Ein Arm ist am Fenster zu sehen. Das Haus steht in Flammen. Ein Mensch ist in Not. Zehn Jugendliche versuchen zu löschen. Doch es ist nur eine Feuerwehrübung, die eine Gruppe der Kinder- und Jugend-Aliyah aus Israel in der Staatlichen Feuerwehrschule Würzburg nachstellt. Und der Arm gehört einer lebensgroßen Puppe.
Als Kind habe sie erlebt, wie das Nachbarhaus brannte und die Flammen dann auf die eigene Wohnung überschlugen, erzählt Rotem Tzurdeke. Ein anderer Nachbar, der Feuerwehrmann war, habe geholfen, das Feuer zu löschen. Diese Erinnerungen spielten später eine große Rolle bei der Berufswahl der 16-jährigen Israelin: Sie will Feuerwehroffizierin werden. Jetzt schaut sie sich interessiert in dem riesigen, erst vor einem Jahr eingeweihten Komplex der Feuerwehrschule um und ist begeistert von der Ausstattung und den Anregungen, die sie hier für ihren Beruf bekommt.
Rotem ist eines von zehn Mädchen und Jungen aus einem Jugenddorf der Kinder- und Jugend-Aliyah in der Nähe von Tel Aviv, die für eine Woche zu Gast in Würzburg sind. Es ist bereits das zweite Mal, dass junge Menschen aus dem Jugenddorf, das einen Schwerpunkt auf der Feuerwehrausbildung hat, in der Feuerwehrschule zu Gast sind.
Berufsorientierung Angestoßen hat das Projekt der Verein der Kinder- und Jugend-Aliyah in Frankfurt. Seit zwölf Jahren organisiert sie Aufenthalte für junge Israelis in Deutschland. Sie probieren sich in den Bereichen Kraftfahrzeugmechanik und Elektrik sowie bei der Polizei aus.
Viele können sich mithilfe dieser Besuche beruflich orientieren, sagt Pava Raibstein, Geschäftsführerin der Kinder- und Jugend-Aliyah in Frankfurt. »Die Reisen sind aber auch generell als Brückenschlag zwischen Israel und Deutschland gedacht«, betont Raibstein. So gibt es bei der Polizei bereits Gegenbesuche von Gruppen aus Deutschland in Israel.
»Wir können uns durchaus eine Reise in Kooperation mit der Jugendfeuerwehr vorstellen und dem Beispiel der Polizisten folgen«, sagt Michael Bräuer, stellvertretender Leiter der Staatlichen Polizeischule Würzburg. Jetzt aber denken er und Raibstein zunächst daran, dass es eine erlebnisreiche und erfolgreiche Woche für die Mädchen und Jungen und die Mitarbeiter der Schule, die sie betreuen, wird.
Das Programm ist straff. Es gibt verschiedene Übungen in der Halle, auf dem Gelände und im Bootshafen der Einrichtung. Die sechs Mädchen und vier Jungen tragen Schutzkleidung. Es sind aber auch Ausflüge in einen Kletterwald sowie zur Feuerwehr des Münchner Flughafens und nach Garmisch-Partenkirchen geplant, ebenso ein Treffen mit Jugendlichen, die in der freiwilligen Feuerwehr aktiv sind. Das deutsche Feuerwehrwesen gilt mit seiner guten Ausstattung und seiner gut funktionierenden Struktur weltweit als einzigartig.
Bewerbung Um die Teilnahme an der Reise mussten sich die jungen Israelis bewerben und sich durch Leistungen und soziale Kompetenz für die Auswahl qualifizieren. »Der Aufenthalt ist eine Art Belohnung«, sagt Pava Raibstein. Einen Teil der Kosten refinanzieren die Arbeitseinsätze der Jugendlichen in ihrem Dorf. Der Rest wird durch Spenden und die Feuerwehrschule getragen, in der die Jugendlichen verpflegt werden und untergebracht sind.
Der 16-jährige Izhak ist nicht nur das erste Mal in seinem Leben in Europa, sondern auch das erste Mal geflogen. Das sei schon toll gewesen, meint er. Auch die 18-jährige Wobat ist dankbar, dabei sein zu können. Die moderne Simulationstechnik in der Halle gefällt ihr. Kürzlich hat sie Abitur gemacht und will während ihres Militärdienstes gern zur Grenzschutzpolizei. Als kleines Kind ist sie mit ihren Eltern und den sieben Geschwistern aus Äthiopien nach Israel gekommen.
Für die 125 Dörfer der Jugend-Aliyah in Israel gilt der Wahlspruch: »Jedes Kind sollte ein Zuhause haben, Geborgenheit spüren und eine gute Ausbildung erhalten.« Jedes Jahr werden etwa 15.000 Mädchen und Jungen zwischen zwölf und 18 Jahren dort untergebracht. Sie sind Waisen, alleinlebende Minderjährige, oder sie kommen aus problematischen familiären Verhältnissen.
Förderung In den Jugend-Aliyah-Einrichtungen wohnen sie in Gruppen, werden während der Schulzeit und Berufsausbildung intensiv unterstützt und individuell gefördert. Zugleich übernehmen sie in den Dörfern gemeinnützige Arbeiten wie die Pflege der Nutztiere, in der Gärtnerei und in der Küche. »Die Jugendlichen hätten sonst kaum eine Chance, eine solche Reise hierher zu machen«, sagt Pava Raibstein.
Doron Shabi, der für die Feuerwehrschulungen in dem Jugenddorf zuständig ist und die Gruppe auch in diesem Jahr nach Deutschland begleitet, kann nur Gutes berichten. Die Mädchen und Jungen, die im vergangenen Jahr die Reise mitmachten, haben in ihrer gesamten Entwicklung von dem Aufenthalt profitiert, sagt der Ausbilder.
Training In Israel bestimmen Feuerwehrübungen den Alltag der Jugendlichen. Einmal pro Woche führt Doron Shabi Übungen zum Brandlöschen, zum Unfalleinsatz und zum Bergen von Personen durch. Die Feuerwehr ist ein beliebter Arbeitgeber, sagt er. Wesentlich mehr junge Menschen bewerben sich, als aufgenommen werden können. Auch Niro Ashkenazy denkt ernsthaft über eine Laufbahn als Feuerwehrmann nach. Zuerst muss der 18-Jährige aber zur Armee.
»Eine Fahrt wie diese hier kann viele therapeutische Sitzungen ersetzen und den jungen Menschen auf ihrem Weg helfen«, sagt Pava Raibstein. Sie ist froh, dass die Besuche in Würzburg weiter jährlich stattfinden sollen. Für die Feuerwehrschule in Würzburg ist das kein Problem, kommen doch jährlich etwa 6000 Teilnehmer zu Lehrgängen in die Ausbildungsstätte. Die zehn israelischen Mädchen und Jungen kann sie ohne weiteres unterbringen.
www.kiju-aliyah.de
www.sfs-w.de