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Was läuft?

Jugendzentrum Chai Hannover auf der Jewrovision, beim Bowlen und beim Trampolinspringen Foto: Getty Images/ Jugenzentrum Hannover

Die Corona-Pandemie bedeutete einen Einschnitt in den Alltag aller Menschen. Ganz besonders hart hat es Kinder und Jugendliche getroffen. »Alles, was sie zuvor durften, war ihnen plötzlich verboten«, fasst Nachumi Rosenblatt die Situation junger Menschen in der Pandemie zusammen. »Und alles, was sie nicht durften oder sollten, war plötzlich erlaubt, nämlich den ganzen Tag online zu sein und daheim zu bleiben.«

Corona war daher auch für die jüdischen Jugendzentren (Juzes) eine enorme Herausforderung, betont der Leiter des Kinder-, Jugend- und Familienreferats der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST).

kontakt »Als die Pandemie angefangen hat, mussten die Jugendzentren sich schnell überlegen, wie sie mit ihren Kindern und Jugendlichen in Kontakt bleiben können«, erinnert sich Rosenblatt. Die meisten schalteten um auf Online-Angebote. »Doch die Motivation vieler Leute hat sehr gelitten, da sie ohnehin den ganzen Tag am Computer hingen.« Hinzu kommt, dass viele der Madrichim ausgebrannt waren. »Sie sind erschöpft, weil sie während Corona alles gegeben haben«, sagt Rosenblatt.

Die Einschränkungen zum Infektionsschutz sind seit einer Weile weitestgehend aufgehoben, und auch die Juzes sind zu ihrem Präsenzangebot zurückkehrt. Doch wie nachhaltig wirken sich die mehr als zwei Jahre der Ausnahmesituation auf die Zentren aus, und wie schaffen sie es heute, die Kinder und Jugendlichen wieder stärker an sich zu binden?

»Wir beobachten gerade das Aufwachen nach Corona«, erzählt Susanne Benizri. Sie ist als Erziehungsreferentin der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden für die Koordinierung von insgesamt zehn Jugendzentren und die überregionalen Angebote von »JuJuBa«, der jüdischen Jugend Baden, zuständig. Heute sei es grundsätzlich schwieriger, »Jugendliche aus ihrer Jogginghose zu holen«, sagt Benizri.

chanichim Die Selbstverständlichkeit, ins Juze zu kommen, sei für viele jüdische Teenager im Lauf der Pandemie verloren gegangen. Einen großen Teil der Chanichim habe man auch während der Lockdowns bei der Stange halten können, einige seien jedoch »verloren« gegangen. »Und wer einmal weg ist, den kriegt man schlecht wieder zurück«, weiß Benizri, die seit mehr als 30 Jahren mit jüdischen Jugendlichen arbeitet.

Es sei schwierig, die »Jugendlichen aus der Jogginghose zu holen«, sagt Susanne Benizri.

Deshalb hat man in Baden damals eine strategische Entscheidung getroffen: Der Fokus wurde auf die Zwölf- bis 15-Jährigen gelegt. »Während die Anfangs- und Abschlussklassen vergleichsweise schnell wieder in die Schulen durften, kam diese Altersgruppe unter die Räder«, erzählt Benizri, die auch als jüdische Religionslehrerin arbeitet. Für diese besonders von Isolation gefährdeten Schülerinnen und Schülern hat man, soweit es die Maßnahmen zuließen, auf Präsenz gesetzt. »Wir haben jede Ferien etwas für sie angeboten, und das hat sich gelohnt«, so Benizri.

Eine Lücke tue sich nach drei Jahren Pandemie jedoch bei den etwas älteren Jugendlichen auf, die normalerweise jetzt als neue Madrichim nachrücken würden. Die Juzes würden, so Benizri, unter einem allgemeinen gesellschaftlichen Trend leiden: »Die Bereitschaft zum Engagement geht insgesamt zurück.«

Doch Benizri betont, dass es bei »JuJuBa« gut laufe. Dort habe man das eigene Programm noch einmal deutlich aufgestockt. Die Bilanz des vergangenen Jahres: zwei Studienreisen, Bootcamps in Vorbereitung auf die Jewrovision und ein Empowerment-Seminar gegen Antisemitismus. »Wir haben einen hohen Aufwand betrieben und gutes Feedback bekommen«, resümiert Benizri.

Stimmung Auch das Jugendzentrum Chai in Hannover hat die Corona-Zeit einigermaßen gut überstanden. »Doch es ist nicht einfach, diese besondere Stimmung zurückzubringen«, erzählt Juze-Leiterin Shterna Wolff. Sie glaubt zu wissen, was Chai Hannover seinem Gemeindenachwuchs Entscheidendes bieten kann: »Es ist die jüdische Atmosphäre, die sie sonst nirgendwo bekommen können. Hier können sie sie selbst sein und Kontakt zu anderen jungen Jüdinnen und Juden haben.«

All das kann nur richtig funktionieren, wenn man sich vor Ort trifft. Das ist auch der Grund, warum Wolff und ihr Team in den vergangenen drei Jahren so weit wie möglich auf ein Präsenz-Angebot gesetzt haben.

»Wir haben uns viel Mühe gegeben, nicht zu schließen, außer, es war gesetzlich vorgeschrieben«, erinnert sich Wolff, die das Juze Chai seit 2013 leitet. Doch auch in den Phasen des Lockdowns ließ man die Chanichim nicht allein. »Wir waren immer mit ihnen und ihren Eltern in Kontakt und haben eine gemeinsame WhatsApp-Gruppe.« So sei die Nähe und Vertrautheit zwischen den Kindern und den Madrichim nie abgebrochen.

zulauf Das sei ein Grund, warum sich das Juze nach dem Ende der Maßnahmen wieder über großen Zulauf freuen kann, glaubt Wolff. Ein weiterer Grund: »Die Madrichim sind immer auf der Suche nach neuen Ideen und arbeiten stets daran, dass es jede Woche interessant bleibt«. Dazu gehörten auch regelmäßige Ausflüge, etwa zu einem Spiel des lokalen Fußballvereins Hannover 96. Der Aufwand hat sich offenbar ausgezahlt, findet Wolff: Die besondere Atmosphäre »kommt langsam zurück«. 

Es muss verhindert werden, dass die kleinen Gemeinden den Anschluss verlieren, sagt Nachumi Rosenblatt.

Für Nachumi Rosenblatt steht die Jugendarbeit nach Corona vor einer großen Aufgabe: Es müsse unbedingt verhindert werden, dass die kleinen Gemeinden den Anschluss verlieren. »Große Gemeinden haben ein Netzwerk an jüdischen Kindergärten, Schulen und Nachmittagsbetreuung, das den kleinen und mittelgroßen Gemeinden fehlt. Der Unterschied ist riesig – und er ist durch Corona gewachsen.«

Um dafür zu sorgen, dass die Jugendzentren auch in den kleinen Städten eine Zukunft haben, müsse man dort vor allem die emotionale Bindung an sie sichern, glaubt Rosenblatt.

Deshalb setzt die ZWST seit einer Weile verstärkt auf Partizipation der Chanichim. »Das ist die Zukunft: Die Jugendlichen bestimmen mit«, erläutert Rosenblatt die Vision. Er hat beobachtet, dass die Pandemie unter jungen Menschen auch einen Sinneswandel erzeugt hat. Heute würden sie viel weniger akzeptieren, wenn über ihre Köpfe hinweg entschieden wird.

Mitsprache Daher verstärkt die ZWST die Zusammenarbeit mit der internationalen jüdischen Jugendorganisation »BBYO« und erweitert das Programm der »Youth Club Leader«. Das Konzept: Die Juzes wählen jeweils eine Chanicha und einen Chanich, die sich mit anderen Jugendvertretern vernetzen, um gemeinsam Formate zu entwickeln, die sie wirklich interessieren.

Aus ihren Reihen werden wiederum zwei Präsidenten erkoren, die in der ZWST ein Mitspracherecht erhalten. »Sie bestimmen mit darüber, wie unsere Machanot oder unsere Workshops aussehen«, erläutert Rosenblatt die Aufgabe der Präsidenten. Zudem verstärkten sie die internationale Zusammenarbeit mit anderen Ländern.

Diesen Willen, zu gestalten, tragen die Jugendlichen dann zurück in ihre Juzes, hofft Rosenblatt. Es bedürfe auch hauptamtlicher Strukturen und der Bereitschaft der Gemeindeführungen, die Jugendarbeit entsprechend in der Haushaltsplanung zu berücksichtigen. Für Rosenblatt jedoch ganz entscheidend: »Man muss an die Jugend glauben, nur so kann man sie motivieren.« Das Rezept für zukunftsfeste Jugendzentren lautet also Vertrauen in die nächsten Generationen.

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