dass die im Staatsvertrag von 1993 vorgesehene automatische Anpassung an die Tarifabschlüsse im Land Berlin nicht hinreichend berücksichtigt worden sei. Dies bedeutet, dass die Gemeinde deutlich mehr Zuschüsse für ihre Arbeit bekommt. Nun müsse man überlegen, wie man im Verhältnis zum Land Berlin weiter vorgehe, sagte Gideon Joffe. Der Gemeindevorsitzende forderte die Opposition zur Mitarbeit auf.
Nach seinem Einzug in die Repräsentantenversammlung sagte Mike Delberg der Jüdischen Allgemeinen: »Ich nehme meinen Posten mit Respekt und Tatendrang an, in der Hoffnung, unserer Berliner Gemeinde eine aktive, junge und selbstbewusste Stimme zu verleihen.« Außerdem hofft der 25-Jährige darauf, »jungen, engagierten und politikinteressierten Kids in ganz Deutschland« durch seinen Einzug in die Repräsentantenversammlung »ein Stück weit Selbstbewusstsein geben zu können, damit auch sie sich trauen, in ihren Gemeinden vorzutreten und der jüdischen Jugend in ihrer Stadt Gehör zu verschaffen«.
Außer Delberg gibt es noch einen weiteren Nachrücker: Weil Tuvia Schlesinger, der zur Opposition in der RV gerechnet wurde, ebenfalls auf seinen Sitz im Gemeindeparlament verzichtet hat, wird Billy Rückert neues RV-Mitglied. Ihre Vereidigung steht noch aus. Die 45 Jahre alte Maklerin sagte dieser Zeitung, sie freue sich auf ihre Tätigkeit. Rückert hatte auf der von Gideon Joffe angeführten »Koach«-Liste für die Repräsentantenversammlung kandidiert. Sie bezeichnet sich aber mittlerweile als unabhängig.