Irith Michelsohn ist eine resolute Frau. Doch am Führungsstil der Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Bielefeld scheiden sich die Geister. Viele kritisieren sie als selbstherrlich – andere bescheinigen ihr unermüdliches Engagement: Ohne sie gebe es kein aktives Gemeindeleben, erst recht keine neue Synagoge.
Doch jetzt ist gegen sie Anklage erhoben worden, wegen Veruntreuung von Gemeindeeigentum in Höhe von 12.470 Euro. Auch ihr Vize, der Musiker Yuval Adam, ist angeklagt, sich unrechtmäßig Geld überwiesen zu haben, in seinem Fall 11.400 Euro. Die Beträge errechnen sich aus monatlichen Überweisungen von bis zu 500 Euro in den Jahren 2006 und 2007. Das bestätigt der Sprecher des Amtsgerichts Bielefeld, Reinhard Baumgart.
wahlerfolg Die Strafanzeige kommt von dem Zahnarzt Mark Masur und der Historikerin Anna Petrowskaja. Beide hatten 2008 zur Wahl kandidiert und waren zum neuen Vorstand der Jüdischen Gemeinde Bielefeld gewählt worden. Doch der Einspruch von Irith Michelsohn und Yuval Adam gegen diese Wahl hatte zunächst Erfolg. Auch das Schieds- und Verwaltungsgericht beim Zentralrat der Juden in Deutschland hatte damals entschieden, dass sie wiederholt werden müsse, weil es einige Ungereimtheiten gab.
Seitdem schwelt ein erbitterter Streit, der regelmäßig beim Gericht des Zentralrats landet. Das Wirrwarr juristischer Auseinandersetzungen ist für einen Laien kaum noch zu überblicken. Mehrmals obsiegten Michelsohn und Adam. Dann erzielten Mazur und Petrowskaja Teilerfolge. Zu einer Lösung kam es nicht. Schon 2004 drohte die Gemeinde wegen einer Wahl auseinanderzubrechen. Gemeindemitglieder kehrten der Synagoge in der Stapenhorststraße den Rücken.
kräftemessen Michelsohn schaffte es, der jüdischen Gemeinde ein neues Zuhause zu schaffen. Doch wirklich harmonisch verlief das Gemeindeleben nie. Mark Mazur gab seine Kampfkandidatur gegen Michelsohn nie auf. Diese wiederum argumentiert gegen Mazur und Petrowskaja: Beide gehörten gar nicht der Gemeinde an. Mazur habe seinen Lebensmittelpunkt in Düsseldorf und lediglich seine Praxis in Bielefeld. Petrowskaja sei zur Zeit der Wahl im Februar 2008 gar nicht in Deutschland gewesen. Im April 2009 sei sie dann vom Ehrengericht der Gemeinde aus dieser ausgeschlossen worden, sagt Michelsohn, beide seien demnach gar nicht wählbar gewesen.
»Alles fadenscheinig«, sagt der Vertreter von Mazur und Petrowskaja, Rechtsanwalt Rüdiger Fleischmann. Zu der aktuellen Anklage gegen das Bielefelder Vorstandsduo könne er jedoch nicht viel sagen. Man habe lediglich Anfang vergangenen Jahres den Stein mit einer Strafanzeige ins Rollen gebracht. Dabei beruft sich Fleischmann gegenüber der Jüdischen Allgemeinen auf Kontoauszüge der Deutschen Bank. Sie sollen beweisen, dass die Personalentwicklungsgesellschaft der Stadt Bielefeld, Rege, Projektgeld aus der Anstellung von Ein-Euro-Kräften auf das Privatkonto von Yuval Adam überwiesen hat.
Dass Michelsohn und Adam Honorare aus den Projektgeldern bekommen haben, bestreiten diese gar nicht. Sie wehren sich dagegen, dass dies unrechtmäßig und gegen die Satzung der Gemeinde geschehen sei. Detailliert erklärt Michelsohn im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen, dass dieses Geld aus der Trägerpauschale, die der Gemeinde für die 15 eingestellten Ein-Eurokräfte zufließt, den Verwaltungsaufwand honorieren sollte. Sie habe die Beträge als Einnahmen bei ihrer eigenen Einkommenserklärung ordnungsgemäß versteuert, betont Michelsohn.
Rechtsanwalt Fleischmann muss hier passen. Das Gericht sähe den Fall offensichtlich als weniger gravierend an, fügt er noch hinzu. Würde er doch lediglich vor einem Einzelrichter verhandelt. Auch wenn sich am Führungsstil von Irith Michelsohn die Geister trennen. Eines wird ihr jedoch immer bescheinigt, sich für die Gemeinde einzusetzen. Das tut auch Gemeinderabbiner Henry G. Brandt. Jetzt hat der Richter das Wort.