Münster

Wachrütteln gegen den Hass

Das Ergebnis ist optisch angelehnt an das berühmte »Anti-Atomkraft-Logo« Foto: pr

»Als ich die Nachrichten gelesen habe, konnte ich es nicht fassen«, sagt Rabbiner Efraim Yehoud-Desel. Dass ein Neonazi in Deutschland im Jahr 2019 schwer bewaffnet eine Synagoge angreift und zwei Menschen tötet, hätte er sich in seinen schlimmsten Alpträumen nicht vorstellen können.

»Dass der Antisemitismus in der Bundesrepublik nach 1945 nicht spurlos verschwunden ist, war mir bewusst, aber das, was am 9. Oktober 2019 in Halle passiert ist, hat mich wirklich zutiefst schockiert«, sagt der gebürtige Israeli, der seit 19 Jahren in Münster in Nordrhein-Westfahlen lebt und derzeit als Religionslehrer arbeitet.

SCHOCK Nachdem der erste Schock über die Geschehnisse in Halle verflogen war, sagte der Rabbiner zu sich selbst: »Es reicht! Du musst jetzt selber etwas gegen diesen ausufernden Hass unternehmen«. Doch was kann man als Einzelperson schon tun? Spontan kam dem 67-Jährigen eine Idee: Ein Logo gegen Antisemitismus entwerfen. »Alle Welt kennt doch das Logo mit der lachenden Sonne gegen Atomkraft und jeder, der dieses politische Statement teilt, hat dieses Logo doch irgendwo kleben, beziehungsweise, erkennt es sofort wieder, wen er es irgendwo sieht«, sagt Yehoud-Desel.

Genau diesen Wiedererkennungseffekt gepaart mit der Solidarität, die ein solches Logo ausdrückt, wollte auch der Rabbiner und ehemalige Vorbeter der jüdischen Gemeinde in Münster erreichen. Zusammen mit einer Designagentur hat er im Herbst ein solches Logo entworfen.

Das Ergebnis ist optisch angelehnt an das berühmte »Anti-Atomkraft-Logo«: Ineinandergreifende bunte Hände bilden vor gelbem Hintergrund einen Davidstern. Als Schriftzug ist die Aufforderung »Zusammen gegen Antisemitismus« zu lesen. »Das Logo soll die Menschen wachrütteln und symbolisch zeigen, dass wir den Antisemitismus nur wirksam bekämpfen können, wenn wir alle gemeinsam handeln«, sagt Yehoud-Desel.

»Ich wünsche mir, dass mein Logo über das symbolische Zeichen hinaus zu echten Gesprächen anregt.« Rabbiner Efraim Yehoud-Desel

KAMPAGNE Inzwischen ist aus der Privatinitiative des Rabbiners in seiner Wahlheimat Münster eine Bürgerbewegung geworden. Die Stadtverwaltung etwa führt das Logo als elektronische Signatur unter jeder offiziellen E-Mail. Über eine eigens für die Kampagne erstellte Website kann man Sticker, Buttons und T-Shirts mit dem aufgedruckten Logo gegen eine Spende bestellen. Viele Unternehmen und Organisationen in der Region machen bereits mit.

Auch viele Einzelpersonen beteiligen sich, indem sie das Logo in den sozialen Netzwerken teilen. Und auch überregional gibt es viele interessierte Anfragen, wie Initiator Yehoud-Desel erzählt. »Ich hätte nicht gedacht, dass sich mein Logo und vor allem seine wichtige Botschaft so schnell verbreiten würden«, sagt er.

Wenn er eigeninitativ Kommunalverwaltungen in anderen Bundesländern und Gewerbetreibende auf seine Logo-Kampagne anschreibe und frage, ob sie nicht beispielsweise einen Satz Sticker zum Auslegen bestellen wollen, erhalte er fast durchweg positive Antworten.

UNTERSTÜTZER So habe auch die Stadt Halle inzwischen sein Logo in ihren offiziellen E-Mail-Verkehr als Signatur übernommen, wie Yehud-Desel. Zur weiteren Verbreitung der Aktion setzt Yehoud-Desel auch auf prominente Unterstützer. Eine davon ist die ehemalige Piratenpolitikerin und politische Aktivistin Marina Weißband. »Ein solches Signal ist mächtig«, lobt Weißband die Logo-Aktion. Besonders freut es Yehoud-Desel, wenn Menschen sein Logo als Anlass für eigene Initiativen gegen Israel- und Judenhass verstehen.

 

»Ein solches Signal ist mächtig.« Marina Weisband

So hat etwa die Schulstiftung Osnabrück in allen der ihr zugehörigen weiterführenden Schulen zum Gedenktag an die Befreiung des Konzentrationslager Auschwitz am 27. Januar verschiedene Veranstaltungen mit Bezugnahme auf das Logo durchgeführt. »Das Logo unterstreicht das Verbindende im Einsatz gegen Antisemitismus und zeigt den Schülerinnen und Schülern, dass sie nicht alleine sind«, sagt Winfried Verburg vom Stiftungsvorstand der Schulstiftung.

Button Viele Lehrer und Schüler würden das Logo als Button tragen, in den Klassenräumen hingen Plakate. »Wir wollen uns dafür einsetzen, dass das Logo weiterverbreitet wird«, sagt Verburg. Yehoud-Desels Wunsch ist es, dass sich auch die Bundesregierung für seine Aktion erwärmt und das Logo teilt.

Wenn Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier oder Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) das Logo als Button am Revers tragen würden, wäre dies ein »wirklich gewaltiges Zeichen gegen den Hass«, ist der Rabbiner überzeugt.

Interview

»Wir reden mehr als früher«

Rabbiner Yechiel Brukner lebt in Köln, seine Frau Sarah ist im Herbst nach Israel gezogen. Ein Gespräch über ihre Fernbeziehung

von Christine Schmitt  13.03.2025

Bundeswehr

»Jede Soldatin oder jeder Soldat kann zu mir kommen«

Nils Ederberg wurde als Militärrabbiner für Norddeutschland in sein Amt eingeführt

von Heike Linde-Lembke  13.03.2025

Hamburg

Hauptsache kontrovers?

Mit der Verleihung der Buber-Rosenzweig-Medaille wurde die »Christlich-Jüdische Zusammenarbeit 2025 – 5785/5786« eröffnet. Die Preisträger sind in der jüdischen Gemeinschaft umstritten

von Heike Linde-Lembke  13.03.2025

Purim

Schrank auf, Kostüm an

Und was tragen Sie zum fröhlichsten Fest im jüdischen Kalender? Wir haben uns in der Community umgehört, was in diesem Jahr im Trend liegt: gekauft, selbst gemacht oder beides?

von Katrin Richter  13.03.2025

Feiertag

»Das Festessen hilft gegen den Kater«

Eine jüdische Ärztin über Alkoholkonsum an Purim und die Frage, wann zu viel wirklich zu viel ist

von Mascha Malburg  13.03.2025

Berlin

Persien als Projekt

Eigens zu Purim hat das Kunstatelier Omanut ein Wandbild für die Synagoge Pestalozzistraße angefertigt

von Christine Schmitt  13.03.2025

Wilmersdorf

Chabad Berlin lädt zu Purim-Feier ein

Freude sei die beste Antwort auf die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen, sagt Rabbiner Yehuda Teichtal

 12.03.2025

Purim

An Purim wird »We will dance again« wahr

Das Fest zeigt, dass der jüdische Lebenswille ungebrochen ist – trotz der Massaker vom 7. Oktober

von Ruben Gerczikow  12.03.2025

In eigener Sache

Zachor!

Warum es uns besonders wichtig ist, mit einer Sonderausgabe an Kfir, Ariel und Shiri Bibas zu erinnern

von Philipp Peyman Engel  11.03.2025 Aktualisiert